Hamburg. Traditionell tun sich die Hamburger gegen vermeintlich kleine Teams schwer. Trainer Walter warnt davor, Sandhausen zu unterschätzen.
Tim Walter hat die Stimmung rund um den HSV zu Wochenbeginn ganz genau vernommen. Nach den wichtigen und vor allem überzeugenden Siegen gegen den FC St. Pauli (2:1), Darmstadt 98 (5:0) und zuletzt den 1. FC Heidenheim (2:0) wartet am Sonnabend mit dem SV Sandhausen nun das Synonym für biedere Zweitliga-Tristesse auf den Tabellendritten. Alles easy, drei Punkte reine Formsache? Eine externe Sichtweise, die der 46-Jährige sofort im Keim ersticken will.
"Ihr glaubt vielleicht, dass es trist ist. Für uns ist es das nächste Topspiel, weil es unser nächstes Spiel ist", erklärt Walter mit Nachdruck in der Stimme. Die Frage, die sich aber trotzdem irgendwie aufdrängt: Verspeist der HSV nach den fußballerischen Filet-Steaks auch das eher triste Zweitliga-Labskaus?
HSV: Walter blockt Underdog-Theorie ab
Vor Walters Amtszeit war es häufig so, dass sich der HSV dem Niveau des Gegners anpasst. Gegen gute Teams zeigten die Hamburger zumeist ihr bestes Gesicht, während gegen die vermeintlich Kleinen der Liga häufig Punkte liegen gelassen wurden, die in der Endabrechnung so richtig wehgetan haben. "Es gibt in der Liga keine Kleinen mehr. Alle spielen guten Fußball, zahlen gutes Geld", mahnte der HSV-Trainer bereits vor dem Heidenheim-Spiel. Deshalb glaubt der gebürtige Schwabe auch nicht, dass er psychologisch auf seine Spieler einwirken muss.
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Der nächste Entwicklungsschritt – das steht außer Frage – ist das souveräne Bespielen und Besiegen von Underdogs. Wenn man auf die verbleibenden zwölf Spiele schaut, steht mit dem prestigeträchtigen Nordderby gegen Werder Bremen (27. Februar) nur noch ein direktes Duell gegen einen der aktuell sechs Aufstiegsaspiranten. Alle anderen Clubs, mit denen sich das Walter-Team messen muss, stehen weiter südlich im Tableau. Chance und Risiko zugleich.
In dieser Saison ließen die Hamburger bislang gegen die Gegner, die zum jeweiligen Zeitpunkt in der zweiten Tabellenhälfte rangierten, Dynamo Dresden (2:2, 1:1), Erzgebirge Aue (1:1), Hannover 96 (0:1), Fortuna Düsseldorf (1:1), Holstein Kiel (1:1) einige Punkte liegen. Dagegen gewann der HSV das Hinspiel gegen Sandhausen durch einen Last-Minute-Treffer von Moritz Heyer mit 2:1. Auch die Duelle gegen den FC Ingolstadt (3:0) und Hansa Rostock (3:0) entschied das Walter-Team für sich. Geht diese Serie nun in der "Crunchtime" der Saison weiter?
HSV-Statistiken waren schon deutlich besser
Die Aufstiegseuphorie ist jedenfalls allgegenwärtig. Nur zwei Saisonniederlagen, zuletzt neun Punkte aus drei Spielen, die aus statistischer Sicht beste Abwehr. In der Wahrnehmung ist der HSV 2022 deutlich besser aufgestellt als vor einem Jahr. Doch ein Blick in eben jene statistische Werte zeigt – wie der NDR herausgefunden hat – das Gegenteil. In dieser Saison erzielen die Hamburger 1,86 Tore pro Partie, in der vorherigen Saison waren es 2,18.
Auch die Chancenverwertung hält dem Vorjahresvergleich nicht stand. Fanden in der Spielzeit 2020/21 noch 36,36 Prozent der Bälle der den Weg ins Netz, sind es aktuell nur 23,30. Und diese Unterschiede spiegeln sich auch im Defensivverhalten wider. Aktuell gewinnen die HSV-Profis 56,25 Prozent aller Defensivzweikämpfe. In der vergangenen Saison waren es noch 59,72. Das Statistik-Portal Global Soccer Network (GSN) hat nach Auswertung der Daten eine Aufstiegswahrscheinlichkeit von 53 Prozent errechnet. In den drei vorherigen Zweitliga-Spielzeiten pendelte die Zahl zwischen 70 und 75 Prozent.
Derartige Zahlenspiel interessieren HSV-Trainer Walter nicht. Er bereitete sich am Mittwoch mit der Mannschaft bei ekelhaftem Hamburger Schmuddelwetter ganz normal auf die Partie in Sandhausen am Sonnabend vor.