Hamburg/Braunschweig. Nach einem 0:2-Rückstand starten die Hamburger im Traditionsduell eine famose Aufholjagd und setzen ihre Erfolgsserie fort.
Von einem Herbstmeister zu sprechen verbietet sich Ende Januar. Sagen wir es deshalb so: Der HSV ist die beste Mannschaft der Hinrunde der 2. Bundesliga. Dank eines 4:2-Siegs (1:2) bei Eintracht Braunschweig am Sonnabend sind die Hamburger nach 17 Spieltagen nicht mehr vom ersten Tabellenplatz zu verdrängen.
"Wir waren heute zweimal sehr nachlässig und haben uns die Gegentore selbst reingeschmissen", sagte Hamburgs Trainer Daniel Thioune bei Sky, "aber es ist uns ab Minute 30 gelungen, das Spiel an uns zu reißen."
Tatsächlich sah es nach dem sechsten Sieg aus den vergangenen sieben Spielen lange Zeit ganz und gar nicht aus. Kurz vor der Halbzeit sahen sich die Hamburger gegen den Außenseiter mit 0:2 in Rückstand – um dann eine famose Aufholjagd zu starten.
Braunschweig legt gegen HSV 2:0 vor
Es lag nahe, dass Thioune jener Startelf vertraute, die am Montag beim 5:0-Heimsieg gegen Osnabrück begeistert hatte.
Stürmer Lukas Hinterseer gehörte nicht mehr dem Hamburger Kader an: Der Österreicher hatte den HSV am Freitag nach eineinhalb Jahren verlassen und spielt künftig für den asiatischen Champions-League-Sieger Ulsan Hyundai FC in Südkorea. Braucht der HSV nun Ersatz? Diese Frage haben wir in unserem Videoformat HSV-Check diskutiert.
Sechs Spiele nicht verloren, fünf davon sogar gewonnen: Wie wollten die Braunschweiger diesen HSV stoppen? Die Antwort gab Eintracht-Trainer Daniel Meyer schon vor dem Anpfiff bei Sky. "Der HSV wird versuchen, über Außen durchzustoßen, deshalb wollen wir eine gewisse Breite im Spiel haben." Statt wie sonst drei Verteidiger bot Meyer erst zum zweiten Mal in dieser Saison eine Viererkette auf, mit Neuling Oumar Diakhite mittendrin.
Es war offenbar die richtige Taktik. Der HSV bemühte sich zwar von Beginn an um Spielkontrolle, ohne aber Druck über die Flügel aufzubauen, wie es am Montag bei der 5:0-Gala gegen Osnabrück noch so prächtig gelungen war.
Stattdessen taten sich in der eigenen Abwehr Lücken auf. Nach einem Einwurf konnte Braunschweigs Nick Proschwitz in den Hamburger Strafraum flanken, Marcel Bär verlängerte per Kopf, und Felix Kroos stocherte den Ball zur Führung der Eintracht ins Tor (9. Minute). Bruder Toni gratulierte via Twitter aus dem fernen Madrid.
Der HSV suchte nach einer Antwort, doch mehr als ein Kopfball von Torjäger Simon Terodde (16.) und ein verzogener Freistoß von Tim Leibold (27.) verdient kaum Erwähnung. Thioune reagierte, indem er Bakery Jatta und Sonny Kittel von den Flügeln wegbeorderte, um im Zentrum Präsenz zu zeigen.
Das sollte sich in der 41. Minute fast auszahlen: Aus kurzer Distanz hatte Jatta die große Ausgleichschance, schoss aber übers Braunschweiger Tor. Und wie das so ist im Fußball, warum auch immer: Praktisch im Gegenzug legte die Eintracht das 2:0 nach: HSV-Verteidiger Toni Leistner wollte einen Ball per Kopf zu Torwart Sven Ulreich zurückspielen, doch das geriet zur Vorlage für Marcel Bär – der Außenseiter führte 2:0 (42.).
Kinsombi leitet die Wende ein
Es brauchte eine HSV-Reaktion, und die kam noch vor der Pause. Linksaußen Sonny Kittel ließ Kroos an der linken Strafraumlinie per Beinschuss stehen, seinen klugen Pass in den Rückraum brauchte David Kinsombi nur noch einzuschieben (45.+2). Braunschweigs Torwart Jasmin Fejzic beschwerte sich vergeblich, dass ihm Terodde im Abseits stehend die Sicht genommen habe.
Thioune schien sich aber auf die Selbstheilungskräfte seiner Startelf nicht verlassen zu wollen. Er wechselte seine zuletzt so starken rechten Flügel aus und brachte zur zweiten Halbzeit Aaron Hunt und Amadou Onana für Jatta und Josha Vagnoman.
HSV-Einzelkritik:
Es war offenbar eine sehr gute Idee. Terodde brauchte bei seinem Ausgleichstor noch die Mithilfe der Braunschweiger: Brian Behrendt legte ihm unfreiwillig den Ball vor (51.). Notiz am Rande: Mit seinem 17. Saisontor war Hamburgs Topstürmer damit in der Privatwertung gegen die gesamte Braunschweiger Mannschaft (16) wieder in Führung gegangen.
HSV-Wechsel zahlen sich aus
Der eingewechselte Hunt übernahm es dann, das Spiel zu drehen: Seinen nicht allzu gefährlichen Flachschuss aus halblinker Position ließ allerdings Fejzic unnötigerweise durch die Beine rutschen (59.). Wenig später stand es sogar 4:2 für den HSV: Moritz Heyer eroberte an der rechten Außenlinie den Ball, seinen Pass verwertete abermals Kinsombi nach ähnlicher Art wie bei seinem ersten Tor (65.).
Nun war es das Spiel, das man erwarten durfte. Braunschweig gab sich zwar nicht auf, aber gefährlich wurde es erst in der 83. Minute wieder, als Martin Kobylanski im Strafraum zum Schuss kam – Leistner konnte sich dazwischenwerfen.
Englische Woche gegen zwei Absteiger
Thioune allerdings hatte nun offenbar keine Sorge mehr, dass das Spiel noch einmal kippen könnte: Er brachte Youngster Ogechika Heil für Spielmacher Jeremy Dudziak (86.). Zuvor waren bereits Manuel Wintzheimer für Terodde und Gideon Jung für den herausragenden Kinsombi gekommen.
Es ging alles gut für den HSV. "Es war nicht alles gut, was hier geglänzt hat", sagte HSV-Kapitän Tim Leibold im Sky-Interview, "aber für uns war es wichtig, hier die drei Punkte mitzunehmen, gerade nachdem Braunschweig schon anderen Teams da oben Punkte abgenommen hat."
Die nächste HSV-Woche ist dann eine englische: Am Dienstag geht es zum Rückrundenstart nach Düsseldorf, am Sonnabend gegen Paderborn. In dieser Form müssen die Hamburger aber auch Bundesliga-Absteiger nicht fürchten.
Tabellenspitze der 2. Bundesliga am Sonnabend
1. HSV 17 Spiele/40:21 Tore/36 Punkte
2. VfL Bochum 16/31:16/32
3. Fortuna Düsseldorf 17/27:22/31
4. SpVgg Greuther Fürth 17/33:23/29
5. Holstein Kiel 16/26:17/29