Bramberg. Mentor des HSV-Zugangs beschreibt den Charakter und die mentale Stärke des Strafraumstürmers, der von Fans kritisch gesehen wird.
Davie Selke war am Mittwoch voll in seinem Element. „Druck! Druck!“, brüllte der neue Stürmer des HSV bei einer Pressing-Spielform. Eine Woche nach seiner Verpflichtung ist der 29-Jährige schon mittendrin im Geschehen. Am zweiten Tag des Vorbereitungscamps im Salzburger Land trainierte Selke, der sich vor dreieinhalb Monaten den Mittelfuß gebrochen hatte, erstmals mit der Mannschaft.
Nach zwei Stunden war die Einheit für ihn planmäßig beendet. Seine Mitspieler mussten noch knapp eine halbe Stunde weiterackern, denn Trainer Steffen Baumgart hatte noch nicht genug gesehen.
HSV-Fans sehen Selke auch kritisch
Selke weiß genau, was der HSV-Coach von seinen Spielern sehen will. Beide arbeiteten bereits beim 1. FC Köln in der Bundesliga erfolgreich zusammen, als Selke neun Tore in 31 Spielen schoss. Nach enttäuschenden Jahren bei Hertha BSC und Werder Bremen hatte ihm eine solche Leistung kaum jemand zugetraut. Insbesondere in Fankreisen wurde der Transfer ins Rheinland seinerzeit höchst skeptisch gesehen.
Ein Umstand, der darauf zurückzuführen ist, dass Selke in der Öffentlichkeit keinen guten Ruf genießt. Ihm eilt nicht nur der Ruf des verhinderten Torjägers nach, sondern auch der Hang zur Theatralik nach Fouls. Auch beim HSV war deshalb nicht jeder in der Anhängerschaft glücklich über die Verpflichtung des Angreifers, der zudem als verletzungsanfällig gilt.
So tickt HSV-Zugang Davie Selke wirklich
Es sind Vorurteile, die seinem Charakter nicht gerecht werden, sagt David Kadel, einer, der es wissen muss. Der Mentaltrainer kennt Selke bereits seit mehr als zehn Jahren, als dieser für Bremen seine ersten Profischritte unternahm. Auch wenn beide nie offiziell zusammenarbeiteten, ließ sich der Stürmer von dem heute 56 Jahre alten Schwaben inspirieren.
„Ich schaue gern hinter die Fassade, was für ein Herz derjenige hat“, sagt Kadel, der für Selke die Rolle eines Mentors übernommen hat, in bestem Hochdeutsch. „Davie ist ein einfühlsamer, sensibler und feinfühliger Mensch. Wenn man ihn kennenlernt, will man ihn als Freund haben.“
Warum Selke sogar im Gefängnis war
Wegen genau dieser Charakterzüge nahm Kadel den Angreifer vor drei Wochen mit in eine Kölner JVA, um den Häftlingen Mut, Stärke und Zuversicht zu vermitteln. „Davie hat in einer sehr empathischen, und in der Öffentlichkeit gar nicht bekannten Art über seine Probleme gesprochen und die Insassen berührt“, beschreibt Kadel die Aktion. „Er sprach authentisch vom eigenen Scheitern.“
Dabei ging es nicht nur um sportliche Themen, wie den Verlust eines Stammplatzes, sondern auch die Reaktionen in Fankreisen. Selke weiß, dass die Öffentlichkeit ihn mitunter kritisch sieht. „Unmut der eigenen Anhänger lässt ihn nicht kalt“, weiß Kadel, der eine Entwicklung beim Stürmer festgestellt hat. „Durch die Geburt seiner Tochter Aiyana (2) hat sich sein Fokus verschoben. Er ist reifer geworden und lässt solche Beschimpfungen nicht mehr so leicht an sich heran.“
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HSV holte Selke auch wegen seiner Mentalität
Zwischen Kadel und Selke ist im Laufe der Jahre eine Freundschaft entstanden. Der Coach ist davon überzeugt, dass der Stürmer den HSV dank seiner mentalen Stärke voranbringen wird. „Mit seiner Spielweise, aber vor allem seiner Mentalität wird er für unsere Mannschaft eine große Bereicherung sein“, sagt nicht etwa Kadel, sondern Claus Costa, der dafür die Zustimmung von Kadel erfährt. „Davie ist ein Vulkantyp, der brennt und den man nicht motivieren muss. Er hat keinerlei Selbstzweifel, das empfinde ich als positiv.“
Wie energiegeladen Selke als Motivator auftritt, war bereits bei seiner ersten Einheit mit dem Team zu sehen. Die Zweifler unter den Fans wird er aber wohl nur mit Toren von sich überzeugen können.