Hamburg. Weil die Chefs Schultz und Grammozis Corona-infiziert sind, haben beim FC St. Pauli und Schalke 04 die Co-Trainer das Sagen.

Man wüsste doch zu gerne, wie es wirklich so zugeht mit der Kommunikation zwischen dem Cheftrainer in Quarantäne und seinen Co-Trainern auf dem Platz. Loic Favé (28), der mit Fabian Hürzeler (28) beim FC St. Pauli den coronapositiven Timo Schultz (44) auch im Spitzenspiel der Zweiten Liga an diesem Sonnabend (20.30 Uhr/Sky und Sport1) gegen Schalke 04 vertritt, gab ein wenig Einblick: „Zu Hause ist ihm langweilig, und so hatten wir gestern auch mehrere Calls.“

Das klang fast so, dass Schultz zum Handy greift, wenn die Netflix-Serie geschaut ist, das Buch gelesen oder ein Fußballspiel abgepfiffen. Was soll man auch tun, isoliert im heimischen Schlafzimmer?

FC St.Pauli: Spitzenspiel der Assistenten

„Wir hatten virtuellen Kontakt und haben die Trainingsplanung besprochen“, erzählte am Freitag auch Schalkes Co-Trainer Sven Piepenbrock (39), „das machen wir sonst natürlich im Büro.“ Denn auch sein Chef Dimitrios Grammozis (43) ist mit dem Coronavirus infiziert und musste sich am Freitag daheim isolieren.

Zum ersten Mal sind damit bei einem Spiel der Zweiten Liga oder der Bundesliga die Cheftrainer beider Teams nicht am Start, sondern müssen ihre Mitarbeiter den Job am Spielfeldrand erledigen lassen. Auch ein Stück Fußballgeschichte.

„Ich bin selbst gespannt, wie das für mich sein wird“, räumte Schalkes Piepenbrock ein, der nur als Jugendtrainer schon mal Chef war. Das gilt für Favé zwar auch, der Hamburger hat den Job auf der Bank gemeinsam mit Hürzeler aber schon erfolgreich beim 3:2-Sieg in Nürnberg am vergangenen Sonntag erledigt. Er ist also „erfahrener“ in dieser Situation.

Vor allem im Angriff gehen Schalke die Spieler aus

„Man merkt schon, dass eine Person weniger bei der Durchführung der täglichen Arbeit da ist“, berichtete Favé. Seit Freitag fehlt außerdem noch Torwarttrainer Matthias Hain, der ebenfalls positiv getestet wurde. „Es zeichnet uns aus, dass wir alle hier gut als Team zusammenarbeiten. In so einer Phase ist das noch mal umso wichtiger.“

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Die taktische Einstellung auf den Bundesliga-Absteiger wird wieder Fabian Hürzeler übernehmen. Die Analyse der gegnerischen Mannschaft zählt ohnehin zu den Jobs des zugewanderten Bayern. Das wird jedoch keine einfache Aufgabe diesmal, denn die Gelsenkirchener haben erhebliche Personalprobleme, insgesamt stehen neun Profis nicht zur Verfügung. Zudem meldete sich am Freitag auch der Vorstandsvorsitzende Peter Knäbel mit Corona-Verdacht ab.

Vor allem im Angriff gehen Schalke die Spieler aus. Neben Toptorjäger Simon Terodde, der mit Wadenproblemen in diesem Jahr nicht mehr spielen wird, fallen in Marius Bülter (schlechte Blutwerte) und Darko Churlinov (Schulter) zwei weitere Angreifer aus. Nur Marvin Pieringer ist als nomineller Stürmer noch einsatzfähig. Piepenbrock überlegt deshalb, vom normalen Spielsystem mit zwei Spitzen abzugehen. „Ohne Terodde ist Schalke unberechenbarer“, sagte Favé, „da kommen andere Herausforderungen auf uns zu.“

. „Ohne Terodde ist Schalke unberechenbarer“

„Treten und mauern“ erwartet ein westdeutscher Schalke-Experte angesichts der Personallage als Taktik der „Königsblauen“, dazu das Herausholen von Freistößen. Statt große Fußballkunst könnte es also ein hektisches Gebolze werden. „Schalkes Defensive ist sehr gut, und sie spielen sehr gute Standards“, meinte Fabian Hürzeler, und Favé ergänzte: „Sie haben eine Mannschaft mit viel Wucht und viel Athletik.“

Platz sechs mit sechs Punkten Rückstand auf den Tabellenführer ist nicht das, was sich Schalke im Kampf um den Wiederaufstieg so vorgestellt hat nach 15 Spieltagen. Es gibt ein Problem: Die Mannschaft hat gegen Teams aus der oberen Tabellenhälfte nur einmal gewonnen, aber fünfmal verloren. „Das müssen wir ändern und gegen Mannschaften aus dem oberen Drittel auch Ergebnisse erzielen“, sagte Sportchef Rouven Schröder bei Sky, „es ist schön, uns jetzt mit St. Pauli zu messen, die den Anspruch haben, uns zu schlagen.“

FC St. Pauli: Die Hamburger haben kaum Personalsorgen

Die Hamburger haben kaum Personalsorgen. Kapitän Philipp Ziereis ist wieder fit, ebenso Luca Zander. Verteidiger Jakov Medic trainierte am Freitag nach seinem Nasenbeinbruch mit Maske und ist wieder eine Option. Mit einem weiteren Dreier würde der FC St. Pauli einen neuen Vereinsrekord aufstellen: Acht Heimsiege in Folge gab es noch nie. Auch die Herbstmeisterschaft käme dann vor dem abschließenden Spiel der Hinrunde am kommenden Sonnabend in Düsseldorf näher.

Das Millerntor unter Flutlicht könnte bei der Erfolgsjagd tatsächlich ein entscheidender Faktor werden. „Ein Heimspiel mit Fans, das hat man im bisherigen Saisonverlauf gemerkt, hat einen Einfluss“, sagte Favé. Auf unabsehbare Zeit zum letzten Mal wird das Stadion sehr gut gefüllt sein. St. Pauli verzichtet zwar wie in der gesamten Saison darauf, alle möglichen 29.546 Plätze zu verkaufen, aber rund 22.000 Fans werden unter 2G-Regeln wohl kommen. Erst von Montag an wird sich Hamburg der bundesweiten Corona-Verordnung anschließen. Für St. Pauli bedeutet das, dass künftig lediglich knapp 10.000 Zuschauer ins Stadion dürfen. Allerdings steht das nächste Heimspiel erst am 15. Januar an.

St. Pauli: Vasilj – Ohlsson, Ziereis, Lawrence, Paqarada – Smith – Irvine, Kyereh, Hartel – Matanovic, Burgstaller.

Schalke: Fraisl – Thiaw, Kaminski, Itakura – Aydin, Palsson, Ouwejan – Zalazar, Drexler, Latza – Pieringer.

Ausfall: Mittelfeldspieler Afeez Aremu fällt mit einer Muskelverletzung bis Jahresende aus.

Aufruf: Präsident Oke Göttlich appelliert an alle Fans im Stadion, vor dem Spiel gegen Schalke einen Schnelltest zu absolvieren und während der Partie freiwillig eine Maske zu tragen.