Hamburg. Der Tabellenführer setzte auch in Braunschweig auf Tempo. Unter den zehn schnellsten Spielern der Liga sind gleich drei Hamburger.

Am Freitagnachmittag hatte es Josha Vagnoman nicht sonderlich eilig. Ganz in Ruhe spielte er mit seinen HSV-Kumpels Jonas David und Ogechika Heil nach dem Training noch eine Extrarunde mit dem Ball, ehe es am Nachmittag zum Auswärtsspiel bei Eintracht Braunschweig ging. So ruhig und entspannt es Vagnoman außerhalb des Spielfelds gerne angehen lässt, so schnell und stürmisch zeigt er sich auf dem Platz.

Am vergangenen Montag war Vagnoman mal wieder der Schnellste. Zum siebten Mal in seinem zwölften Saisonspiel wurde der Rechtsverteidiger beim HSV mit der Höchstgeschwindigkeit gemessen. 33,4 Kilometer pro Stunde lautete der Bestwert. In Erinnerung blieb vor allem sein Sprint vor dem 4:0, als er im ICE-Tempo an Osnabrücks Kevin Wolze vorbeirauschte.

HSV-Verteidiger Vagnoman: Nur ein Zweitligaprofi ist schneller

Auch im ligaweiten Ranking liegt Vagnoman weit vorne. Nur Bochums Verteidiger Maximilian Leitsch (35,17 km/h) wurde in dieser Saison mit einer höheren Maximalgeschwindigkeit gemessen als der junge Hamburger (34,89) am ersten Spieltag gegen Düsseldorf. „Ich freue mich über meine Werte. Das ist eine Qualität, die der Mannschaft hilft“, sagt der 20-Jährige vor dem Braunschweig-Spiel im Gespräch mit dem Abendblatt. Geschwindigkeit hat Vagnoman, seit er denken kann. „Ich musste dafür nie extra trainieren.“

Dass der HSV nicht nur dank Vagnoman zu den sprintstärksten Teams der Zweiten Liga gehört, zeigt die Top Ten dieser Statistik. Mit Sonny Kittel (34,65/Platz fünf) und Khaled Narey (34,55/Platz 10) liegen zwei weitere Hamburger unter den ersten zehn. Bakery Jatta, den viele in dieser Wertung auf Platz eins erwartet hätten, folgt dagegen erst auf Platz zwölf (34,48). Auch die Position von Kittel überrascht. Der 28-Jährige ist beim HSV bekannt als abschlussstarker Techniker, weniger als Supersprinter.

Wie die Geschwindigkeiten gemessen werden

Um die Werte richtig einzuordnen, muss man zunächst einmal wissen, wie sie überhaupt gemessen werden. Anders als in einer Tempo-30-Zone stehen am Spielfeldrand in den Stadien keine Radargeräte, die die Profis blitzen. Auch die GPS-Daten spielen hierbei keine Rolle. Vielmehr misst die Deutsche Fußball Liga mithilfe ihrer Tochterfirma Sportec Solutions die Spieler durch eine Art Positionstracking.

Dabei wird das Spielfeld in ein Koordinatensystem eingeteilt und kalibriert. Den Spielern wird auf dem Computer vor dem Anpfiff ein Punkt zugeordnet, der sich während des Spiels über das Feld bewegt. Um mit der Maximalgeschwindigkeit erfasst zu werden, muss der Spieler laut DFL-Definition „mehr als zwei Sekunden mindestens 4,0 Meter pro Sekunde und während dieser Zeit mindestens 6,3 Meter pro Sekunde laufen, wobei zwischen dem ersten und letzten Erreichen der 6,3-m/s-Schwelle mindestens eine Sekunde liegt“.

Klingt kompliziert, bedeutet aber vor allem, dass der Spieler den Maximalwert in der Regel nur bei langen Sprints erreicht, zumeist in der Umschaltbewegung. So wie etwa Sonny Kittel beim Spiel in Karlsruhe. Oder auch Bayern Münchens Alphonso Davies, dessen Bundesliga-Rekordgeschwindigkeit von 36,51 km/h bei einem defensiven Sprint gemessen wurde.

Warum Jatta nicht in den Top Ten ist

Bakery Jatta, der als schnellster HSV-Spieler gilt, muss bei seinen Dribblings dagegen nur für einen kurzen Moment beschleunigen, um an seinen Gegenspielern vorbeizukommen und sich Raum zu verschaffen. Nur selten gehen diese Sprints dann auch in die Statistik ein.

Intern glaubt man beim HSV, dass Jatta einen Topspeed von 36 km/h erreichen kann. Bei internen Messungen lag bei den Hamburgern zuletzt Xavier Amaechi (jetzt Karlsruher SC) mit 35,8 km/h ganz vorne. Anders als bei der DFL misst Athletiktrainer Daniel Müssig die Spieler im Training mit GPS-Daten, die als weniger zuverlässig gelten.

Hinter Amaechi folgten weder Jatta noch Vagnoman, sondern Amadou Onana mit einem Wert von 35 km/h. Wie schnell der 19 Jahre junge Belgier mit seinen raumgreifenden Schritten sein kann, zeigte er bei seinem Sololauf zum Tor gegen Sandhausen kurz vor Weihnachten.

Vagnomans Tempo macht ihn begehrt

Trainer Daniel Thioune ist froh, so viele schnelle Spieler in seinem Team zu haben. In Braunschweig wurde es für seine Mannschaft allerdings eine Herausforderung werden, das Tempo zielführend einzusetzen. „Es wird kein leichtes Spiel, weil Braunschweig tief stehen und auf Konter lauern wird“, ahnte Vagnoman, der zusammen mit Bakery Jatta in der ersten Halbzeit wieder die rechte Highspeed-Seite bildete.

Dass das Eigengewächs auch immer wieder Begehrlichkeiten weckt, hat vor allem mit seinen physischen Fähigkeiten zu tun. Geschwindigkeit ist im modernen Fußball immer wichtiger geworden. Bislang hat Vagnoman zusammen mit seinen Beratern aber alle Anfragen abgeblockt. „Ich will mich in Ruhe hier entwickeln, werde hart arbeiten und den Weg mit der Mannschaft weitergehen. Dann wird man irgendwann sehen, was passiert und wie der nächste Schritt aussieht. Ich werde nichts überstürzen.“

Vagnoman erbte Schnelligkeit vom Vater

Vagnoman spricht ganz entspannt und ruhig. Der U-21-Nationalspieler ist in Hamburg verwurzelt, lebt noch bei seinen Eltern in Lemsahl. Von seinem Vater, der aus der Elfenbeinküste stammt und einst für die ivorische Auswahl spielte, hat er seine Schnelligkeit geerbt. „Mein Vater war auch schnell. Als Teenager konnte ich die Wettrennen gegen ihn aber allmählich gewinnen.“

Im Gegensatz zu seinem Vater ist es für Vagnoman junior aktuell kein Thema, für die Elfenbeinküste zu spielen. „Ich spiele jetzt für Deutschland. Grundsätzlich ausschließen würde ich es nicht.“

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Seine Ziele: Mit dem HSV zurück in die Bundesliga. Und dann mit Deutschland zu den Olympischen Spielen nach Tokio. „Das wäre natürlich ein Traum.“ Zunächst wartete aber Braunschweig. Vagnomans persönliches Ziel: „Ich versuche, wieder der Schnellste zu sein.“

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