Hamburg. Hinter den Kulissen planen die Hamburger schon für die kommende Saison. Welche Rolle Corona und der Brexit dabei spielen.

Die Entscheidung fiel am Donnerstagmorgen. Es geht noch nicht. „Wir gehen kein Risiko ein“, sagte HSV-Coach Daniel Thioune nach dem Training, bei dem Jeremy Dudziak erneut fehlte. Der Mittelfeldspieler fällt am Sonnabend (13 Uhr) im Spitzenspiel der Zweiten Liga gegen Greuther Fürth aus. „Sein Tempo und seine Arbeit gegen den Ball werden uns fehlen. Sein Ausfall wiegt schwer“, sagt Thioune. Doch er weiß, dass in den kommenden Wochen mit dem FC St. Pauli, Holstein Kiel, Bochum, Heidenheim und Hannover noch weitere Topspiele folgen werden. „Wir werden Jerry noch brauchen.“

Nicht nur in den Gedanken des Trainers für die kommenden Wochen spielt der Name Dudziak eine wichtige Rolle, sondern auch in den Planungen von Sportvorstand Jonas Boldt für die kommende Saison. Dudziak ist einer von neun Spielern, deren Vertrag im Sommer 2022 ausläuft. Auch Jan Gyamerah, Rick van Drongelen, Manuel Wintzheimer, Gideon Jung, Khaled Narey, Toni Leistner, Klaus Gjasula und Torhüter Daniel Heuer Fernandes sind nach dieser Saison nur noch ein weiteres Jahr an den HSV gebunden. Normalerweise bedeutet das in den Transferplanungen der Manager: verlängern oder verkaufen.

Insbesondere bei Dudziak, Gyamerah und van Drongelen könnte die Frage in diesem Sommer aber anders lauten: Aufstieg oder Abschied? Die drei Spieler zählen von ihrem Potenzial her zu den Kandidaten, denen man auch in der Bundesliga eine gute Rolle zutrauen würde. Sollte der Aufstieg aber nicht gelingen, zählen die drei wiederum zu den Verkaufskandidaten.

Angesichts der finanziellen Probleme durch die fehlenden Zuschauereinnahmen wäre der HSV bei einem Klassenverbleib gezwungen, wichtige Leistungsträger abzugeben. Es wäre dann die letzte Chance, für Dudziak, Gyamerah oder van Drongelen eine lohnenswerte Ablöse zu erzielen.

HSV-Gehaltsetat könnte bei Aufstieg auf 36 Millionen Euro steigen

Noch ist allerdings gar nicht abzusehen, wie groß die finanziellen Nöte wirklich sein werden. Sollte sich die Corona-Pandemie entspannen, plant der HSV in der kommenden Saison Stand jetzt mit rund 25.000 Zuschauern pro Heimspiel. Durch die höheren TV-Einnahmen könnte der Gehaltsetat bei einem Aufstieg von 23 auf rund 36 Millionen Euro steigen. Misslingt die Mission erneut und müssen die Stadien weiterhin leer bleiben, könnte der Gehaltsetat dagegen sogar unter 20 Millionen Euro sinken.

In jedem Fall will der HSV vermeiden, seine wertvollsten Spieler im Sommer unter Wert verkaufen zu müssen. Josha Vagnoman (20) und Amadou Onana (19) könnten dem Club perspektivisch hohe Ablösen einbringen. Insbesondere in England gelten die beiden wegen ihrer Physis als interessante Spieler. Das Problem: Aufgrund der neuen Brexit-Bestimmungen, die seit Kurzem gelten, könnten die beiden im Sommer gar nicht nach England wechseln. Um dort eine Arbeitserlaubnis zu bekommen, gilt ein neues Punktesystem.

Demnach können nur noch Spieler in die englischen Profiligen wechseln, die aktuell in der Ersten Liga spielen oder bereits eine bestimmte Anzahl an Länderspielen absolviert haben. Klaus Gjasula etwa könnte als albanischer Nationalspieler in die Premier League wechseln, HSV-Kapitän Tim Leibold dagegen nicht. Auch für Dudziak, Gyamerah, Vagnoman oder Onana wäre ein Transfer auf die Insel im Sommer nicht möglich. Umso wichtiger wäre für den HSV ein Aufstieg, damit insbesondere die jungen Spieler die Bühne Bundesliga nutzen könnten, um ihren Marktwert zu steigern und Sportvorstand Jonas Boldt die Möglichkeit einzuräumen, perspektivisch hohe Transfererlöse zu erzielen.

Der HSV will im Sommer zwei Stürmer verpflichten

Eine wichtige Rolle spielen in dieser Planung auch die Berater. Jan Gyamerah etwa hat sich erst vor Kurzem der neuen Agentur des einflussreichen Spielerberaters Volker Struth angeschlossen. Mit ihren nationalen und internationalen Kontakten wäre „Sports360 GmbH“ sicher in der Lage, mit dem 25-Jährigen einen Transfer zu realisieren, von dem alle Parteien zumindest wirtschaftlich profitieren würden.

Auch bei Stephan Ambrosius (22) erhofft sich der HSV insgeheim durch dessen Zusammenarbeit mit dem zwar umstrittenen, aber international gut vernetzten Agenten Nochi Hamasor, zu einem bestimmten Zeitpunkt einen lukrativen Käufer zu finden.

Verstärken will sich der HSV bei einem Aufstieg hauptsächlich mit ablösefreien Spielern wie etwa Holstein Kiels Jae-sung Lee (28). Beim Südkoreaner sind die Hamburger aber nicht der einzige Interessent. Für Wunschstürmer Philipp Hofmann (27, Vertrag bis 2022) vom Karlsruher SC müsste der HSV dagegen in jedem Fall eine Ablöse bezahlen. Mit Simon Terodde wollen die Hamburger grundsätzlich verlängern, wenn es wirtschaftlich passt. Zudem würden die Hamburger bei einem Aufstieg noch einen schnellen Stürmer verpflichten.

Wood geht, Hunt könnte beim HSV bleiben

Wirtschaftlichen Spielraum verschafft dem HSV im Sommer das Vertragsende von Bobby Wood sowie von Aaron Hunt. Während Wood den Club verlassen wird, könnte es bei Hunt theoretisch noch eine weitere Zusammenarbeit geben, sollte sich der 34-Jährige auf ein deutlich geringeres Gehalt und eine geringere Wichtigkeit einlassen.

So wie vor dieser Saison, als Thioune sein erstes Gespräch mit Hunt führte, um dessen Bereitschaft abzuklopfen, im Mannschaftsgefüge eine weniger dominante Rolle einzunehmen. Hunt erklärte sich bereit – und lehnte dafür ein Angebot aus Tel Aviv in Israel ab.

Am Sonnabend könnte Hunt in jedem Fall noch einmal mehr Spielzeit bekommen, wenn es darum geht, Jeremy Dudziak zu ersetzen. Für Thioune scheint der Routinier die erste Alternative zu sein: „Aaron hat gezeigt, dass wir uns auf ihn verlassen können.“