Hamburg. Der Kiezclub steigert seine Erträge um satte 26 Prozent auf einen historischen Höchstwert. Was der Ex-Trainer damit zu tun hat.
Das Entsetzen unter den Mitgliedern des FC St. Pauli war groß, als der Kiezclub im November vergangenen Jahres auf der Mitgliederversammlung eingestehen musste, dass im abgelaufenen Geschäftsjahr 2022/23 ein finanzieller Verlust von 4,913 Millionen Euro entstanden war. Ausgerechnet der Verein, der seit seiner Fast-Insolvenz vor knapp 20 Jahren wirtschaftlich überaus solide geführt worden war und – abgesehen von der Corona-Krise – praktisch durchweg schwarze Zahlen schrieb, hatte sich plötzlich finanziell so kräftig verkalkuliert, und das trotz eines auf 63,698 Millionen Euro gesteigerten Umsatzes des Gesamtkonzerns.
„Wir haben kein Einnahmen-, sondern ein Ausgabenproblem“, brachte es der im Herbst 2023 als neuer kaufmännischer Geschäftsleiter installierte und daher für das am 30. Juni des Jahres beendete Geschäftsjahr noch keine Verantwortung tragende Wilken Engelbracht auf den Punkt. In kurzer Zeit hatte der Finanzfachmann die entscheidenden Gründe für das siebenstellige Minus analysiert und neben negativen Einmaleffekten auch die clubinterne Kostenstruktur ausgemacht.
FC St. Pauli ist in die Gewinnzone zurückgekehrt
Dem Schock von vor einem Jahr folgen jetzt, da an diesem Freitagabend (Beginn 19 Uhr) wieder die Mitgliederversammlung im CCH stattfindet, deutlich positivere Nachrichten. Wie das Abendblatt erfuhr, schloss der FC St. Pauli das Geschäftsjahr 2023/24 mit einem Konzerngewinn von 149.315,33 Euro ab.
Das ist zwar nicht gerade ein atemberaubender Überschuss, aber immerhin so etwas wie die gern zitierte „schwarze Null“.
Geschäftsleiter Wilken Engelbracht mahnte zu Kostendisziplin
Vor allem aber ist dieser kleine Gewinn ein Indiz dafür, dass der Club durch das Wirken von Wilken Engelbracht zur notwendigen Kostendisziplin zurückgekehrt ist. Bekanntlich hatte sich St. Pauli in diesem Zuge im Sommer auch von einer einstelligen Zahl von Mitarbeitenden getrennt.
Möglich gemacht wurde die Rückkehr in die Gewinnzone vor allem aber auch durch eine weitere und erneut deutliche Steigerung der Erträge des Konzerns, zu dem neben dem gemeinnützigen Verein (FC St. Pauli e. V.) auch die Tochtergesellschaften für die Vermarktung und das Catering, für das Merchandising, für die Stadionverwaltung sowie die Stadionbesitzgesellschaft gehören. Um bemerkenswerte rund 26 Prozent gegenüber dem alten Rekordwert des Vorjahres stieg der Gesamtumsatz auf 80.032.723,83 Millionen Euro, wie aus der offiziellen Gewinn-und-Verlust-Rechnung hervorgeht.
Fernsehgelder stiegen auf 16,3 Millionen Euro
Dabei gab es vier wesentliche Faktoren, die zur Steigerung der Erlöse beitrugen. So stiegen die Einnahmen aus der medialen Verwertung, meist vereinfacht als TV-Gelder bezeichnet, um 4,7 auf 16,3 Millionen Euro. Dies war vor allem der Lohn dafür, dass die Zweitliga-Mannschaft in den beiden Spielzeiten vor dem Bundesliga-Aufstieg jeweils Fünfter geworden war. Für das aktuelle Geschäftsjahr ist hier dank des Aufstiegs ein deutliches Wachstum auf rund 34 Millionen Euro zu erwarten.
Zweiter Faktor ist der Bereich Spielbetrieb mit einem Anstieg auf 19,48 Millionen Euro (Vorjahr 14,67). Hier machte sich die umfangreiche Renovierung des VIP-Bereichs (Ballsaal) in der Südtribüne des Millerntor-Stadions für rund eine Million Euro und die damit einhergehende Erhöhung der Business-Seat-Preise positiv bemerkbar. Zudem schlug das Erreichen des Viertelfinales im DFB-Pokal positiv zu Buche. Diese Einnahmequelle ist in der laufenden Saison durch das Zweitrundenaus bei RB Leipzig bereits versiegt.
Rund 6,5 Millionen Euro Ablöse für Aufstiegstrainer Hürzeler
Faktor drei ist der Bereich Handel, in dem im Wesentlichen das Merchandising und die Provisionen aus dem Catering zusammengefasst sind. Hier stiegen die Erlöse von 11,63 auf 14,65 Millionen Euro. Der Bundesligaaufstieg dürfte in der aktuellen Saison zu einer weiteren Steigerung beim Absatz von Trikots und anderen Fanartikeln sorgen.
Der vierte Faktor hat unterdessen ganz entscheidend mit Aufstiegstrainer Fabian Hürzeler (31) zu tun, genauer gesagt mit seinem Wechsel kurz nach der Zweitligameisterschaft zum englischen Premier-League-Club Brighton & Hove Albion. Weil sich die Führung des Kiezclubs in den wochenlangen Vertragsverhandlungen nicht auf die von Hürzeler und dessen Berater geforderte Ausstiegsklausel einlassen wollte, konnte die Ablöse für Hürzeler frei ausgehandelt werden.
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Im Geschäftsbericht für 2023/24 sind jetzt Einnahmen aus Transfer- und Ausbildungsentschädigungen, im allgemeinen Sprachgebrauch Ablösesummen, von 8,27 Millionen Euro (Vorjahr 5,63) notiert, die ganz überwiegend aus den Transfers von Eric da Silva Moreira und eben Fabian Hürzeler stammen. U-20-Weltmeister da Silva Moreira war für rund 1,5 Millionen Euro zu Nottingham Forest gegangen. Somit hat St. Pauli für Hürzeler unter dem Strich zunächst rund 6,5 Millionen Euro erhalten. Diese Summe kann sich künftig durch Prämien für Erfolge des hochambitionierten Trainers, der mit Brighton derzeit Platz sechs in der Premier League belegt, noch erhöhen.
Die gute Ertragslage hat der FC St. Pauli im abgelaufenen Geschäftsjahr zudem dazu genutzt, seine Verbindlichkeiten, die vor allem aus den Stadion-Darlehen und Corona-Krediten bestehen, von 46,71 auf 40,81 Millionen Euro zu reduzieren. Einen weiteren deutlichen Abbau der Verbindlichkeiten plant die Vereinsführung für die nähere Zukunft mithilfe des Teilverkaufs des Millerntor-Stadions an die neue Genossenschaft Football Cooperative St. Pauli eG.
Genossenschaft: Marke von 10.000 Anteilseignern durchbrochen
Am Donnerstag wurde hier die Marke von 10.000 Anteilseignern überschritten. Am Abend waren Genossenschaftsanteile für rund 13,8 Millionen Euro verkauft worden. Das Absatztempo hat sich zuletzt allerdings merklich verlangsamt. Dies ist offenbar auch auf technische Probleme zurückzuführen, von denen einige Interessenten jetzt berichteten.