Hamburg. Weil der Kiezclub ein unmoralisches Angebot ablehnte, wird er weder mit Dortmund noch mit Klopp auf Augenhöhe sein. Und das ist gut so.

Kennen Sie das auch? Manchmal werden in sogenannten Brainstorming-Konferenzen die dümmsten Fragen gestellt. Und manchmal ergibt sich aus genau diesen absurden Gedanken das beste Thema. So geschehen in dieser Woche in unserem Sportressort. Da fragte ein Kollege vor dem Spiel des FC St. Pauli am Freitag bei Borussia Dortmund ganz im Ernst, ob der Kiezclub finanziell eigentlich jemals mit dem Champions-League-Krösus gleichziehen könne.

Bevor Sie nun antworten, hier noch ein paar Zahlen zum besseren Verständnis: St. Pauli gibt derzeit (angeblich) rund 25 Millionen Euro für seine Profis aus, der BVB soll sich seinen königlichen Kader mehr als 236 Millionen Euro kosten lassen. Also fast zehnmal so viel. Insgesamt haben die Schwarz-Gelben im Geschäftsjahr 2023/24 eine Bruttokonzerngesamtleistung in Höhe von 639 Millionen Euro erwirtschaftet. Der Rekordumsatzerlös, den der FC St. Pauli im vergangenen Jahr auf der letzten Mitgliederversammlung stolz präsentierte, lag bei knapp 62 Millionen Euro.

BVB gibt zehnmal so viel Geld wie St. Pauli aus

Die schnelle Antwort auf die Kollegen-Frage ist also einfach: natürlich nicht. Fertig. Diskussion und Konferenz beendet. Doch das Schöne an Brainstorming-Konferenzen ist doch, dass man sich traut, auch mal die abstrusesten Gedanken zu Ende zu denken. Und wenn man genau das bei der St.-Pauli-Borussia-Dortmund-Frage konsequent tut, dann landet man ganz schnell im Jahr 2007.

Schon damals lagen Welten zwischen dem BVB und den Hamburgern. Dortmund befand sich in der Prä-Jürgen-Klopp-Zeit noch im Mittelfeld der Bundesliga, St. Pauli war am Tiefpunkt am Tabellenende der Regionalliga. Und genau dann soll es ein unmoralisches Angebot gegeben haben, das das Zeug gehabt haben soll, St. Paulis Zukunft komplett auf den Kopf zu stellen.

Red Bull wollte bei St. Pauli einsteigen

Wenn es stimmt, was Vereinsverantwortliche von damals später berichteten, dann suchte der Großkonzern Red Bull damals in ganz Deutschland nach dem perfekten Fußball-Marketingstandort. In Düsseldorf wurde hochoffiziell die Bereitschaft der Fortuna-Mitglieder abgefragt, bei 1860 München sollen die RB-Chefs angeklopft haben, und auch auf dem Kiez soll es ein Treffen gegeben haben. Das Ende vom Lied ist bekannt: St. Pauli und das bei vielen Fußballfans unbeliebte Brausegetränk gingen keine Partnerschaft ein – dafür startete RB Leipzig zwei Jahre später seine Erfolgsgeschichte von der Oberliga Nordost bis in die Champions League.

Nun ist es müßig, darüber zu philosophieren, ob ein vergleichbarer Erfolg auch am Millerntor möglich gewesen wäre. Klar ist, dass man bei St. Pauli alles hätte aufgeben müssen, wofür der Verein und seine Anhänger eigentlich stehen. Und glücklicherweise war dazu offenbar niemand bereit – auch nicht für ein unmoralisches Millionen-Angebot, mit dem die Hamburger sehr wohl mit Clubs wie dem BVB und Bayern hätten gleichziehen können.

Mehr zum Thema

Ein kleiner, aber feiner Randaspekt dieser Geschichte: Möglicherweise hätte auch der HSV längst auf Augenhöhe mit den Großen der Bundesliga (der Ersten!) sein können – sogar ganz ohne RB-Millionen. So ist es verbrieft, dass nur wenig später die damaligen HSV-Verantwortlichen einen gewissen Jürgen Klopp ganz genau unter die Lupe nahmen. Die Geschichte ist bekannt: Der damalige Mainz-05-Coach war laut HSV-Scouts nicht rasiert und hatte Löcher in der Jeans. Der HSV lehnte ab, der BVB griff zu – und das Ende vom Lied ist ein Dortmunder Fußballmärchen.

Es gehört zum Paradoxen des Universums Fußball, dass nun eben jener Klopp, der Borussia Dortmund in eine andere Fußballgalaxie katapultierte, im Hier und Jetzt wichtigster Mann bei eben jenem Brausegiganten wird, den Düsseldorf, 1860 und St. Pauli abblitzen ließen. In Leipzig freut man sich über diese Nachricht, in Dortmund weniger. St. Pauli ist all das herzlich egal – und der HSV kämpft im siebten Jahr in Folge um den Aufstieg.

St. Pauli will auf Augenhöhe mit Dortmund sein – am Freitag

Es gibt im Übrigen noch eine ganz andere Möglichkeit der Antwort auf die Frage aus der Brainstorming-Konferenz, sofern man das Wörtchen „finanziell“ ignoriert oder durch „sportlich“ ersetzt. Der FC Augsburg, Mitte der 2000er noch in der Regionalliga Süd, ist beispielsweise seit 13 Jahren Dauergast in der Bundesliga. Und natürlich kann auch der FC St. Pauli mit Borussia Dortmund gleichziehen. Nicht finanziell, was beim Kiezclub auch keiner will. Sondern sportlich. Vielleicht nicht für 13 Jahre, zumindest aber für 90 Minuten. Und wenn alles gut geht, dann sogar schon sehr zeitnah.

Am Freitagabend. Ab 20.30 Uhr.