Hamburg. Sieben Spieltage vor Schluss der Saison ist St. Pauli wieder Spitzenreiter und wirkt gefestigt. Irvine positiv auf Corona getestet.

Wie er den Sonnabendabend verbringen würde, davon hatte Timo Schultz schon 24 Stunden vorher eine klare Vorstellung. „Mit einem kühlen Bier in der Hand auf der Couch“ wollte er das Spiel zwischen Werder Bremen und Darmstadt 98 verfolgen.

„Es ist schön, mal vorgelegt zu haben und am Sonnabend und Sonntag die Beine hochlegen zu können. Wir wissen ja auch, wie es ist, wenn man nachlegen muss“, sagte er nach dem hart erkämpften, aber dank einer starken zweiten Halbzeit verdienten 1:0-Heimsieg gegen den bisherigen Verfolger 1. FC Heidenheim.

FC St. Pauli nach Bremens Sieg an der Spitze

Was Schultz aus dem Weserstadion zu sehen bekam, dürfte ihm sehr gefallen haben. Bremens Sieg – ebenfalls ein 1:0 – fiel knapp genug aus, damit seine eigene Mannschaft Tabellenführer vor den punktgleichen Werderanern blieb. Der bisherige Spitzenreiter Darmstadt fiel auf Rang drei zurück. Diese beiden Teams sind St. Paulis nächste Heimspielgegner, insofern war der TV-Abend auf der Couch für Schultz auch noch ein interessanter Anschauungsunterricht.

St. Paulis Rückkehr an die Tabellenspitze der Zweiten Liga seit der Ablösung nach dem 0:3 gegen Hannover 96 am 20. Februar hat seine Ursache vor allem in einer deutlichen Stabilisierung in der Defensive. In den vier Punktspielen seither nahm das Team nur noch drei Gegentore hin und holte dank acht eigener Treffer zehn Punkte. Die Erkenntnis, endlich auch wieder ein Spiel ohne Gegentor überstehen zu können, wie jetzt gegen Heidenheim auch mit etwas Glück (Lattentreffer, verweigerter Handelfmeter) realisiert, trägt zweifellos zum Selbstvertrauen bei.

Schultz lobt sein Team

„Es ist absolut außergewöhnlich, dass wir gegen Heidenheim mehr Zweikämpfe gewinnen – gegen eine Mannschaft, die sich darüber als Primärfaktor definiert. Dazu hatten wir 7:0 Ecken und 20:10 Torschüsse. Es zeigt, dass wir vieles richtig gemacht haben“, sagte Schultz.

Ihren Beitrag dazu hatten auch die 27.433 Zuschauenden geleistet, die das Millerntor-Stadion erstmals seit mehr als zwei Jahren wieder nahezu gefüllt hatten. Dass rechtzeitig zur Schlussphase der Saison wieder eine Vollauslastung aller Tribünen zugelassen ist, dürfte auch im Hinblick auf die noch folgenden vier Heimspiele gegen durchweg pro­minente Teams (Bremen, Darmstadt, Nürnberg, Düsseldorf) ein wichtiger Faktor sein, wenn es darum geht, den Aufstiegsplatz erfolgreich zu verteidigen.

FC St. Pauli „will jedes Spiel gewinnen“

„Diese Unterstützung hat uns getragen. Man hat auf dem Platz gesehen, was mit den Fans im Rücken hier möglich ist“, sagte Linksverteidiger Leart Paqarada, der in Abwesenheit von Philipp Zier­eis wieder als Kapitän fungiert und das Siegtor durch Daniel-Kofi Kyereh mit einer präzisen Flanke vorbereitet hatte.

Klar ist, dass bei aller Vorsicht und Zurückhaltung das Thema Bundesligaaufstieg nicht mehr zu vermeiden ist, wenn man sieben Spieltage vor Schluss Spitzenreiter der Zweiten Liga ist und seine winterliche Schwächephase offenbar überwunden hat.

Auf die Frage, wie lange man jetzt denn noch das Thema Aufstieg umschiffen und wegmoderieren wolle, stellte Schultz jetzt seine Version dar: „Ich weiß nicht, wer das Thema Aufstieg wegmoderiert hat. Wir gehen es nur anders an. Wir wollen jedes Spiel gewinnen. Ihr wisst doch auch, was passiert, wenn wir jedes Spiel gewinnen. Auch wenn das nicht sehr realistisch ist.“

Aufstieg ist kein Tabuwort mehr bei St. Pauli

Vor dem letzten Fünftel der Saison ist der Aufstieg also bei St. Pauli kein Tabuwort mehr, auch wenn es immer noch nicht wirklich offensiv verwendet wird. „Es sind einfach zu viele Faktoren. Auf dem Weg, der jetzt noch zu gehen ist, sind noch so viel Aufs und Abs drin, auch wenn es nur noch sieben Spiele sind“, warnte Schultz auch wieder. „Je weniger Spiele es sind, desto knackiger wird es.“ Teamintern seien die Ausschläge „zwischen euphorisch und zu Tode betrübt“ längst nicht so groß, wie es im Umfeld zu beobachten sei.

„Wir haben es jetzt selbst in der Hand, erfolgreich zu sein. Mal sehen, wohin uns dieser Weg jetzt führt“, sagte Paqarada, der betonte, dass der Sieg gegen Heidenheim besonders deshalb sehr wichtig war, weil er nicht leicht und locker herausgespielt, sondern knapp und hart erkämpft war.

Jackson Irvine an Corona erkrankt

Ein wenig getrübt wurde die allgemeine Freude allerdings, als bekannt wurde, dass Mittelfeldspieler Jackson Irvine am Sonnabendmorgen vor dem Regenerationstraining positiv auf das Coronavirus getestet worden war. Später bestätigte ein PCR-Test das Ergebnis. Irvine verpasste so das von Schultz am Morgen zelebrierte Pfannkuchen-Frühstück im Trainingszentrum.

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Zudem musste er, was für ihn schwerwiegender ist, die Reise zu den WM-Qualifikationsspielen seiner australischen Nationalmannschaft gegen Japan und Saudi-Arabien absagen. Ob Irvine am 2. April im nächsten Spiel St. Paulis bei Hansa Rostock wieder zur Verfügung stehen wird, ist noch nicht absehbar. Vorerst hat sich der 29-Jährige, der vollständig geimpft ist, in häusliche Quarantäne begeben.

FC St. Pauli: War Ir­vine schon ansteckend?

Noch brisanter ist die Frage, ob Ir­vine nicht schon am Abend vor seinem positiven Schnelltest im Spiel gegen Heidenheim einige seiner Teamkollegen und gegnerischen Spieler unbemerkt angesteckt hat. Spätestens direkt vor dem nächsten Teamtraining bei St. Pauli am Mittwoch werden alle Spieler getestet, bevor sie sich in die Kabine begeben und in die Vorbereitung auf die entscheidenden sieben Spieltage starten.