Hamburg. Kyereh entwickelte sich bisher zum Schlüsselspieler – doch der droht in der Rückrunde Spiele zu verpassen. Die Bilanz zum FC St. Pauli.
Noch zehnmal schlafen, noch zehn Türchen öffnen und noch eine Kerze anzünden, dann ist Weihnachten. Oder wie die Divise beim FC St. Pauli lauten dürfte: Noch einmal siegen, dann ist die schöne Bescherung perfekt.
Nachdem die Hinserie in der 2. Fußball-Bundesliga für die Kiezkicker mit dem 1:1 in Düsseldorf mit der Einstellung des Punkterekords aus der Saison 2011/12 (36) überaus erfolgreich zu Ende gegangen war, kommt es zum Jahresabschluss am Freitag zum Nordduell gegen Holstein Kiel (18.30 Uhr, Sky).
Ein ähnliches Ergebnis wie im Hinspiel, als St. Pauli im Millerntor-Stadion mit 3:0 gewinnen konnte, würde den Kiezkickern und ihren Fans das Weihnachtsfest endgültig versüßen.
FC St. Pauli: Das Team kann stolz sein
Und die Aussichten sind günstig: Kiel, in der vergangenen Saison nur denkbar knapp am Aufstieg in die Bundesliga gescheitert, konnte in der Hinrunde nur drei seiner neun Heimspiele gewinnen, liegt mit Rang 15 (18 Punkte) deutlich hinter den gestiegenen Erwartungen zurück und hat auch schon den ersten Trainerwechsel (Marcel Rapp kam für den zurückgetretenen Ole Werner) hinter sich.
Auch wenn das Umfeld euphorisch die Tabellenführung des FC St. Pauli feiert, bleiben Trainerteam und Spieler auffällig nüchtern, was nicht nur daran liegt, dass die Punkteteilung mit Fortuna Düsseldorf den Vorsprung auf den Tabellenzweiten Darmstadt 98 auf vier Punkte schmelzen ließ. Timo Schultz weiß trotz einiger erzielter Bestmarken in den vergangenen 17 Spielen, wo bei seinem Team noch Luft nach oben ist.
Bei einem Rückblick auf die vergangenen rund fünf Monate überwiegt bei den „Boys in Brown“ natürlich das Positive. Betrachtet man die jüngste Punkteausbeute der Zweitliga-Herbstmeister, wird deutlich, wie stolz das Team auf das Erreichte sein kann. In den vergangenen acht Spielzeiten gelang es nur dem HSV, einen Punkt mehr als der FC St. Pauli in der Hinserie zu sammeln – in der Saison 2018/19 nach dem Bundesliga-Abstieg.
Zwei Spieler sind maßgeblich am Hinrunden-Erfolg beteiligt
Positiv herauszustellen ist zweitens die gute Tordifferenz (37:20). Nur der SV Darmstadt 98 traf zweimal häufiger, nur der HSV (17) und der SC Paderborn (19) kassierten weniger Gegentreffer. Und drittens kommt die erstaunliche Heimstärke dazu. St. Pauli hat in dieser Saison im Millerntor-Stadion in acht Auftritten nicht einen einzigen Punkt liegen lassen, dabei 24 Tore geschossen und nur fünf kassiert. Allein mit dieser Ausbeute wäre St. Pauli Tabellenzehnter.
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Vor allem die starke Offensive der Hamburger sorgte dabei immer wieder für Furore. Mit Guido Burgstaller (32) und Daniel-Kofi Kyereh (25) hat der FC St. Pauli sein Duo Infernale gefunden, das die Hinrunde über perfekt harmonierte und gleich drei Zweitliga-Statistiken anführt.
Mit 14 Treffern und vier Torvorlagen liegt Burgstaller sowohl in der Torjäger- als auch der Scorerliste der laufenden Saison auf Platz eins. Kyereh hat mit neun Assists die meisten Treffer in der 2. Bundesliga aufgelegt und traf zudem selbst fünfmal. Trotz zehn weiterer Torschützen in den eigenen Reihen beweist das, wie wertvoll Burgstaller und Kyereh für die Mannschaft sind.
FC St. Pauli: Das Dreamteam droht auseinanderzubrechen
Umso problematischer, dass dieses Dreamteam zumindest für einige Zeit Anfang 2021 auseinanderzubrechen droht. Burgstaller steht bei vier Gelben Karten und wäre nach der nächsten Verwarnung für eine Partie gesperrt. Noch ernster ist die Lage um Kyereh, der bei einer sehr wahrscheinlichen Nominierung vom ghanaischen Verband im Januar beim Afrika-Cup spielen dürfte. Scheitert Ghana in der Vorrunde, bliebe es bei einem verpassten Zweitligaspiel (gegen Erzgebirge Aue), allerdings würde er im DFB-Pokal-Achtelfinale gegen Dortmund nicht zur Verfügung stehen.
Erreicht Ghana die K.-o.-Runde, fehlt Kyereh im Stadtderby gegen den HSV. Bei Erreichen des Halbfinals würde er sogar das Spiel gegen den SC Paderborn verpassen. Extrem bitter, denn wie die Statistiken beweisen, ist Kyereh nicht nur für die besonderen offensiven Momente gut, sondern auch ein wahrer Arbeiter. Kein Spieler des FC St. Pauli legte in dieser Saison mehr Kilometer zurück als der Mittelfeldmann (180,9), kein Spieler gewann mehr Zweikämpfe (191).
Vor allem seine Arbeit gegen den Ball, die auch Trainer Timo Schultz (44) an dem Ghanaer immer wieder lobt, könnte den Kiezkickern bei einer Afrika-Cup-Teilnahme sehr fehlen. Denn die gewonnenen Zweikämpfe gehören zu der Statistik, in der beim FC St. Pauli durchaus noch Verbesserungsbedarf besteht.
St. Pauli ist schwach im Zweikampf
In diesem Punkt liegt die Schultz-Elf nur auf Platz 13 in der 2. Bundesliga. Auch gegen Düsseldorf gewann das Team des FC St. Pauli lediglich 43 Prozent ihrer Zweikämpfe. Besonders in der Luft haben die Hamburger oft das Nachsehen. Kein Team gewann weniger Kopfballduelle als St. Pauli. Umso kurioser, dass nur drei Mannschaften (Nürnberg, Darmstadt und Regensburg) häufiger per Kopf trafen als die Kiezkicker (sechsmal).
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Ein weiteres, deutlich größeres Manko aber sind die Schwankungen zwischen den Auftritten im Millerntor-Stadion und den Auswärtsspielen, in der Vergangenheit häufig nicht die Lieblingsdisziplin.
Obwohl St. Pauli einmal öfter in der Ferne spielte als zu Hause, holten sie dort nur ein Drittel ihrer Punkte (zwölf) und gewannen nur drei Partien. Ein Umstand, den der Tabellenführer schon am Freitag gerne ändern und sich und seine Fans in Kiel mit den Punkten 37, 38 und 39 beschenken würde.