Hamburg. Elfadli hat sich in kurzer Zeit unverzichtbar beim HSV gemacht. Der Neuzugang ist nie verletzt und verfolgt große Ziele.

Daniel Elfadli kommt mit einer Tasse Kaffee in den Bauch des Volksparkstadions, wo er mit dem Abendblatt zu einem Gespräch verabredet ist. Es ist bereits sein zweiter des Tages, den ersten trinkt der Neuzugang des HSV immer direkt nach dem Aufstehen. „Danach nehme ich eine kalte Dusche, die ist für mich ganz wichtig, um wach zu werden, weil ich kein Frühaufsteher bin“, räumt Elfadli ein und lächelt. „Wenn ich könnte, würde ich lieber länger schlafen.“

Eine kalte Dusche fördert die Regeneration der Muskeln und ist so etwas wie Teil eins einer täglichen Routine, die das Rezept des disziplinierten Mittelfeldspielers erklärt, warum er nahezu nie verletzt ist. Teil zwei folgt nach dem Mannschaftstraining des HSV.

Elfadli ist ein Stammgast im Kraftraum, wo er präventive Übungen absolviert, um seine Muskeln zu stärken und zu stabilisieren. „Ich nutze aber auch zu Hause meine Fitnessmatte, arbeite mit Gewichten und Widerstandsbändern“, sagt der 27-Jährige. Zudem achtet er auf seine Ernährung, indem er viel Eiweiß zu sich nimmt. Dadurch wird die Regeneration gefördert.

Elfadli Vater lebt wieder in Libyen

In der Folge ist Elfadli in seiner Karriere von größeren Verletzungen verschont geblieben. Und das trotz seiner harten Zweikampfführung, durch die auch die libysche Nationalmannschaft vor zwei Jahren auf ihn aufmerksam wurde. Im Sommer 2022 war Elfadli gerade erst vom damaligen Regionalligisten VfR Aalen in die Zweite Liga zum 1. FC Magdeburg gewechselt, als er einen Anruf vom Co-Trainer der libyschen Auswahl erhielt. Der defensive Mittelfeldabräumer musste seinerzeit gar nicht lange überlegen. Er sagte zu und flog erstmals in das Heimatland seines Vaters, von dem er das fußballerische Talent in die Wiege gelegt bekommen hatte.

In Libyen spielte sein Vater auf der Straße, aber nie bei einem Verein. Im Alter von 19 Jahren zog er nach Deutschland, um Chemie an der Hochschule Merseburg zu studieren. Dort lernte er Elfadlis aus Thüringen stammende Mutter kennen. Nach dem Studium zogen die Eltern des HSV-Profis ins schwäbische Leonberg nahe Stuttgart, wo Elfadli geboren wurde.

Sein Vater ist inzwischen zurück nach Libyen in die Hafenstadt Bengasi gezogen, wo die Nationalmannschaft ihre Länderspiele auf einem Kunstrasenplatz austrägt. Als Elfadli im September 2022 für Libyen debütierte, zählte auch sein Vater zu den Zuschauern: „Er war enorm stolz auf mich und hat sich riesig gefreut.“

„In Libyen ist noch immer viel zerstört vom Krieg“

Den Fußball beschreibt der Defensivspieler als technisch gut, aber viel physischer als in Europa. „Es war eine extrem spannende Erfahrung“, sagt er über seinen ersten Besuch im nordafrikanischen Land, das bis heute unter den Folgen der beiden Bürgerkriege 2011 sowie 2014 bis 2020 zu leiden hat. „Im Land ist noch immer viel zerstört vom Krieg“, beschreibt Elfadli seine Eindrücke. „Die bescheidenen Lebensverhältnisse vor Ort holen einen runter. Man weiß dadurch erst zu schätzen, was man hat und wie gut es einem in Deutschland geht.“

Dass der jüngste militärische Konflikt noch nicht einmal vor vier Jahren offiziell für beendet erklärt wurde, ist auch der Grund, warum sich der HSV-Spieler nicht schon früher einen Eindruck verschaffte, wo sein Vater aufgewachsen war. „Aufgrund der politischen Situation war es für mich lange Zeit undenkbar, nach Libyen zu reisen. Mittlerweile hat sich die Lage stabilisiert.“

Angst habe er zwar keine gehabt, „aber meine Reise war begleitet von Unwohlsein“, gibt er einen Einblick in seine Gefühlswelt. „Ich hatte mich gründlich darauf eingestellt, was mich dort erwartet. Am Ende wollte ich es unbedingt machen.“

HSV-Profi Elfadli will mit Libyen zur WM

Trotzdem meidet es Elfadli, alle Länderspiele zu bestreiten. Mit Nationalcoach Milutin Sredojević befinde er sich im Austausch, am Ende aber entscheidet der Mittelfeldmann selbst, ob er die Reisestrapazen auf sich nimmt oder nicht. „Der Nationaltrainer hätte mich gern immer dabei, ich wäge jedes Mal neu ab, wie ich mich physisch und mental fühle“, sagt Elfadli, für den es eine Ehre sei, für Libyen zu spielen und die Menschen im Land zu repräsentieren. „Aber es muss auch Sinn ergeben.“

Mehr zum Thema

Perspektivisch hat Elfadli speziell die großen Turniere im Blick. „Ich will unbedingt die WM spielen. Auch am Afrika-Cup 2025 würde ich gern teilnehmen“, setzt sich der Profi ambitionierte Ziele.

Als aktueller Tabellenzweiter (sieben Punkte nach vier Spielen) und nur einen Punkt hinter Kamerun in der WM-Qualifikationsgruppe D stehen die Chancen für Libyen auch gar nicht so schlecht. Durch den neuen Modus, der durch die Aufstockung von 32 auf 48 Teilnehmer möglich wird, qualifiziert sich der Erste direkt für das Turnier 2026 in Kanada, Mexiko und den USA. Der Zweite geht in die Play-offs. „Das Ziel ist realistisch“, schätzt Elfadli selbstbewusst seine WM-Chancen ein.

HSV-Zugang Elfadli lebt seinen Traum

Um seine Chancen zu wahren, muss er sich durch gute Leistungen beim HSV für weitere Nominierungen der Nationalelf empfehlen. An den ersten beiden Spieltagen ließ Elfadli daran keine Zweifel. „Daniel ist eine absolute Maschine“, schwärmte Kapitän Sebastian Schonlau nach dem 1:1 gegen Hertha. „Er räumt viel ab, gewinnt viele Bälle und tut uns richtig gut.“

Der Neuzugang gewinnt 65 Prozent seiner Zweikämpfe und läuft elf Kilometer pro Spiel. „Ich lebe aktuell meinen Traum beim HSV“, sagt Elfadli. „Manchmal ist es gar nicht greifbar für mich, bei so einem großen Traditionsverein zu spielen.“ Die nächste kalte Dusche dürfte sein Bewusstsein dafür schärfen.