Hamburg. Sportpädagoge erklärt, warum der Insolvenzantrag die Spieler stärker gemacht hat – und worauf der Coach nun achten muss.

Befürchtungen gab es einige, als die Spielbetriebs GmbH der Crocodiles Hamburg am 14. Dezember einen Antrag auf Eröffnung eines Planinsolvenzverfahrens stellte. Die größte: Wie soll sich eine Mannschaft, die laut Reglement im Zuge eines Insolvenzantrags keine Play-offs bestreiten darf, für den Rest einer sportlich bedeutungslosen Saison in der Eishockey-Oberliga Nord motivieren? Die Antwort darauf gaben die Farmsener auf dem Eis: Sechs Siege aus neun seitdem absolvierten Spielen, darunter Erfolge gegen Top-vier-Teams wie die Hannover Indians und die Moskitos Essen, ließen die Fans in deutlich gewachsener Zahl ins Eisland Farmsen pilgern. An diesem Freitag (20 Uhr) soll gegen Preussen Berlin der siebte Sieg gefeiert werden.

Warum sein Team sich trotz der Aussichtslosigkeit nicht hängen lässt, dafür hat Cheftrainer Jacek Plachta eine einfache Erklärung. „Die Jungs sind Profis, sie haben einen Job zu erledigen. Wir wollen Spaß haben, und den hat man eher, wenn man gewinnt“, sagt der 49-Jährige. Klingt einleuchtend, doch natürlich sind die Kräfte, die innerhalb eines Mannschaftsgefüges wirken, komplexer.

Deshalb ist Heiko Hansen auch überzeugt davon, dass die Erklärung für die überdurchschnittlichen Leistungen tiefer geht. Der 53 Jahre alte Sportpädagoge und Mentalcoach aus Bad Bramstedt beschäftigt sich seit vielen Jahren mit der Psyche von Leistungssportlern, er arbeitete mit Boxprofis und Golfern ebenso wie mit Nachwuchsfußballern in Internaten von Bundesligaclubs.

Guter Zusammenhalt als Basis

„In erster Linie zeigt sich in solchen Situationen der Charakter von Menschen. Der Zusammenhalt in der Mannschaft muss schon vor dem Insolvenzantrag groß gewesen sein. Wäre das nicht so, wäre das Team nun auseinandergebrochen“, sagt er. Von außen nehme er die Crocodiles als familiären Verein wahr. „So ein Ereignis sorgt dafür, dass in einer funktionierenden Einheit eine festere Bindung entsteht. Die Freude daran, gemeinsam etwas zu schaffen, wird einem bewusster, daraus erwächst eine förderliche Lockerheit.“

Sportpädagoge
Heiko Hansen
(53) lobt den
Charakter des
Crocodiles-Teams.
Sportpädagoge Heiko Hansen (53) lobt den Charakter des Crocodiles-Teams. © privat

Aus dieser Einstellung heraus sei es möglich, auch ohne sportliches Ziel einen Motivationsschub zu entwickeln und dadurch das Auseinanderfallen des Kaders zu bremsen. „Entscheidend ist, dass es die Perspektive gibt, in der kommenden Saison neu starten zu können. Wenn diese wegfiele, gäbe es einen Einbruch“, sagt Hansen. Das wichtigste Zeichen, das die Crocodiles in ihrer aktuellen Lage senden, sei, „dass Profisport viel mehr ist als nur Geld. Es ist ein gutes Beispiel für eine Gruppe, die gemeinsam für eine Sache einsteht, dass die Spieler, die trotzdem gehen, nicht als die Bösen gesehen werden.“

"Plachta sollte nicht nur auf Leistung bestehen"

Ein Trainer, sagt der Experte, könne in einer solchen Phase am besten auf das Team einwirken, indem er die Spieler positiv mit klarer Kommunikation begleite. „Plachta sollte jetzt nicht nur auf Leistung bestehen, sondern vor allem die Bindungen zwischen den Spielern stärken und die Führungskräfte unterstützen“, sagt er. Leidenschaft und Charakter seien Dinge, die sich Fans von ihrem Team in erster Linie wünschten. „Die Crocodiles zeigen beides gerade eindrucksvoll. Deshalb spielen sie derzeit besser als erwartet.“

Damit die Crocodiles zum Auswärtsspiel in Tilburg am Sonntag (15 Uhr) nicht mitten in der Nacht abreisen müssen, übernimmt eine Gruppe von Sponsoren die Kosten für eine Übernachtung am Sonnabend in Krefeld.