Hamburg. Das glückliche 2:2 gegen Erzgebirge Aue trübt massiv die Vorfreude auf das Pokalmatch gegen Dortmund und das Stadtderby beim HSV.

Nieselregen, knapp vier Grad und ein ekliger Wind – die äußeren Bedingungen beim Regenerations- und Spielersatztraining am Sonntagmittag waren für die Profis des FC St. Pauli alles andere als erquickend. Das Wetter passte allerdings gut zu der tags zuvor gezeigten Leistung der Spieler im ersten Ligaspiel des Jahres 2022 beim 2:2 (1:1) gegen den Tabellenvorletzten FC Erzgebirge Aue. Dabei verhinderte der erst in der Nachspielzeit erzielte Ausgleich die Heimniederlage gegen einen zwar kämpferisch vorbildlichen, fußballerisch aber arg limitierten Gegner.

Von dieser Sorte an Ligakonkurrenten hatten sich in der Hinrunde einige am Millerntor vorgestellt und mussten jeweils arg gerupft die Heimreise antreten. Genannt seien hier die Spiele gegen Ingolstadt (4:1), Dresden (3:0), Rostock (4:0) und Sandhausen (4:1). Mit Wucht und noch mehr Spielfreude hatte St. Pauli diese Gegner aus der unteren Tabellenhälfte dominiert und unter den Fans Begeisterung und Aufstiegseuphorie entfacht.

Ohne Fans auf der Gegengeraden: St. Paulis Jackson Irvine (l.) wird von Aues Dirk Carlson bedrängt.
Ohne Fans auf der Gegengeraden: St. Paulis Jackson Irvine (l.) wird von Aues Dirk Carlson bedrängt. © Valeria Witters / WITTERS | Unbekannt

FC St. Pauli: Unentschieden drückt Stimmung vor wichtigen Spielen

Von all dem war jetzt gegen Aue erstmals auch in einem Heimspiel nicht mehr viel zu sehen. Gewisse Automatismen waren zwar immer noch zu erkennen, dazu eine erfolgreiche Freistoßvariante zum 1:1, aber dieser Esprit, diese Unbekümmertheit in Verbindung mit der Überzeugung, das Richtige zu tun, scheint abhanden gekommen zu sein. Die nur zwei Punkte aus den jüngsten drei Spielen, allesamt gegen Teams mit zweistelligen Tabellenplätzen (Düsseldorf, Kiel, Aue), stimmen nachdenklich, auch wenn die Ausgangsposition als Tabellenführer immer noch glänzend zu sein scheint. „Das einzig Positive war, dass wir daran geglaubt haben, heute noch was mitzunehmen“, sagte Torjäger Guido Burgstaller.

Trainer Timo Schultz und Sportchef Andreas Bornemann betonen schon seit geraumer Zeit, dass die Mannschaft weiterhin nichts zu verlieren habe und schon mal gar kein Aufstiegsfavorit sei. Die Intention dieser Aussagen liegt auf der Hand: Druck von der Mannschaft zu nehmen und so alles dafür zu tun, dass sie ja ihre mentale Unbeschwertheit, auf der sie förmlich durch die Hinrunde geschwebt war, nicht verliert.

Trainer Schultz: „Was soll ich verlieren? Mit Pech mal einen Fünf-Euro-Schein“

Doch die Realität ist eine andere. Der FC St. Pauli im Januar 2022 ist eben nicht mehr das Team, das vor einem Jahr noch dem Abstieg in die Dritte Liga geweiht schien und sich aus dieser Situation mit einer für alle noch immer erstaunlichen Rückrunde befreite. Und es ist auch nicht mehr das Team, das im Sommer zwar schon zu den Mitfavoriten gezählt wurde, sich aber immer noch im Kreis der großen Namen wie Schalke, Werder, HSV und auch Nürnberg als klein bezeichnen konnte.

„Wir haben heute auch nichts verloren. Wir haben einen Punkt gewonnen. Was soll ich verlieren? Wenn ich Pech habe, verliere ich mal einen Fünf-Euro-Schein“, sagte Trainer Schultz jetzt nach dem schwerfälligen Auftritt gegen Aue trotzig. Dabei wird auch ihm natürlich bewusst sein, dass ein Unentschieden im Heimspiel gegen einen Abstiegskandidaten nicht nur für einen Tabellenführer in erster Line zwei verlorene Punkte sind.

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FC St. Pauli: Unentschieden gegen Aue dämpft die Stimmung der Spieler

„Wir sollten mal von dem Anspruchsdenken wegkommen, hier jeden Gegner aus dem Stadion zu fegen. Wir sind der FC St. Pauli und nicht die Übermacht, die über Aue hinwegfegt. Wir haben heute kein gutes Spiel gemacht und können froh sein, dass wir hintenraus noch einen Punkt gemacht haben“, sagte Schultz weiter dazu.

Immerhin ging die Tabellenführung am Wochenende tatsächlich noch nicht verloren, weil auch der direkte Verfolger Darmstadt gegen Karlsruhe nicht über ein 2:2 hinauskam. Doch Heidenheim (3.) und Werder Bremen (4.) rückten mit ihren Heimsiegen näher an St. Pauli heran und untermauerten ihre Ambitionen.

Das 2:2 gegen Aue, nach zuvor acht Heimsiegen in Folge, und das unerwartet mäßige eigene Spiel sorgte am Sonntag beim Training neben dem Wetter dafür, dass es unter den Spielern leise und gedämpft zuging. Für die außenstehenden Betrachter deutete nichts darauf hin, dass für das Team an diesem Dienstag (20.45 Uhr) mit dem DFB-Pokalspiel gegen Borussia Dortmund das seit Jahren attraktivste Spiel, dazu noch im eigenen Stadion, ansteht. Und nur drei Tage später mit dem Stadtderby beim HSV der nächste sportliche und emotionale Höhepunkt. Vorfreude oder gar Euphorie? Fehlanzeige! Die Ernüchterung über den Rückschlag gegen Aue saß offenbar tief.

Publikum verhielt sich weitestgehend coronakonform

Fragen warf ganz nebenbei auf, dass am Sonnabend nur 1724 statt der erlaubten 2000 Fans ein Ticket erworben hatten. Auf Nachfrage, ob es Probleme beim Onlineverkauf am Freitag und Sonnabend gegeben habe, teilte der Verein mit, dass „vom Verkaufsstart bis zum Anpfiff durchgehend Tickets verfügbar“ waren. Die Zuschauenden waren – ausschließlich auf der gesamten Haupttribüne (4600 Plätze) verteilt – platziert worden und verhielten sich hier ganz überwiegend coronakonform. Zu größeren Feierorgien gab das Spiel ja auch keinen Anlass. An diesem Montag startet um 11 Uhr der Vorverkauf für das Pokalspiel gegen Dortmund zunächst für Dauerkarten- und Jahreskarteninhaber. Um 15 Uhr folgt der Verkauf an Mitglieder, sofern dann von den erneut 2000 Karten noch welche vorhanden sind.

FC St. Pauli: Vasilj – Ohlsson (86. Dzwigala), Ziereis, Medic, Paqarada – Smith – Irvine (75. Becker), Hartel (86. Daschner) – Buchtmann (69. Amenyido) – Burgstaller, Dittgen (75. Matanovic). FC Erzgebirge Aue: Männel – Cacutalua, Gonther, Carlson – Strauß, Fandrich, Zolinski – Jonjic, Hochscheidt – Kühn (64. Trujic, 81. George), Owusu (89. Gueye). Tore: 0:1 Zolinski (17.), 1:1 Medic (30.), 1:2 Trujic (72.), 2:2 Amenyido (90.+3). Schiedsrichter: Alt (Heusweiler). Zuschauer: 1724. Gelb: Trujic. Statistik: Torschüsse: 12:7; Ecken: 5:2; Ballbesitz: 67:33 Prozent. Zweikämpfe: 122:117.