Hamburg. Rostocks Anhang plant einen Fanmarsch zum Hochrisikospiel gegen St. Pauli am Millerntor. Polizei macht Fans ein „attraktives“ Angebot.

Das zum Hochrisikospiel erklärte Aufeinandertreffen zwischen dem FC St. Pauli und dem FC Hansa Rostock in der Zweiten Liga wird am Sonntag von einem entsprechenden Großaufgebot der Polizei begleitet. Rund um das Spiel, das um 13.30 Uhr im Millerntorstadion angepfiffen wird (im Liveticker auf abendblatt.de), sollen die gesamte Hamburger Bereitschaftspolizei im Verbund mit den Alarmhundertschaften, die aus Beamten der Hamburger Polizeiwachen bestehen, für einen möglichst friedlichen Ablauf sorgen. Darüber hinaus wurden bereits geschlossene Einheiten aus Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Berlin und von der Bundespolizei angefordert. Außerdem sollen unter anderem aus Berlin zusätzliche Wasserwerfer anrücken.

Die brisante Begegnung gilt neben St. Paulis Stadtderby gegen den HSV als das Hochrisikospiel in der Hamburger Fußballsaison. Hinzu kommt: Es ist das erste Pflichtspiel der beiden Nordrivalen seit bald elf Jahren, das in Hamburg auch wieder vor einer großen Fanschar aus Rostock stattfinden wird. Rund 3000 Hansa-Anhänger werden auf der Nordtribüne erwartet. Die Polizei plant laut Sprecherin Sandra Levgrün eine „konsequente Fantrennung“. Der Großeinsatz beginne bereits am Sonnabendabend. Dann wird die Polizei unter anderem auf dem Kiez besonders präsent sein, da bereits am Vorabend Fans aus Rostock anreisen könnten.

Rostock-Fans doch nicht in Bomberjacken zu St. Pauli?

Die heiße Phase beginnt dann am Sonntagmorgen, wenn die meisten Rostocker Fans um 9.38 Uhr per Regionalexpress in Hamburg eintreffen. Der Zug wird bereits von Polizeikräften begleitet. Im Hauptbahnhof wird weitere Bundespolizei die Anhänger aus Mecklenburg-Vorpommern in Empfang nehmen. Ein erheblicher Teil von ihnen wird voraussichtlich an einem Marsch teilnehmen, zu dem die Ultragruppierung „Suptras“ aufgerufen hat. Als besonders brisant eingestuft wird dabei diese Aufforderung: „Alle in Bomberjacke! Mit breiter Brust für Hansa!“ Im Verlauf des Freitags hieß es dann allerdings, dass das Vorhaben der „Uniformierung“ zunächst wieder verworfen wurde.

Bomberjacke oder nicht? Die Fans des FC Hansa Rostock sorgen mit einer Ankündigung zum Hochrisikospiel beim FC St. Pauli für Wirbel.
Bomberjacke oder nicht? Die Fans des FC Hansa Rostock sorgen mit einer Ankündigung zum Hochrisikospiel beim FC St. Pauli für Wirbel. © Imago/Zink | Unbekannt

Das einheitliche Tragen von Bomberjacken könne aus Sicht der Polizei zwar „als totale Provokation in Richtung St. Pauli bewertet werden“, sagt Polizeisprecherin Levgrün dem Abendblatt. Rechtlich sei die Aktion gleichwohl nur schwer einschränkbar. Die Bomberjacke gilt als Sinnbild des Neonazismus der 1990er-Jahre und wird auch heute noch von vielen Neonazis getragen. Inzwischen ist die Jacke, die ursprünglich kurz nach dem Zweiten Weltkrieg für amerikanische Bomberpiloten hergestellt wurde, allerdings im Mode-Mainstream angekommen.

Rostocks Fanmarsch: Wann Versammlungsrecht greift

Was nach der Ankunft am Hauptbahnhof passiert, ist noch offen. Die Polizei schließt nicht aus, dass es tatsächlich den angekündigten Fanmarsch durch die City zum Stadion geben wird. Dies kann kurzfristig entschieden werden, da ein solcher Marsch nicht angemeldet werden muss. Er müsste mit starken Polizeikräften begleitet werden. Beim Stadtderby im Oktober hatten Anhänger des FC St. Pauli versucht, zu dem Fanmarsch der HSV-Fans durchzubrechen.

Über dem Fanmarsch liege laut Levgrün die zentrale Frage, ob dieser auch als solcher durchgeführt werde und demnach nach Polizeirecht zu beurteilen sei – oder ob das Versammlungsrecht greife. Dies wäre dann der Fall, wenn Grenzen überschritten und – im Verbund mit „weiteren Umständen“ – etwa politische Parolen gegen den Staat skandiert werden würden.

Schmähgesänge gegen das „absolute Feindbild“ St. Pauli oder die Polizei müssten dagegen bis zu einem gewissen Grad ausgehalten werden. „Das reicht noch nicht aus, um den Marsch als politisch zu deklarieren“, sagt Levgrün. Die Polizei habe sich bereits im Vorfeld juristisch beraten lassen und sei somit für verschiedene Szenarien gewappnet. Über die gesamte Stadt soll ein „engmaschiges Aufklärungsnetz“ gelegt werden, um mögliche Konflikte schnell zu erkennen und eingreifen zu können.

Polizei macht Rostock-Ultras „attraktives Angebot“

Die Bewertung des Fanmarsches bleibt dennoch eine große Herausforderung für die Polizei. Vor allem auch, da die Rostocker Szene als sehr erfahren im Umgang mit polizeilichen Maßnahmen gilt. Intern wird erwartet, dass immer wieder Grenzen gegenüber den Beamten ausgetestet werden. „Sie wissen ganz genau, wo die Grauzonen sind“, sagt Levgrün über die einschlägigen Hansa-Anhänger. „Das Verhalten der Rostocker Fans ist entscheidend und könnte der Knackpunkt dieses Einsatzes sein.“

Damit dieser Casus knacksus nicht zu einer Eskalation führt, hat die Hamburger Polizei den „Suptras“ in Absprache mit dem FC St. Pauli ein „attraktives Angebot“ unterbreitet: Die Hansa-Anhänger sollen nach der Ankunft am Hauptbahnhof in zwei Sonder-S-Bahnen zu den Landungsbrücken fahren und könnten von dort – von der Polizei begleitet – über die Helgoländer Allee und die Glacischausee zum Stadion gehen. So hätten sie dann noch mal eine lange Strecke, um sich kundzutun. Eine weitere Alternative könnte eine Non-stop-Fahrt mit der U-Bahn zum Stadion sein.

„Dann wird der ganze Fanmarsch eben wieder gestoppt“

„Ob das Angebot angenommen wird, wissen wir nicht“, sagt Levgrün. Das werde sich voraussichtlich erst bei der Ankunft der Fans am Hauptbahnhof herausstellen. Bis Freitag sei der Polizeibrief jedenfalls unbeantwortet geblieben. Grundsätzlich könnten die Ultras nicht zur Kooperation gezwungen werden. Sollte jedoch kollektiv eine politische Gesinnung zum Ausdruck gebracht werden oder bereits auf der Anreise etwas vorfallen, drohten Konsequenzen. „Wenn das passiert, dann wird der ganze Fanmarsch eben wieder gestoppt.“

Generell sollen die Fans von St. Pauli und Rostock rund um das Spiel strikt getrennt werden. „Das ist das A und O“, sagt Levrgün: „Nur dann sind wir in der Lage, vor allem die Sicherheit unbeteiligter Dritter zu gewährleisten.“ Bei einem unkontrolliertem Aufeinandertreffen der beiden Lager seien körperliche Auseinandersetzungen hingegen äußerst wahrscheinlich. Auch ein Alkoholverbot im Stadion soll schließlich für einen friedlichen Verlauf sorgen. Dazu werden zusätzliche Ordner eingesetzt und es wird eine Pufferzone zwischen den Gästefans und den angrenzenden Heimfans eingerichtet.

Ex-Profi äußert Unverständnis über Gewaltszenen

Dass derlei Maßnahmen überhaupt notwendig sind, stößt derweil nicht nur einem ehemaligen Spieler beider Clubs bitter auf. „Die Rivalität sollte immer eine Grenze haben, und das ist die Gewaltgrenze“, sagt Ex-Profi Thomas Meggle zu möglichen Gewaltausbrüchen einzelner Fans. „Wenn ein riesiges Polizeiaufgebot notwendig ist, dann ist das für mich total befremdlich. Ich möchte mir ein Fußballspiel angucken“, so Meggle, der insgesamt 184 Partien für St. Pauli absolvierte, dort später noch Trainer und Sportlicher Leiter war und auch drei Jahre für die Rostocker auflief.

„Die Rivalität gehört dazu, aber sie sollte immer im Bereich des Gewaltfreien sein“, sagt der der 48-Jährige. Diesen Wunsch hegt auch St. Paulis aktueller Trainer Fabian Hürzler. Er hoffe, dass die Fans „das Spiel gewaltfrei verfolgen“ und „genießen“ können, sagte er in der Pressekonferenz am Freitag. „Ich glaube, dass wir im Stadion alles dafür tun werden, dass es reibungslos abläuft, dass wir ein gutes Fußballspiel sehen“, so Hürzeler, der letztlich auch aus privaten Gründen Interesse an einem friedlichen Nachmittag haben dürfte: Am Sonntag feiert der Jung-Coach seinen 30. Geburtstag.