Hamburg. Der Aufsteiger verteidigt gegen den Rekordmeister aus München leidenschaftlich, nutzt seine Chancen vorne aber nicht.
Wer am Sonnabendnachmittag von der Haupttribüne über den Rasen des Millerntor-Stadions hinausblickte, sah zwischen Südtribüne und Gegengerade die Losbude „Glücksbaron“ auf dem Hamburger Dom funkeln. Zwischen Riesenrad und Achterbahn glitzerte es verheißungsvoll, auf dem nicht minder hell erleuchteten Platz fehlte dem FC St. Pauli gegen den FC Bayern allerdings das Glück.
Bei der 0:1 (0:1)-Niederlage gegen den Rekordmeister verkaufte sich der Aufsteiger teuer, hatte im Gegensatz zu Traumtorschütze Jamal Musiala (22.) aber nicht die nötige Präzision im Abschluss. „Wir haben es gut gemacht. Dann ist es eine Situation, bei der die individuelle Klasse eine Rolle spielt. Den schießt nicht jeder so rein“, sagte St. Paulis Carlo Boukhalfa. „Trotzdem ist es natürlich ernüchternd, mit null Punkten hier zu stehen.“
Überraschungen in der Startelf der Hamburger gibt es nicht, für den verletzten Linksverteidiger Philipp Treu (linker Oberschenkel) rückte wie erwartet Lars Ritzka in die Startformation. „Ich bin auf einem sehr guten Weg. Ich hoffe, dass ich in den nächsten Tagen schon wieder ins Lauftraining einsteigen kann“, sagte Treu vor dem Spiel.
FC St. Pauli verteidigt in der Anfangsphase stark
Die Münchner veränderten ihre Startelf im Vergleich zum Champions-League-Spiel gegen Benfica Lissabon am Mittwoch (1:0) auf den beiden offensiven Flügelpositionen sowie im defensiven Mittelfeld. Auf der Doppelsechs ersetzt Leon Goretzka den Portugiesen Joao Palhinha, auf den Flügeln spielen Leroy Sané und Kingsley Coman für Serge Gnabry und Michael Olise.
Eigentlich war es aber auch egal, wen Bayern-Coach Vincent Kompany aufbot, auf jeder einzelnen Positionen verfügte der Rekordmeister logischerweise über eine deutlich höhere individuelle Qualität als die Kiezkicker. Der dicke 5-4-1-Abwehrblock, den St. Pauli kurz vor dem eigenen Strafraum bildete, machte die Räume für die Münchner dennoch eng, in den ersten 20 Minuten kam der FC Bayern mit Ausnahme einer Abseits-Chance nicht gefährlich vor das Hamburger Tor.
Jamal Musiala trifft per Traumtor zum 0:1
Umso bitterer war, wie das 0:1 fiel. Johannes Eggestein und Boukhalfa hatten den Ball gerade in ebenjenem Abwehrblock erobert, als sie sich plötzlich nicht mehr einig waren, wer den Ball nun nach vorne führen sollte. Musiala spritzte dazwischen, guckte einmal hoch – und jagte den Ball aus mehr als 20 Meter Entfernung unter die Latte. Ein brutales Traumtor.
„Es war nicht klar, wer den Ball nimmt. Dann profitiert der Bayern-Spieler und verwandelt sensationell“, sagte Boukhalfa. „Wenn man hier etwas mitnehmen will, muss man ein perfektes Spiel machen. Heute ist es eine Situation, die uns den Sieg kostet.“ Bis zum Halbzeitpfiff blieb Bayern danach ohne Großchance, die gefährlichste Aktion war ein Schuss von Leroy Sané, den Karol Mets allerdings blocken konnte.
St. Pauli brachte offensiv im ersten Durchgang mehr zustande. Bereits in der 7. Minute setzte sich Oladapo Afolayan auf der Außenbahn stark gegen Dayot Upamecano durch, brachte den Ball scharf in die Mitte, wo Manuel Neuer vor den einschussbereiten St.-Pauli-Stürmern entschärfen konnte. Weitere Chancen gab es bei einem Strafraum-Getümmel nach einer Flanke von Eric Smith (20.) sowie für Mets nach einer Kopfball-Ablage von Boukhalfa (29.).
Kopfballchance für Harry Kane kurz nach der Pause
Weil bei St. Pauli abgesehen vom Musiala-Kracher alles nach Plan lief, veränderte Trainer Blessin in der Pause nichts. Bayern sollte sich weiter am tiefen Defensivblock abarbeiten, während die Kiezkicker auf Konter lauerten. Der erste Teil des Plans ging bis auf eine Kopfballchance für Harry Kane (53.) auch voll auf, nur das Kontern funktionierte überhaupt nicht.
Bayern schob im Gegenpressing aggressiv nach vorne durch, St. Pauli verlor spätestens kurz nach der Mittellinie wieder den Ball. Erst in der 65. Minute führte ein langer Smith-Freistoß zu einer Ecke, bei der es den Kiezkickern kurz vor dem Abschluss allerdings wieder an der nötigen Coolness und Konzentration mangelte.
Vasilj hält Distanzschüsse von Goretzka und Sané
Es brach die Schlussviertelstunde an – und die Hausherren wagten sich allmählich aus der Deckung. Das führte zwar zu Abschlüssen von Leon Goretzka (75.) und Leroy Sané (76. und 79.), Torhüter Nikola Vasilj war allerdings stets souverän zur Stelle. Erst ein traumhafter Pass von Kane auf Musiala (86.) ließ den Ausnahmekicker frei vor Vasilj auftauchen, der Schuss ging diesmal aber knapp über die Latte. Wenige Minuten später parierte Vasilj aus kurzer Distanz erneut gegen Kane (89.).
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Zwischen Nordtribüne und Gegengerade flackerte das Licht der „Geisterfabrik“ vom Dom herüber – und für die Bayern war das Schreckgespenst eines späten Ausgleichs noch nicht vorbeigezogen. Auch die Zuschauer auf der Haupttribüne erhoben sich, als die letzten hohen Bälle in den Münchner Strafraum segelten. Am Ende blieb es aber beim 0:1.
- FC St. Pauli: Vasilj – Wahl, Smith (88. Dzwigala), Mets – Saliakas, Boukhalfa (89. Sinani), Smith, Ritzka – Afolayan (74. Wagner), Eggestein (81. Albers), Guilavogui.
- FC Bayern München: Neuer – Guerreiro (70. Laimer), Upamecano, Kim, Davies – Kimmich, Goretzka (82. Palhinha) – Sané (82. Olise), Musiala (90. Müller), Coman (70. Gnabry) – Kane.
- Schiedsrichter: Timo Gerach (Landau).