Hamburg. Sportchef Bornemann verfolgt eine völlig andere Strategie als Vorgänger Stöver. Lankford bleibt fest bei Wehen Wiesbaden.

Es waren viele warme Worte, mit denen in den vergangenen Tagen der FC St. Pauli auf den clubeigenen Medien all jene Spieler verabschiedete, die nicht mehr zum Kader gehören werden, wenn Trainer Timo Schultz am 17. Juni zur ersten Übungseinheit der neuen Saison bittet. Zu diesem Kreis gehörten auch Außenverteidiger Daniel Buballa und Offensivspieler Ryo Miyaichi, die den Kiezclub nicht etwa verlassen, weil sie einem lukrativen Angebot eines anderen Vereins erlegen sind, sondern weil sie schlicht keinen neuen Vertrag mehr bekommen haben.

„Man kann es sich gefühlt noch gar nicht vorstellen, wenn in der Saison 2021/22 im Kader kein Daniel Buballa zu finden ist“, schrieb der FC St. Pauli in seinem Verabschiedungstext ziemlich salbungsvoll. Sportchef Andreas Bornemann und auch Trainer Timo Schultz aber konnten sich genau dies offenbar schon seit geraumer Zeit sehr wohl vorstellen.

Buballa kam selten zum Einsatz

Der zu Saisonbeginn zum Vize-Kapitän ernannte Buballa war schon in der sportlich erfolgreichen Rückrunde zudem so selten zum Einsatz gekommen, dass seine Verlängerungsoption, die bei einer bestimmten Zahl von Spielen gegriffen hätte, nicht wirksam wurde. Am Ende kam der 31-Jährige nur auf 21 Einsätze, davon sechs in der Rückrunde. Auf seiner angestammten Position des linken Außenverteidigers hat ihm Leart Paqarada den Rang abgelaufen.

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Schon zu Beginn seiner Amtszeit hatte Bornemann gesagt, dass es vier Transferperioden bedarf, bis ein Sportchef einen Profikader nach seinen Vorstellungen zusammengestellt hat. Diese vierte Wechselzeit läuft de facto derzeit für ihn, denn als er am 1. Juli 2019 sein Amt beim FC St. Pauli antrat, waren die meisten Personalentscheidungen für die damals anstehende Saison längst getroffen. So hatte sein am 10. April 2019 beurlaubter Vorgänger Uwe Stöver bereits Rico Benatelli verpflichtet.

Bornemann in Sachen Vertragsverlängerungen der Gegenentwurf zu Stöver

Noch weit schwerwiegender war, dass sich Stöver in seinen nur gut eineinhalb Jahren bei St. Pauli als Meister der Vertragsverlängerungen profilierte. So unterschrieben in dieser Phase die etablierten und überdurchschnittlich bezahlten Spieler Robin Himmelmann, Christopher Avevor, Philipp Ziereis, Daniel Buballa, Christopher Buchtmann, Ryo Miyaichi, Waldemar Sobota und Johannes Flum einen – in der Regel höher dotierten – Anschlussvertrag.

Andreas Bornemann hat sich in seinen nun fast zwei Jahren bei St. Pauli in Sachen Vertragsverlängerungen als Gegenentwurf zu Stöver profiliert. Lediglich den Kontrakt mit Reservist Luis Coordes, der in der abgelaufenen Saison ohne Zweitligaeinsatz blieb, verlängerte er. Dazu holte er den zunächst ausgeliehenen Abwehrchef James Lawrence im Herbst 2020 fest zum Club. Und der Vertrag von Sebastian Ohlsson verlängerte sich nach entsprechend vielen Einsätzen automatisch. Das war es denn aber auch.

Nicht allen Fans des FC St. Pauli gefällt der massive Personalumbruch

So werden voraussichtlich zum Ligastart am 23. Juli nur noch rund acht Spieler im Kader stehen, die auch vor zwei Jahren, als Bornemann Sportchef wurde, schon da waren. Zu den Abgängen gehört seit Sonntag auch Kevin Lankford (22). Der Offensivspieler war zuletzt schon an Drittligist SV Wehen Wiesbaden verliehen und wird dort nun fest bleiben.

Längst nicht allen Fans des FC St. Pauli gefällt dieser massive Personalumbruch. Die Erfolgsserie zwischen Januar und April mit überwiegend neuem Personal aber gibt der eingeschlagenen Strategie recht. Diese wird auch von Präsident Oke Göttlich nicht nur akzeptiert, sondern geradezu propagiert.

Auch altbekannte Gesichter am Millerntor

„Es ist uns auch wichtig, Spieler in unsere Reihen zu holen, die ein Entwicklungspotenzial haben, welches am Ende auch wertsteigernd anzusehen ist – und zwar auf dem Platz als auch im Hinblick auf Transfererlöse“, sagte Göttlich jetzt. Bornemann soll Spieler an Land ziehen, die kurzfristig für sportlichen Erfolg sorgen sollen und sich dann gewinnbringend verkaufen lassen. Ein heißer Kandidat ist Topscorer Daniel-Kofi Kyereh.

Tatsächlich hatte St. Pauli in den vergangenen Jahren diese vierte wesentliche Säule der Finanzierung neben TV-Vermarktung, Kartenverkauf und Sponsoring eher vernachlässigt. Die lukrativen Transfers von Mats Möller Daehli (2,5 Millionen Euro) und Henk Veerman (1,5) entsprangen mehr dem Zufall als einer strategischen Planung.

Doch es wird auch weiter altbekannte Gesichter am Millerntor geben. Innenverteidiger Philipp Ziereis (28) etwa geht jetzt in seine neunte Saison.