Braunschweig. Baumgart ratlos, Schonlau ringt nach Worten und Kuntz will gar nichts sagen. Der HSV steht vor einer ungemütlichen Länderspielpause.
Lukasz Poreba hatte soeben ein Tor für den HSV geschossen, doch auf der Bank sprangen tatsächlich nur Co-Trainer Merlin Polzin und Zeugwart Miroslav Zadach sichtbar auf. Es gab einfach nichts zu jubeln für den HSV an diesem Freitagabend. Weder über den eigenen Treffer und schon gar nicht über die eigene Leistung. Nach einer nicht aufstiegsreifen Vorstellung verlieren die Hamburger auch in der Höhe verdient mit 1:3 (0:1) bei Eintracht Braunschweig.
Erneut hat es der HSV nicht geschafft, bei einem vermeintlich kleinen Gegner die Zweikampf- und Laufintensität anzunehmen. Zwei Wochen nach der enttäuschenden 2:4-Pleite bei der SV Elversberg hatten Sportvorstand Stefan Kuntz und Trainer Steffen Baumgart eine Reaktion von ihrer Mannschaft gefordert. Doch nach dem vierten sieglosen Pflichtspiel in Serie müssen die Verantwortlichen schnell eine Lösung finden, wie der Club wieder in die Spur kommen soll.
HSV patzt erneut: Baumgart wirkt ratlos
Baumgart wirkte im Sky-Interview etwas ratlos. „Ich versuche immer noch klar zu werden und bin immer noch am adern, dass wir uns immer selbst ein Bein stellen“, sagte Baumgart, wollte seine Spieler diesmal aber nicht zu sehr kritisieren. „Man hat gesehen, dass die Jungs wollten“. Sportvorstand Stefan Kuntz wurde von Sky ebenfalls angefragt, lehnte ein Interview aber ab.
Dafür sprach Kapitän Sebastian Schonlau, der diesmal aber auch etwas sprachlos war. „Was sollen wir denn sagen? Es ist nicht so, dass wir es nicht versucht hätten“, sagte Schonlau, der einen ganz schwachen Tag erwischte. „Das Momentum war nach dem Elfmeter auf unserer Seite. Danach rennen wir hinterher, das muss man klar sagen.“
HSV: Schonlau und Meffert patzen bei Rückkehr
Mit den zuletzt gesperrten Schonlau und Jonas Meffert sowie Stürmer Ransford Königsdörffer brachte Baumgart drei Neue bei den Hamburgern, die den besseren Start erwischten. Schon nach wenigen Minuten hätte der HSV in Führung gehen müssen. Davie Selke steckte optimal durch für Königsdörffer, der alleine aufs Tor zulief, aber den Ex-Hamburger Marko Johansson frontal anschoss (4.).
Nach dieser vergebenen Großchance spielte nur doch die Eintracht. Mit ihren Tempogegenstößen sorgten die für ihr Umschaltspiel berüchtigten Gastgeber immer wieder für Torgefahr. Eine dieser Szenen führte zum Elfmeter, weil Noah Katterbach Braunschweigs Sven Köhler foulte. Die VAR-Überprüfung, ob der Ball vor der Flanke von Fabio Kaufmann zuvor im Aus gewesen war, dauerte knapp drei Minuten. Am Ende entschied Videoassistent Benjamin Cortus, dass der Ball nicht mit vollem Umfang hinter der Linie war. Bei Sky gab es dagegen keine Perspektive, die für Aufklärung sorgte.
Doch die Szene sorgte ohnehin nicht länger für Diskussionsstoff, weil Daniel Heuer Fernandes beim Versuch von Johan Gomez ins richtige, rechte Eck sprang und seine Mannschaft vorerst im Spiel hielt. Auf der Gegenseite köpfte Elfadli nach einer Flanke von Jean-Luc Dompé knapp links vorbei (32.). Doch so richtig wollten die Offensivbemühungen des HSV weiterhin nicht fruchten.
Philippe trifft doppelt für Braunschweig
Zumal sich dann auch noch Meffert einen folgenschweren Ballverlust im Spielaufbau leistete. Unter Druck gesetzt von Stürmer Levente Szabo verlor der Mittelfeldspieler den Ball in einer Zone, in der er niemals den Ball verlieren darf. Braunschweigs Rayan Philippe eroberte die Kugel und schaltete den Turbo ein. Gegen Eintrachts Umschaltspieler Nummer eins wurde plötzlich Schonlau als letzter Mann in ein Laufduell verwickelt, in dem er nicht ansatzweise eine Chance hatte. Der Abwehrchef sah ganz unglücklich aus, zu guter Letzt kassierte Heuer Fernandes auch noch einen Tunnel zum 0:1 (35.).
Es war der verdiente Rückstand in einer schwachen Hälfte, in der Hamburg fast alles vermissen ließ, was sich die Mannschaft vorgenommen hatte. Entsprechend deutlich dürfte die Ansprache in der Kabine ausgefallen sein.
HSV und die Schwäche nach der Pause
Für den zweiten Durchgang legte Baumgart seine Weste ab. Er stand nun wieder ausschließlich im T-Shirt am Spielfeldrand und dürfte explizit noch einmal auf die Schwäche seiner Spieler nach dem Seitenwechsel hingewiesen haben. Bereits neun Gegentore kassierte der HSV in den ersten 20 Minuten nach der Pause. In Braunschweig folgte das zehnte. Weil erneut Meffert patzte und einen wichtigen Zweikampf im Mittelfeld verlor, Muheim keinen Druck auf Flankengeber Gomez ausübte und der eingewechselte Fabio Di Michele Sanchez das wahrscheinlich schönste Tor seiner Karriere erzielte (49.). Der 21-Jährige, von Lucas Perrin nur mit einem Sicherheitsabstand bedacht, jagte den Ball per Direktabnahme in den Winkel zum 2:0 für die Eintracht.
Der HSV war jetzt völlig von der Rolle und hatte nach einem schlimmen Fehlpass von Schonlau sogar noch Glück, dass der Kapitän als einziger verbliebener Verteidiger gegen drei Braunschweiger noch selbst klären konnte (57.). Auch in den darauffolgenden Minuten waren die Gastgeber einem dritten Tor näher als Hamburg einem Anschlusstreffer.
Als dann auch noch Daniel Elfadlis Versuch einer Balleroberung misslang und die gesamte rechte Abwehrseite offen war, fiel das überfällige 3:0. Erneut durfte Philippe in ein ungleiches Laufduell, diesmal mit Meffert, und schloss mit einem platzierten Schuss ins lange Eck ab (65.). Die nicht aufstiegstaugliche Vorstellung des HSV nahm weiter seinen Lauf.
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Stange trifft beim HSV-Debüt die Latte
Immerhin ergaben sich die Hanseaten nicht komplett ihrem Schicksal und erkämpften sich das Anschlusstor durch den eingewechselten Poreba, der aus der zweiten Reihe traf (73.). Tatsächlich wäre sogar noch mehr drin gewesen, doch in einer kuriosen Szene traf der eingewechselte Youngster Otto Stange aus vier Metern nur das Aluminium (83.).
Letztlich wachte der HSV aber auch zu spät auf, um in Braunschweig zu punkten. Und so steht unterm Strich eine verdiente Niederlage, auswärts bereits die dritte in dieser Saison.
Das Schema
Eintracht: Johansson – Jaeckel, Bicakcic, Ehlers – Kaufmann, Krauße, Köhler, Bell Bell (46. Di Michele Sanchez) – Gomez – Szabo, Philippe.
HSV: Heuer Fernandes – Perrin (59. Poreba), Schonlau, Muheim – Katterbach (59. Baldé, 80. Jatta), Meffert (86. Richter), Elfadli, Dompé – Karabec – Selke, Königsdörffer (80. Stange).
Tore: 1:0 Philippe (35.), 2:0 Di Michele Sanchez (49.), 3:0 Philippe (65.), 3:1 Poreba (73.).
Besondere Vorkomnisse: Heuer Fernandes hält Foulelfmeter von Gomez (25.).