Hamburg. Beim Spiel treffen offensivstärkste Mannschaften der Liga aufeinander. Wie die Spielvereinigung ein Spitzenteam wurde.

An den 17. Oktober 2020 kann sich Björn Schlicke noch sehr gut erinnern. Der frühere HSV-Verteidiger war einer von 3325 Zuschauern im Sportpark Ronhof, als Greuther Fürth am vierten Spieltag der Zweiten Liga unglücklich mit 0:1 gegen den fast 40 Minuten lang in Unterzahl spielenden HSV verlor. Die Hamburger blieben durch das Tor von Khaled Narey weiterhin ohne Punktverlust, während Fürth auch im vierten Spiel in Folge auf einen Sieg wartete. „Der HSV war zu diesem Zeitpunkt noch nicht so richtig in Tritt und hat Glück gehabt“, sagt Schlicke vier Monate später im Telefongespräch mit dem Abendblatt vor dem Rückspiel zwischen seinen zwei Ex-Clubs an diesem Sonnabend (13 Uhr/Sky und Liveticker auf abendblatt.de).

Der 39-Jährige, der zwischen 2003 und 2005 im Volkspark verteidigte, sitzt in seinem Heimatort Herzogenaurach, nur 15 Kilometer von Fürth entfernt. Bis vor Kurzem war Schlicke noch Manager des Regionalligisten 1. FC Schweinfurt, zuvor arbeitete er mehrere Jahre im Nachwuchs von Greuther Fürth. Für die Franken machte der Franke auch seine ersten Profispiele, ehe der Franke Dietmar Beiersdorfer ihn damals zum HSV in die Bundesliga holte.

Seine früheren Vereine verfolgt Schlicke noch immer genau. Vor allem die Arbeit in Fürth hat er noch im Blick. Dass die Spielvereinigung vier Monate nach dem bitteren Hinspiel mit einem hohen Sieg im Volkspark sogar am HSV vorbeiziehen kann, ist für Schlicke keine Überraschung. Vor allem der Trainer sei der Grund, warum Fürth in diesem Jahr um den Aufstieg mitspielt.

 „Stefan Leitl lässt einen Fußball spielen, der begeistert“, sagt Schlicke über den 43 Jahre alten Fußballlehrer. Die Verpflichtung von Leitl vor zwei Jahren sei der „Wendepunkt“ in der jüngeren Entwicklung des Vereins gewesen. „Er verkörpert die Philosophie, die dem Verein zwischenzeitlich abhandengekommen war.“

Es könnte erneut ein heißes Offensivspektakel mit Hamburger Beteiligung geben

Gemeint ist die Idee, als Ausbildungsverein junge Spieler zu entwickeln und durch Transfererlöse wirtschaftlich zu wachsen. So wie vor 18 Jahren, als der HSV für Schlicke eine Million Euro zahlte. Es war der erste Transfer des damaligen Vorstandschefs Bernd Hoffmann.

Heute hat Fürth unter Sportdirektor Rachid Azzouzi und Trainer Leitl wieder zu seinem alten Weg zurückgefunden und setzt auf attraktiven Fußball. „Stefan Leitl steht für Offensivfußball. Ein 4:3 ist ihm im Zweifel immer lieber.“ Schlickes Einschätzung wird untermauert durch die aktuelle Bilanz. Nach dem HSV (46 Treffer) ist Fürth (41) die torhungrigste Mannschaft der Liga. Die Spielvereinigung trifft zudem mit Abstand am häufigsten Aluminium (14), davon zweimal im Hinspiel gegen den HSV. Ligaweit gibt Fürth zudem die meisten Torschüsse ab (298).

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Nach dem rasanten 3:1 des HSV vor zwei Wochen gegen Paderborn und dem 3:3 vor einer Woche in Aue könnte es trotz des Eisfachwetters erneut ein heißes Offensivspektakel mit Hamburger Beteiligung geben. „Aufgrund der Ausgangslage werden beide Mannschaften nicht groß taktieren, sondern mit offenem Visier spielen“, sagt Schlicke. Leitl gibt sogar ein Torversprechen ab. „Das Spiel wird definitiv nicht 0:0 ausgehen.“ Sein Gegenüber Daniel Thioune will sich nicht ganz so weit aus dem Fenster lehnen, sagt aber: „Wir müssen 90 Minuten auf Sendung sein. Das Visier darf dann auch leicht geöffnet sein.“

Der Ausfall von Dudziak dürfte die Chance für Aaron Hunt sein

Der Ausfall des verletzten Jeremy Dudziak (Zerrung) dürfte am Sonnabend die Chance für Aaron Hunt sein. Der 34-Jährige hat in dieser Saison erst ein Spiel über 90 Minuten bestritten – beim 1:o in Fürth. Aufpassen müssen die Hamburger auf den früheren Frankfurter Branimir Hrgota und den ehemaligen Wolfsburger Paul Seguin, sagt Björn Schlicke.

 „Das sind die zwei Schlüsselspieler bei Fürth. Vor allem Seguin ist für diese Liga ein außergewöhnlicher Spieler.“ Den HSV sieht der Experte dagegen deutlich ausgeglichener besetzt. „Der Hamburger Kader ist so aufgestellt, dass er jeden Ausfall verkraften kann. Die Mannschaft wirkt sehr konstant.“

Einzig bei einem Ausfall von Topstürmer Simon Terodde könnten die Hamburger Probleme bekommen. Mit dem 32-Jährigen hat Schlicke einst selbst noch beim MSV Duisburg zusammengespielt, als der Stürmer gerade seine ersten Schritte in den Profifußball machte. „Man hat damals schon gesehen, dass Simon mal gut wird“, sagt Schlicke. Dass dieser nun auf dem besten Weg ist, zum vierten Mal Torschützenkönig der Zweiten Liga zu werden, war vor 14 Jahren aber noch nicht absehbar. „Er war damals noch sehr schlaksig. Dadurch wurde er oft unterschätzt“, sagt Schlicke.

Terrode ist die große HSV-Hoffnung im Kampf um den Aufstieg

Den Aufstieg im Blick, aber auch die ewige Torschützenliste der Zweiten Bundesliga: HSV-Torjäger Simon Terodde.
Den Aufstieg im Blick, aber auch die ewige Torschützenliste der Zweiten Bundesliga: HSV-Torjäger Simon Terodde. © Imago/Jan Hübner | Unbekannt

Heute ist Terodde die große HSV-Hoffnung im Kampf um den Aufstieg. Schlicke glaubt, dass es bis zum Ende der Saison ein Vierkampf zwischen dem HSV, Fürth, Holstein Kiel und dem VfL Bochum wird. „Und ich bin mir sicher, dass es der HSV in diesem Jahr schafft.“

Björn Schlicke wird den Weg der Hamburger in jedem Fall weiter verfolgen. Wohin ihn sein eigener Weg führt, ist aktuell noch offen. Die 15 Kilometer nach Fürth fährt der frühere U-21-Nationalspieler in jedem Fall noch fast täglich. Sein Sohn Ben spielt in der U 16 von Greuther Fürth. Am Sonnabend sitzen die beiden zusammen auf dem Sofa, gucken sich das HSV-Spiel an – und hoffen auf das versprochene Spektakel.