Hamburg. Influencer wie der HSV-Vlogger Bardia Barati werden immer erfolgreicher. Warum Ultras sie kritisch sehen und was Rechteinhaber sagen.

In der Nachspielzeit des HSV-Heimspiels gegen den SC Paderborn brachen bei Bardia Barati alle Dämme. Robert Glatzel hatte soeben das 3:2 erzielt. Der HSV-Fan lag sich auf der Nordtribüne des Volksparkstadion mit unbekannten Anhängern in den Armen und jubelte völlig losgelöst, ehe der VAR das Tor einkassierte. Seinen emotionalen Ausbruch haben bereits 13.000 Menschen gesehen. Barati veröffentlicht Videos von den HSV-Spielen auf seinem Youtube-Kanal. Der 32-Jährige ist seit zwei Jahren sogenannter Stadionvlogger. Und freut sich über bis zu 40.000 Aufrufe auf seinen Videos. „Ich will die Emotionen rüberbringen, und das ist auch das, was die Leute sehen wollen“, sagt Barati zwei Tage danach in der 217. Folge des Abendblatt-Podcasts „HSV – wir müssen reden“.

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HSV-Stadionvlogger gibt Einblicke in Arbeit und Ärger mit Ultras

HSV, wir müssen reden - der Fussball-Podcast

Der Hamburger ist einer von mehreren Youtubern, die regelmäßig aus dem Volksparkstadion berichten, und aktuell der auffälligste Vlogger, weil er kein Spiel des HSV verpasst. Barati folgt mit seinem Projekt einem weltweiten Trend im Fußball. Für viele ist es ein Hobby, für manche sogar der Beruf. Die Vlogger sitzen bei den Partien im Stadion auf der Tribüne, filmen Spielszenen und vor allem auch sich selbst. Die Videos erzielen eine hohe Reichweite, sind einigen Fans aber auch ein Dorn im Auge.

Ultras sehen die Stadionvlogger kritisch

Vor allem in der Ultraszene sind die Stadionvlogger nicht gern gesehen. Das hat Barati schon selbst erlebt, als er bei seinen Videoaufnahmen zu dicht an den Ultras stand. „Mir war am Anfang nicht bewusst, wie sensibel die Ultraszenen auf Videoaufnahmen reagieren“, sagt Barati, der die Ablehnung vor allem in den Kommentaren unter seinen Youtube-Videos zu spüren bekam. „Beim nächsten Mal hauen wir dir die Fresse ein“, sei nur eine von mehreren Drohungen gewesen. „Ich wurde durchbeleidigt“, erzählt der HSV-Fan, der mittlerweile Abstand zur aktiven Fanszene hält und gelernt hat, wo er sich bei seinen Aufnahmen am besten aufhält.

Die Kritik an den Vloggern gibt es nicht nur beim HSV und ist immer dieselbe: Selbstinszenierung, künstlicher statt echter Support, Teilhabe an der Kommerzialisierung des Fußballs. Also genau das, wogegen sich die Ultras auflehnen. Im Stadion macht Barati aber andere Erfahrungen. „Die Reaktionen sind überwiegend positiv. Mittlerweile kommt das hier in Hamburg sehr gut an.“ Der Youtuber hat in dieser Saison bislang alle acht Pflichtspiele des HSV im Stadion verfolgt. „Mein Ziel ist es, die perfekte Saison zu schaffen.“ Was Barati meint? Alle Spiele des HSV zu sehen und am Ende den Aufstieg zu feiern. Auch am Sonntag in Düsseldorf hat er eine Karte, obwohl die Tickets im Rahmen der Aktion „Fortuna für alle“ verlost wurden. Barati musste lediglich eine Bearbeitungsgebühr von 25 Cent bezahlen.

Vlogger verdienen ihr Geld durch Werbung oder Sponsoren

Insgesamt sind aber vor allem seine Auswärtsreisen mit einem finanziellem Aufwand verbunden. Der Vlogger zahlt seine Karten und Fahrten selbst. Mittlerweile verdient Barati mit seinen Videos aber etwas Geld, sodass die Kosten wieder gedeckt sind. Künftig will er so stark wachsen, dass er mit seiner Tätigkeit als Youtuber durch Werbung und Sponsoren seine Haupteinnahmen erzielt. „Es gäbe nichts Schöneres, als damit meinen Lebensunterhalt zu verdienen“, sagt Barati.

So wie es andere Influencer schon geschafft haben. Vorbild für alle Stadionvlogger war der Youtuber ViscaBarca, der 1,88 Millionen Abonnenten hat. Eines seiner erfolgreichsten Videos war der Beitrag über das Hamburger Stadtderby am Millerntor zwischen dem FC St. Pauli und dem HSV, das 710.000-mal angeschaut wurde.

Rein rechtlich bewegen sich Vlogger wie ViscaBarca oder auch Bardia Barati aber in einer umstrittenen Zone. Weil sie Spielszenen aus den Stadien veröffentlichen, begehen sie wöchentlich Rechtsverstöße. Die Vlogger werden bislang von der Deutschen Fußball Liga toleriert. Oder sogar hofiert? Für den Ligadachverband sind die Influencer eine gute Möglichkeit, neue Zielgruppen zu erschließen.

HSV geht nicht gegen Vlogger vor, DFL plant weitere Gespräche

Die Clubs verfolgen das Thema bislang nur am Rande. Der HSV sieht aktuell keine Notwendigkeit, gegen die Vlogger vorzugehen oder die Videos zu verbieten. Barati selbst hat bislang noch keine rechtlichen Probleme gehabt. „Ich kenne keinen Stadionvlogger, der mal abgemahnt wurde. Wenn die DFL das wirklich verhindern will, würde gar kein Video online gehen.“

Tatsächlich aber gab es nach Abendblatt-Informationen bereits erste Gespräche zwischen der DFL und den Clubs, wie künftig mit den Stadionvloggern verfahren werden soll. Diese sollen zeitnah nach der neuen Ausschreibung der TV-Rechte ab 2025 fortgesetzt werden. „Das Thema Stadion-Vlogs werden Liga und Clubs zeitnah zusammen besprechen, um sich auf eine ganzheitliche gemeinsame Strategie zum weiteren Umgang mit dieser Thematik zu verständigen. Dem möchten wir zum aktuellen Zeitpunkt nicht vorgreifen“, teilte ein DFL-Sprecher am Dienstag mit.

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Sender wie Sky sind sich der Konkurrenz durch Stadionvlogger aber bewusst. „Wir wissen, wie beliebt die Beiträge von Stadionvloggern sind, und können uns vorstellen, solche innovativen Formate selbst zu entwickeln. Immer mit dem Ziel, unseren Zuschauern das beste Fußballerlebnis zu bieten“, teilte Sky auf Abendblatt-Anfrage mit und kündigte an: „Hierfür müssen wir gemeinsam mit unseren Partnern einen verlässlichen rechtlichen Rahmen erarbeiten.“

HSV-Vlogger Bardia Barati ist sich bewusst, dass die DFL irgendwann seine Arbeit einschränken könnte. „Es kann sein, dass Sta­dionvlogger irgendwann rausgeschmissen werden“, sagt er. Bis dahin genießt er aber seine neue Leidenschaft. Und womöglich wird irgendwann sogar noch mehr daraus.