Köln. Die Hamburger feiern zum Start in die neue Saison den ersten Sieg. HSV-Held des Abends war auch ohne Glatzel und Selke ein Stürmer.

Die rund 5000 mitgereisten Hamburger Fans sangen in den Schlussminuten immer wieder leidenschaftlich gegen die lautstarke Kölner Kulisse an. Der gesamte Gästeblock riss dem Schlusspfiff entgegenfiebernd die Arme hoch, doch Schiedsrichter Max Bursa hatte noch nicht genug gesehen und legte sechs Minuten Nachspielzeit obendrauf. Als auch diese überstanden waren, gab es kein Halten mehr beim HSV – weder bei den Fans und Spielern, noch bei Trainer Steffen Baumgart. Der HSV siegt mit 2:1 (2:0) zum Auftakt der neuen Zweitligasaison beim Bundesligaabsteiger 1. FC Köln und unterstreicht, dass der Aufstieg auch diesmal nur über Hamburg führt. „Spitzenreiter, Spitzenreiter, hey, hey“, sangen die HSV-Fans.

Baumgart überrascht mit HSV-Aufstellung

An alter Wirkungsstätte wählte Baumgart eine durchaus überraschende Aufstellung mit Bakery Jatta und Jean-Luc Dompé als Schienenspieler, zwei Zehnern (Neuzugang Adam Karabec und Ludovit Reis) sowie Ransford Königsdörffer als einziger Spitze. Gegen den Ball wurde die defensive Dreier- zur Fünferkette, indem sich Jonas Meffert zurückfallen ließ und Jatta rechts hinten verteidigte. Da Dompé seine Stärken im Dribbling hat, durfte er vorne auf Bälle lauern, während Miro Muheim den Job links hinten ausfüllte. Im Tor vertrat Daniel Heuer Fernandes den an einer Lungenentzündung erkrankten Matheo Raab.

Durch diese Formation schloss der kompakt auftretende HSV die Räume für die Gastgeber, die sich schwertaten, Druck zu entwickeln. Durch wenig Kontakte gelang es den Hamburgern immer wieder, sich aus der Pressingfalle des Gegners zu lösen. Kölns Spiel wirkte wild, das vom neuen Trainer Gerhard Struber einstudierte Umschaltspiel funktionierte nicht. Kurzum: Der HSV hatte die reifere Spielanlage.

Hadzikadunic rettet gegen Huseinbasic

Lediglich in den ersten fünf Minuten gelang es dem Liganeuling, den HSV mit seinem Power-Fußball zu überrumpeln. Nach nicht einmal 180 Sekunden hatte Köln gleich zweimal den Führungstreffer auf dem Fuß, weil Muheim seine Mannschaft durch ein misslungenes Dribbling in die Bredouille brachte. Balleroberer Dejan Ljubicic legte ab für den Ex-Hamburger Luca Waldschmidt, dessen Versuch geblockt wurde. Im Nachschuss konnte sich Denis Huseinbasic eigentlich die Ecke aussuchen, doch er scheiterte an der Monstergrätsche von Dennis Hadzikadunic, der sich mit allem, was er hatte, in diesen Schuss warf (3.).

Bei dieser Riesenchance für den FC bekam der HSV früh zu spüren, welche Wucht die Rheinländer mit ihren ohrenbetäubenden Fans entwickeln können und wer weiß, wie dieses Spiel ausgegangen wäre, wenn Hadzikadunic nicht gewesen wäre. Doch wie so häufig im Fußball entscheiden Kleinigkeiten über Sieg oder Niederlage. Manchmal gehört auch die nötige Portion Glück dazu – und die hatte der HSV keine drei Minuten später bei seiner ersten gefährlichen Aktion.

Urbig patzt böse vor dem 1:0 durch Königsdörffer

Der immer wieder anspielbare Dompé zog entgegen der Vorliebe Baumgarts nach innen, ließ Kölns Jan Thielmann mit einem schnellen Haken stehen, und suchte den Abschluss. Der erst 20 Jahre alte Torwart Jonas Urbig ließ den eigentlich harmlosen Ball vor die Füße von Königsdörffer fallen, der nur noch einschieben musste zum 1:0 für den HSV (6.). Die Gästefans feierten die Führung mit dem Einsatz von Pyrotechnik. Es war der Konter der Ultras auf ein Choreografie-Verbot, das im Vorwege der Partie für Ärger gesorgt hatte.

Auf dem Rasen wirkten die Rheinländer fortan geschockt. Die vielen Kölner Ballverluste spielten den Hamburgern in die Karten, die es taktisch aber auch einfach gut machten. Wenn eine Mannschaft gefährlich vor das Tor kam, dann waren es die Hamburger, die durch Dompé (16. Und 27.) weitere Möglichkeiten hatten und schließlich sogar das 2:0 erzielten. Freigespielt von Dompé brach Karabec auf Linksaußen durch und flankte auf Königsdörffer, der von einem Stellungsfehler des Youngsters Julian Pauli (19) in der Kölner Abwehr profitierte, als er völlig frei zum Kopfball kam. Urbig lenkte den Ball zwar an die Latte, gegen den Nachschuss war er aber machtlos (35.). Mit seinem Einsatz lieferte Doppelpacker Königsdörffer die optimale Antwort auf die Frage, wer denn ohne die beiden angeschlagenen Torjäger Robert Glatzel und Davie Selke für Tore sorgen soll.

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Ransford Königsdörffer (l.) feiert sein Tor zum 1:0 für den HSV mit seinen Teamkollegen. © WITTERS | TimGroothuis

Nun lief wirklich alles für den HSV, der sich zudem auf seinen starken Rückhalt Heuer Fernandes verlassen konnte. Der Schlussmann riss aus kurzer Distanz den linken Arm hoch und lenkte den Schuss von Tim Lemperle über die Latte. Der Kölner hatte den Ball zuvor allerdings auf Höhe der Mittellinie mit der Hand mitgenommen, der Treffer wäre also spätestens vom Videoassistenten (VAR) eine Etage tiefer im Kölner Keller einkassiert worden. Und trotzdem untermauerte auch diese Szene, dass der HSV das Momentum auf seiner Seite hatte.

Nach dem Seitenwechsel überließen die Gäste den Ball fast komplett den Kölnern. Lange Zeit sah es so aus, als könnten die Hamburger mit ihrer defensiven Spielweise das Stadion zum Schweigen bringen. Doch dann gelang Köln der Anschlusstreffer, als die bis dahin so sicher stehende HSV-Defensive einmal unsortiert war. Der eingewechselte Linton Maina konnte ohne Gegenspieler einköpfen und erweckte die FC-Fans zurück zum Leben (78.). Muheim reklamierte zwar noch, gefoult worden zu sein, doch der VAR griff nicht ein.

Die Stimmung auf den Rängen explodierte nun förmlich, weil die eigentlich schon am Boden liegenden Gastgeber wieder an sich glaubten und der HSV immer tiefer stand und immer früher die Bälle verlor. Doch der Ausgleich sollte nicht mehr fallen. Heuer Fernandes begrub jeden Ball unter sich, der auf sein Tor flog und sicherte seiner Mannschaft den Auftaktsieg. Es ist das erste Hamburger Ausrufezeichen in der neuen Saison.

Die Aufstellungen

Köln: Urbig - Thielmann, Hübers, Pauli, Paqarada - Martel, Ljubicic, Huseinbasic, Waldschmidt (57. Adamyan) - Downs (57. Maina), Lemperle (76. Dietz).

HSV: Heuer Fernandes - Hadzikadunic, Schonlau, Muheim - Meffert, Elfadli - Jatta, Karabec (65. Öztunali), Reis, Dompé (65. Balde) - Königsdörffer.

Tore: 0:1 Königsdörffer (6.), 0:2 Königsdörffer (35.) 1:2 Maina (78.).