Hamburg. Trainer Bolz setzt auf Anpassungsfähigkeit und Konstanz. Wie das junge Team die Abgänge der Leistungsträgerinnen auffangen will.

Die Erfolgsgeschichte wäre fast perfekt gewesen. Nach dem Aufstieg in die 2. Frauen-Bundesliga beendete der HSV die vergangene Saison auf dem vierten Platz. Ein schöner Erfolg – eigentlich. Denn lange war der HSV Tabellenführer, wurde aber in der Rückrunde von den beiden Aufstiegsplätzen verdrängt. Außerdem haben wichtige Spielerinnen wie Almuth Schult (33) und Larissa Mühlhaus (21) den Verein im Sommer verlassen.

Das ändert allerdings nichts an den Aufstiegsambitionen der Hamburgerinnen. Die bleiben aber inoffiziell. „Anpassen“ ist ein Begriff, den Trainer Marwin Bolz im Gespräch mit dem Abendblatt immer wieder verwendet – an die Situation und an den Gegner.

HSV-Frauen bestreiten im DFB-Pokal ihr erstes Pflichtspiel

In der ersten Runde des DFB-Pokals trifft der HSV am Sonntag (15 Uhr) auf den Regionalligisten 1. FC Magdeburg. „Ein DFB-Pokal-Spiel ist immer etwas Besonderes, vor allem, weil dieses Spiel im großen Stadion in Magdeburg einen schönen Rahmen hat“, sagt Bolz. In der Vorbereitung konnten die Hamburgerinnen den Regionalligisten Holstein Kiel mit 6:1 und den dänischen Club FC Kolding mit 3:0 deutlich schlagen. Die Partien gegen die deutschen Erstligaclubs Werder Bremen und Carl Zeiss Jena verlor der HSV mit 1:3 und 0:1. Insgesamt sei die Vorbereitung aber „sehr gut“ gewesen, sagt Bolz.

Gegen die beiden Erstligisten habe man erkennen können, wo es noch Verbesserungsbedarf gibt, „zum Beispiel, wenn es darum geht, die Ketten richtig durchzuschieben und die Räume klein zu halten“. Dieses Verteidigen als Kollektiv habe man schon ganz gut umgesetzt, sagt der erst 26 Jahre alte Coach. Das liege vor allem an einem Grundgerüst von Spielerinnen, die sich teilweise schon seit vier Jahren kennen und zusammen spielen.

Stürmerin Mühlhaus wechselte nach Bremen

Dieses Grundgerüst muss zur neuen Saison ein bisschen verbogen werden. Wichtige Spielerinnen haben den HSV in stärkere Ligen verlassen, allen voran Stürmerin Mühlhaus. Mit 20 Treffern war sie die Toptorjägerin der vergangenen Saison, wagte dann den Schritt in die Bundesliga nach Bremen.

„Unser Spiel wird nicht mehr ganz so auf eine Person zentralisiert, sondern auf mehrere Schultern verteilt sein – noch variabler, noch flexibler“, sagt der Trainer. „Wir werden aber trotzdem unserem Stil treu bleiben. Daher ist es eine große Chance für das Team, sich anzupassen und neue Wege zu finden.“ Dabei helfen soll die Offensivspielerin Christin Meyer (23), die von der Bremer Weser an die Elbe wechselt. „Unsere Aufgabe ist es, sie schnellstmöglich zu integrieren und ihre Stärken in den Vordergrund zu stellen“, sagt Bolz.

Almuth Schult mittlerweile in den USA tätig

Viel Bewegung gab es auch im Torhüterinnen-Team. Nach einem kurzen Intermezzo kehrt Almuth Schult der Hansestadt den Rücken. Die ehemalige Welttorhüterin verließ nach nur wenigen Monaten den HSV und spielt nun in der US-amerikanischen National Women’s Soccer League für Kansas City Current. Auch die langjährige Stammtorhüterin Lela Naward hat den Verein nach zwölf Jahren verlassen.

Neu ist dafür Inga Schuldt, die 27-Jährige wechselte vom Schweizer Club BSC Young Boys Bern nach Hamburg und kämpft mit Nachwuchstalent Jolina Zamorano (19) um den Platz im Tor. Zu einer klaren Nummer eins will sich Marwin Bolz nicht bekennen. „Wir haben ein sehr gutes Torhüterinnen-Team mit Jolina und Inga, die sich gegenseitig pushen“, sagt er. Schuldt, die einen Zweijahresvertrag unterschrieb, dürfte allerdings die präferierte Torhüterin werden.

Bolz setzt auf konstante Entwicklung

Nicht nur neue Spielerinnen, sondern auch mehr Konstanz sollen dabei helfen, den Aufstieg zu schaffen. Nach einer starken Hinrunde führte der HSV zur Winterpause die Tabelle an. In der Rückrunde konnten die Hamburgerinnen nur zwei Punkte weniger sammeln, beendeten die Saison aber auf dem vierten Rang. „Wir wollen uns im Laufe der Saison so viel Konstanz erarbeiten, dass zwei Punkte nicht ausschlaggebend sind“, sagt Bolz.

Von Aufstiegsfantasien will der Trainer zum Beginn der Saison aber nichts wissen. Sagt er zumindest. Seine Rolle bestehe darin, einen Prozess zu begleiten, „das bedeutet, den positiven Aufwärtstrend, den das Team momentan hat, fortzuführen“, sagt Bolz. Diesen Prozess könne er beeinflussen, kleine Ziele setzen, was am Ende dabei rauskommt, hänge aber auch von Faktoren ab, die er nicht beeinflussen könne.

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Dass eine Liga-Aufstockung dem HSV beim Aufstieg hilft, bezweifelt Bolz. Statt bislang zwölf sollen ab der übernächsten Saison 14 Teams in der Frauen-Bundesliga spielen. Demnach wird zur Saison 2025/2026 nur ein Verein absteigen, während drei Vereine aufsteigen. Objektiv sind die Aufstiegschancen also größer denn je. Man könne die vergangene Saison jedoch nicht mit der kommenden vergleichen, sagt Bolz. „Die Ligakonstellation hat sich komplett verändert, wir haben starke Mannschaften dazu bekommen.“ Dazu zählen die Aufsteiger Union Berlin und VfL Bochum.

Ligastart beim ambitionierten Aufsteiger Union Berlin

Bolz hat Biologie studiert, was sich in seiner Denkweise und Wortwahl auch bemerkbar macht, zum Beispiel wenn er über den Abgang von Mühlhaus spricht. „Wenn ein Baum weggeht und die Natur sich verändert, dann kommen andere Pflanzen und nehmen diesen Platz ein. Larissa ist nicht mehr Teil von uns, aber andere Spielerinnen werden wachsen und gedeihen. Die werden andere Räume im Spiel einnehmen als vorher“, sagt der 26-Jährige fast schon philosophisch.

Nach dem Pokalspiel gegen Magdeburg bestreiten die Hamburgerinnen ihr erstes Ligaspiel am 24. August gegen Union Berlin. Im Stadion An der Alten Försterei – das klingt doch nach einem klaren Vorteil für den Biologen Bolz.