Hamburg. Uwe Stöver war Sportchef bei St. Pauli und bis Mai bei Holstein Kiel. Wie er die Chancen der Clubs auf den Klassenerhalt einschätzt.

Am Freitagabend wird er am Bildschirm genau hinsehen, wenn im Millerntor-Stadion der FC St. Pauli und Holstein Kiel von 20.30 Uhr an aufeinandertreffen und um für beide immens wichtige Bundesliga-Punkte kämpfen werden. Für Uwe Stöver ist diese Begegnung alles andere als ein normales Spiel zweier Kellerkinder im Oberhaus des deutschen Fußballs. Für den 57-Jährigen ist es das Duell seiner beiden Ex-Clubs, für die er vor seinem aktuellen Job beim SV Wehen Wiesbaden mit viel Herzblut tätig war.

Bis zum letzten Spieltag der vergangenen Saison war Stöver für Holstein Kiel als Geschäftsführer Sport tätig gewesen, hatte aber bereits im November 2023 verkündet, dass er seinen auslaufenden Vertrag nicht verlängern werde. Aus privaten Gründen zog es ihn zurück in den Raum Mainz. So hatte es einen im Profifußball absoluten Seltenheitswert, in welcher Harmonie und mit welchen positiven Emotionen die knapp fünfjährige Amtszeit Stövers bei den „Störchen“ endete – und das nicht nur wegen des Bundesliga-Aufstiegs.

Uwe Stöver arbeitete in Kiel Nachfolger Carsten Wehlmann ein

Bereits im März hatten die Kieler Carsten Wehlmann (52) als Stövers Nachfolger verpflichtet, doch statt eines abrupten Wechsels gab es eine mehr als zwei Monate lange Einarbeitungsphase, in der beide auch die Personalplanung für die Saison 2024/25 betrieben. Das allerdings war gar nicht so einfach, auch wenn sich spätestens seit der Zweitliga-Herbstmeisterschaft abgezeichnet hatte, dass die KSV Holstein als erster Club Schleswig-Holsteins in die Fußball-Bundesliga aufsteigen könnte.

„Der Aufstieg stand erst nach dem vorletzten Spieltag fest. Das war am 11. Mai. Carsten Wehlmann und ich waren bei der Spielersuche vorher schon zweigleisig unterwegs, aber Fakten schaffen und finalisieren war erst danach möglich“, beschreibt Stöver im Gespräch mit dem Abendblatt die Problematik, die so ähnlich auch auf den FC St. Pauli zutraf, der am 12. Mai den Aufstieg realisierte.

Uwe Stöver: „Aufsteiger haben es doppelt schwer“

„Für die Aufsteiger aus der Zweiten Liga ist es zu diesem Zeitpunkt nicht so einfach, sich auf dem Markt zu bewegen, schon gar nicht im Bereich der ablösefreien Spieler mit einer entsprechend hohen Qualität“, sagt Stöver. Clubs, die schon Wochen früher so gut wie sicher sein können, weiter in der Bundesliga zu spielen, können eben entsprechend früher auf dem Transfermarkt zuschlagen.

Hinzu kommt der finanzielle Aspekt. „Die wirtschaftliche Ausstattung eines Aufsteigers ist eine ganz andere im Vergleich zu den etablierten Clubs, die sich schon mehrere Jahre in der Bundesliga aufhalten. Selbst ein Club wie Heidenheim, der sich im zweiten Jahr in der Bundesliga bewegt, ist schon auf einem wirtschaftlich deutlich höherem Niveau unterwegs als ein Aufsteiger“, stellt Stöver fest. Quintessenz: „Für einen Aufsteiger ist es doppelt schwer, wenn er erst spät auf dem Transfermarkt agieren kann und dann nicht die wirtschaftlichen Möglichkeiten anderer Vereine hat und hohe Ablösesummen zahlen kann.“

Beide Aufsteiger konnten erst Mitte Mai final planen

So erklärt sich, dass Holstein Kiel – und noch mehr der FC St. Pauli – im Sommer für Erstligaverhältnisse relativ zurückhaltend bei ihren Transferaktivitäten waren. Die 1,8 Millionen Euro, die die Kieler an Ablöse für Mittelfeldspieler Armin Gigovic ausgaben, stechen schon heraus. Bei St. Pauli schlagen die Ablöse von 600.000 Euro für Außenbahnspieler Fin Stevens und die Leihgebühr von 500.000 Euro für Stürmer Morgan Guilavogui am stärksten zu Buche.

Dass sich St. Pauli und Holstein Kiel am Freitagabend als aktueller 16. und 17. der Bundesligatabelle begegnen, ist für Uwe Stöver, der direkt vor seinem Engagement in Kiel gut eineinhalb Jahre bis April 2019 beim FC St. Pauli als Sportchef arbeitete, denn auch nicht verwunderlich. „Als Aufsteiger muss man feststellen, dass das Niveau in der Bundesliga noch einmal ein ganz anderes ist“, sagt er. Daher brauche es auch eine gewisse Zeit, sich „in die Liga hineinzufinden und hineinzuarbeiten“. Gegenüber etablierten Clubs sei, so Stöver, oft sogar auf allen Positionen ein Qualitätsunterschied vorhanden. „Diesen gilt es, mit anderen Mitteln auszugleichen“, sagt der frühere Verteidiger von Leverkusen, Bochum und Mainz und meint damit Teamspirit, Kampfgeist und taktische Disziplin.

Stöver traut St. Pauli und Kiel den Klassenerhalt zu

Trotz aller genannter Widrigkeiten traut Uwe Stöver aber seinen beiden früheren Clubs zu, am Saisonende den Klassenerhalt in der Bundesliga zu schaffen. „Beide haben das Potenzial, Rang 15 oder zumindest den Relegationsplatz einzunehmen“, sagt er. „Mehr wäre allerdings Utopie.“

Auf dem Weg dahin stehen nun beide Aufsteiger im direkten Duell in der Pflicht, einmal wieder drei Punkte einzufahren. St. Pauli ist dies in den ersten elf Spielen erst zweimal, in Freiburg (3:0) und Hoffenheim (2:0), der KSV Holstein erst einmal mit dem Heimerfolg gegen Heidenheim (1:0) gelungen. Als ein erstes Endspiel betrachtet Stöver das Nordduell am Freitagabend allerdings nicht. „Dafür ist die Saison einfach noch zu jung. Einen entscheidenden Charakter messe ich dem Spiel auch angesichts der Drei-Punkte-Regel noch nicht bei“, sagt er.

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Andererseits aber stellt er auch klar: „Für den Moment wäre ein Sieg für die Spieler beider Mannschaften vor allem etwas sehr Positives für den Kopf.“ St. Pauli könnte den Vorsprung auf den direkten Abstiegsplatz 17 auf sechs Punkte verdoppeln und eventuell am letztjährigen Aufsteiger 1. FC Heidenheim vorbeiziehen, der am Sonntag (17.30 Uhr) gegen Eintracht Frankfurt antritt. Die Kieler könnten ihrerseits mit einem Sieg am Millerntor mit St. Pauli nach Punkten gleichziehen.

St. Pauli kann Abstand auf Platz 17 verdoppeln

Für beide Teams ist es zudem ein Match gegen einen der wenigen Bundesliga-Gegner auf Augenhöhe. „Tabellarisch ist es also ein wichtiges Spiel, aber kein entscheidendes für die ganze Saison“, sagt Stöver, der noch intensive Kontakte nach Kiel hat. „Hier sind in der Zeit echte Freundschaften entstanden“, sagt er. Bei St. Pauli sei es vor allem U-23-Sportchef Carsten Rothenbach, mit dem er noch häufiger im Gespräch ist.