Hamburg. Der Tennis-Olympiasieger erlitt einen Rückschlag und kann am Rothenbaum nicht aufschlagen. Nun droht ihm erneut eine lange Zwangspause.

Böses schwante einem, als am Montagmittag ein Mann auf dem Podium im Pressekonferenzraum des Tennisstadions am Rothenbaum Platz nahm, den dort niemand erwartet hatte. Yannick Hanfmann trug als einziges Mitglied des deutschen Daviscup-Teams ein einigermaßen entspanntes Lächeln zur Schau, das erklärbar war, als kurz darauf Alexander Zverev die Schreckensnachricht des Tages überbrachte. Der deutsche Spitzenspieler musste sein Mitwirken an der Zwischenrunde des traditionsreichsten Mannschaftswettbewerbs der Sportwelt, die in dieser Woche in seiner Heimatstadt ausgetragen wird, überraschend absagen, für ihn wurde der Karlsruher Hanfmann (30) nachnominiert.

Alexander Zverev droht eine monatelange Pause

Grund dafür ist ein Knochenödem im rechten Fuß, in dem Zverev Anfang Juni bei den French Open in Paris mehrere Bänderrisse erlitten hatte, die ihn zur nun weiter andauernden Pause zwangen. „Ich habe sechs Wochen lang alles versucht, um fit zu werden und in meiner Heimatstadt für Deutschland zu spielen. Leider habe ich im Training wohl zu viel gemacht“, sagte die aktuelle Nummer fünf der Tennis-Weltrangliste. Beim Mannschaftstraining am Sonntag sei ihm ein starker Schmerz durch den Fuß geschossen, der eine Teilnahme am Wettkampfbetrieb unmöglich mache. „Es ist keine Frage von Tagen, sondern von Wochen, wenn nicht sogar von Monaten. Die Verletzung wäre gefährlich für meine Karriere, wenn ich sie jetzt nicht auskuriere“, sagte er.

Das war möglicherweise ein wenig zu dramatisch ausgedrückt; die übelste Folge der Wasseransammlung im Knochen ist ein Bruch, der auch wieder verheilen kann. Dennoch war Daviscup-Teamchef Michael Kohlmann der Schreck auch am Tag nach der Hiobsbotschaft noch an­zumerken: „Natürlich ist das ein harter Schlag. Es war ein Schock für uns alle, es hat schon ein paar Stunden gedauert, damit umzugehen“, sagte der 48 Jahre alte Westfale, der seinem Kampfgeist allerdings schon neues Leben eingehaucht hatte. „Wir haben auch in der vergangenen Saison ohne Alexander das Halbfinale im Daviscup erreicht und werden alles geben, um hier erfolgreich zu sein“, sagte er. Es spreche für den Teamgeist, dass Hanfmann sofort nach seinem Anruf am Sonntag von einem Challengerturnier in Stettin (Polen) nach Hamburg angereist sei.

Mehr als die Reservistenrolle ist für den Weltranglisten-153., der schon beim gewonnenen Qualifikationsduell in Brasilien Anfang März zum Team zählte, allerdings nicht vorgesehen. Die Einzel werden aller Voraussicht nach von Oscar Otte (29/Köln/Nr. 52) und Jan-Lennard Struff (32/Warstein/Nr. 132) absolviert wer-den, das Doppel stellen Kevin Krawietz (30/Coburg) und Tim Pütz (34/Frankfurt am Main). Deutschland trifft zum Auftakt am Mittwoch auf Frankreich, zwei Tage später geht es gegen Belgien, am Sonntag wartet zum Abschluss Australien. Alle Partien beinhalten zwei Einzel und ein Doppel, starten um 14 Uhr und werden im frei empfangbaren Servus TV und im kostenpflichtigen Streamingdienst DAZN gezeigt. Eröffnet wird die Woche an diesem Dienstag von Belgien und Australien. Die beiden besten Teams der Vierergruppe erreichen das Final-8-Turnier in Malaga (Spanien/21. bis 27. November).

Zverev will als Cheerleader dem Team helfen

Sportlich ist die Absenz Zverevs, der als Cheerleader dabeibleiben wird, zwar eine herbe Schwächung, sofern er fit gewesen wäre, was nach der langen Spielpause fraglich war. Allerdings ist das Erreichen der Endrunde auch ohne den Olympiasieger kein Ding der Unmöglichkeit. Australien mit Alex de Minaur (23/Nr. 22) und Frankreich mit Adrian Mannarino (34/Nr. 47) haben zwar laut Weltrangliste einen besseren Einzelspieler. Dafür ist das deutsche Doppel als Punktegarant einzuschätzen, was im neuen Modus mit zwei statt vier Einzeln ein wichtiges Pfund ist.

Zudem hat Jan-Lennard Struff in den vergangenen Jahren, in denen Zverev wegen seiner Abneigung gegen das neue Daviscupformat nicht angetreten war, seine Führungsqualitäten nachgewiesen. Zwar spielt der Sauerländer eine sehr durchwachsene Saison, der vom Veranstalter Kosmos an allen vier Zwischenrundenstandorten geforderte Hartplatz dürfte Struff jedoch zugutekommen. Oscar Otte war wegen einer Knieoperation ebenfalls einige Wochen ausgefallen, hatte aber bei den US Open in New York in der vorvergangenen Woche sein Comeback gegeben und ist bereit für seine Einsätze.

Weitaus problematischer ist die Absage des wichtigsten Zugpferds für den Deutschen Tennis-Bund (DTB) und Ausrichter Emotion. Im Hinblick auf den Ticketverkauf muss man von einer Katastrophe sprechen, schließlich war nicht nur die gesamte Promotion auf das Comeback des Wahl-Monegassen in seiner Geburtsstadt abgestellt. Auch an der Tageskasse wäre Zverev der einzige Name gewesen, mit dem das Publikum von einem Spontanbesuch hätte überzeugt werden können. Angesichts der deutlich zu hoch angesetzten Ticketpreise – bei Spielen ohne deutsche Beteiligung kostet die günstigste Tageskarte 65 Euro, bei deutschen Partien noch 10 Euro mehr – drohen nun Geisterspiele in der 2020 runderneuerten Arena. „Ich hoffe, dass die Fans dennoch kommen und das Team unterstützen“, sagte DTB-Präsident Dietloff von Arnim, dem das Entsetzen aus dem Gesicht zu lesen war. Die, die Karten haben, werden kommen. Ein Rückgaberecht haben sie nicht.