Hamburg. Die Kritik des Investors an den Transfers lässt den HSV unbeeindruckt. Eine konkrete Hoffnung hat der Club bereits aufgegeben.

Am Sonnabend zur Primetime wird sich Klaus-Michael Kühne wieder vor seinen Fernseher setzen. Um 20.30 Uhr (Sky/Liveticker bei Abendblatt.de) spielt der HSV gegen den SV Sandhausen. Und Kühne ist am TV dabei. Wahrscheinlich wird auch seine Frau Christine zugucken. Schließlich gibt Dennis Diekmeier nach einem Muskelbündelriss sein Comeback für Sandhausen. Der Verteidiger war in seinen acht Jahren beim HSV zwischen 2010 und 2018 der Lieblingsspieler von Frau Kühne. „Er war immer ein Flitzer“, sagte ihr Mann Klaus-Michael vor drei Jahren in einem „Sportbild“-Interview.

Es war die Zeit, in der Kühne sich noch regelmäßig über den HSV äußerte und dabei selten ein Blatt vor den Mund nahm. Innerhalb des Clubs sorgte Kühne dabei regelmäßig für ein Beben, schließlich hatte der Investor zu dieser Zeit einen großen Einfluss auf die Entscheidungen des HSV. Nicht selten waren Trainer (Mirko Slomka, Bruno Labbadia) oder Manager (Oliver Kreuzer, Peter Knäbel) kurze Zeit später ihren Job los, nachdem Kühne sie öffentlich in Frage stellte.

HSV lässt Kühnes Kritik unbeantwortet

HSV-Investor Klaus-Michael Kühne übte Kritik an der Transferpolitik.
HSV-Investor Klaus-Michael Kühne übte Kritik an der Transferpolitik. © WITTERS | Frank Peters

Am Dienstag hat sich der 84-Jährige nach langer Zeit mal wieder zu Wort gemeldet. Nicht über Diekmeier, sondern über die HSV-Verantwortlichen. Im Abendblatt-Interview sagte Kühne über die aktuelle Situation seines Lieblingsvereins: „Beim HSV wird herumgewurstelt wie eh und je. Im vorigen Jahr setzte man auf ältere Spieler, die aus unterschiedlichen Gründen nach einem Jahr wieder abgewandert sind, jetzt will man der Jugend den Vorrang geben und verpflichtet zusammengewürfelte unbeschriebene Blätter – ich kann es nicht fassen und möchte keine weiteren Kommentare abgeben.“

Zwei Sätze, die in der Vergangenheit beim HSV heftig eingeschlagen wären. Und auch diesmal wird Kühnes Kritik die sportlichen Verantwortlichen um Sportvorstand Jonas Boldt geärgert haben. Anlass für eine Reaktion sah man beim HSV am Dienstag aber nicht. Im Gegenteil. Kühnes Kritik an der Transferpolitik nahmen Boldt und Co. gelassen zur Kenntnis. Einfluss auf sportliche Entscheidungen nimmt der Gesellschafter schon seit drei Jahren nicht mehr.

Trotzdem stellt sich einmal mehr die Frage, welchen Einfluss Kühne beim HSV noch hat – und welchen er in Zukunft noch haben soll? Über diese Frage gibt es hinter den Kulissen immer wieder unterschiedliche Auffassungen.

HSV gibt Hoffnung auf weiteres Stadionsponsoring Kühnes auf

Fakt ist: Mit 20,44 Prozent Anteilen ist Kühne neben dem HSV e.V. (75,67) noch immer der größte und wichtigste Gesellschafter der HSV Fußball AG. Fakt ist aber auch: Seit drei Jahren sucht der HSV einen Käufer für Kühnes Anteile. Zehn Jahre hat der Verein dafür Zeit. So haben es Kühne und der HSV in einem Vertrag im April 2019 vereinbart, als der Milliardär für ein weiteres Jahr die Namensrechte am Volksparkstadion kaufte.

Im Juli 2020 beendete Kühne seine finanzielle Unterstützung. Der Auslöser: Sandhausen. Nach dem verpassten Aufstieg durch das 1:5 am letzten Spieltag, gekrönt von einem Tor durch „Flitzer“ Diekmeier, ließ Kühne den Einjahresvertrag für das Namensrecht auslaufen. Dabei hätte er nach Abendblatt-Informationen eine Option gehabt, den Vertrag zu verlängern.

Seitdem hat der HSV den Stadionnamen nicht vermarktet. Und obwohl der Club Gespräche mit potenziellen Interessenten führte, ließ er sich immer noch die Option offen, das Namensrecht doch noch an Kühne zu verkaufen. Diese Hoffnung hat der HSV vorerst aufgegeben. Intern hat man sich im Volkspark zum Ziel gesetzt, spätestens in zwei Jahren einen neuen Sponsor für das Stadion gefunden zu haben. Als Spielort der EM 2024 glaubt der HSV mit seiner Arena gute Chancen zu haben, einen neuen Partner zu finden.

HSV-Präsidium hält sich zu Kühne bedeckt

Ob es mit Kühne auch ohne Stadionnamen eine weitere Zusammenarbeit geben wird, müssen vor allem Markus Frömming und Marcell Jansen beantworten. Frömming ist seit zwei Jahren der Vertreter von Kühne im Aufsichtsrat und in diesem Gremium neben Präsident Jansen der Vertraute des Milliardärs. Frömming und Jansen bilden zusammen den Strategieausschuss.

Sie müssen gemeinsam mit dem Vorstand der AG um Boldt und Frank Wettstein eine Strategie entwickeln, wie und ob Kühne den HSV künftig noch unterstützen soll. Bislang haben sie sich bei der Frage bedeckt gehalten, ob Kühne bei einer möglichen Rechtsformänderung in eine KGaA, die nun in einer Arbeitsgruppe analysiert werden soll, seine Anteile womöglich sogar erhöhen könnte.

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Von Catharina Jäckel, Mayra Daniel und Rainer Grünberg

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Aktuell sieht es eher danach aus, dass Kühnes Einfluss beim HSV weiter sinkt. Nachdem seine Mitsprache bei verschiedenen Transfers und Verträgen (u.a. Rafael van der Vaart, André Hahn, Bobby Wood) den Club in sportliche und finanzielle Schwierigkeiten brachten, trifft Boldt seine Entscheidungen wie vor einem Jahr im Fall Simon Terodde unabhängig von Kühne. Dafür nimmt er in Kauf, dass die Transfers dann mal als „Gewurstel“ bezeichnet werden.

Bei den Fans sorgten die Aussagen von Kühne eher für Ermüdung, denn für Empörung. Einen Vorschlag machte der ehemalige Supporters-Vorsitzende Timo Horn bei Twitter: „Was halten Sie davon, wenn Sie den HSV jetzt selbstständig daran arbeiten lassen, auf zusammengewürfelten, aber unbeschriebenen Blättern, die Geschichte der Zukunft zu schreiben“, twitterte Horn am Dienstag. „Vielleicht will sie am Ende keiner lesen. Vielleicht wird sie aber auch eine reine Welt-Geschichte.“ Kühne hätte – so viel steht fest – ganz sicher nichts dagegen.