Hamburg. Sebastian Schonlau ist einer der Gründe, warum die Defensive das Maß aller Dinge ist. Doch der Profi kann nicht nur verteidigen.

Wenn Sebastian Schonlau in diesen Tagen über den HSV spricht, strahlen seine Augen. Der 27-Jährige, der im vergangenen Sommer ablösefrei vom SC Paderborn verpflichtet wurde, ist in Hamburg angekommen. Sportlich, aber auch privat. Dabei hätte er auch die Chance gehabt, in die Bundesliga zum 1. FC Köln zu wechseln – mit seinem sportlichen Mentor Steffen Baumgart (50), mit dem er sehr erfolgreich in Paderborn gearbeitet hatte.  "Steffen und ich mögen uns, ich habe ihm viel zu verdanken. Es war für mich aber einfach die beste Entscheidung, mal einen ganz anderen Weg zu gehen, frei von Steffen. Weiter weg von zu Hause, um auf meinen eigenen Beinen zu stehen", erklärte Schonlau im NDR-Sportclub.

HSV-Innenverteidiger müssen bei Walter nicht nur verteidigen

Dabei war der Start gar nicht so einfach. Der Grund: Das unglaublich komplexe Spielsystem von Trainer Tim Walter (46). Die vielen Positions-Rochaden, das anspruchsvolle Kurzpassspiel beim Spielaufbau. All das hatte der fußballerisch starke Defensivspezialist in seiner Laufbahn so noch nicht erlebt. "Am Anfang hatte ich zu kämpfen, weil es schon was ganz anderes ist, als ich es bisher gewohnt war. Das, was wir unter Tim Walter spielen, ist einfach anders. Deswegen wusste ich die ersten zwei Wochen nicht, wo rechts und links ist, wenn ich ehrlich bin", scherzte der Innenverteidiger.

Mittlerweile hat Schonlau die Abläufe verinnerlicht. Dass der HSV mit lediglich 20 Gegentoren die beste Abwehr aller drei Profi-Ligen hat, liegt auch am Führungsspieler, der 63 Prozent seiner direkten Duelle für sich entscheidet. Doch Sportdirektor Michael Mutzel (42) und Sportvorstand Jonas Boldt (40) wollten den gebürtigen Warburger auch wegen seiner fußballerischen Fähigkeiten verpflichten. Und wie wichtig Schonlau im Spielaufbau ist, belegen auch die Daten.

Nach Informationen des Statistik-Portals "Global Soccer Network" hat der HSV-Innenverteidiger 109,8 Ballaktionen pro Spiel – ein erstaunlicher Wert. "Wir haben viel Ballbesitz und wollen auch immer den Ball haben. Es ist so, dass wir die Bälle nicht einfach nach vorne prügeln", erklärte Schonlau.

Was Schonlau HSV-Topscorer Sonny Kittel voraus hat

Und selbst wenn der erste Aufbau-Pass gespielt ist, heißt es nicht, dass sich die Innenverteidiger anschauen können, was die Vorderleute so mit dem Ball anstellen. "Wir wollen flach hinten rausspielen und auch danach weiter im Spiel bleiben. Die Innenverteidiger sind nicht an die Position gebunden. Wichtig ist nur, dass die Position aufgefüllt wird. Ob das der rechte Verteidiger ist, der Innenverteidiger oder Sechser, spielt nicht die größte Rolle", so Schonlau und lachte. "Es kann auch mal sein, dass der Innenverteidiger links vorne steht."

Im Heidenheim-Spiel bekam man einen guten Eindruck davon, was der HSV-Kapitän meint. In der ersten Halbzeit war plötzlich Schonlaus Abwehrpartner Mario Vuskovic (20) in Rechtsaußenposition der erste Profi, der erst mit nach vorn gelaufen war und nach einem Ballverlust der erste Spieler im Gegenpressing war.

Spielmacher Sonny Kittel (29) kommt übrigens auf lediglich 64,3 Ballaktionen pro Partie. Ist also Schonlau der heimliche Regisseur des HSV? "Ich bin froh, dass wir Sonny haben. Wenn man sieht, was er aus seinen 64 Ballaktionen macht, dann ist das ein ganze Menge. Wir sind überglücklich, dass er so gut in Form ist. Er kann mal schön so weiterspielen", sagte Schonlau.

Eine Niederlage gegen Kittel musste Schonlau zuletzt aber doch verkraften. Auf der Kart-Bahn hatte der HSV-Innenverteidiger gegen den Ballvirtuosen keine Chance. "In Corona-Zeiten ist es nicht ganz so einfach wie vorher, aber wir versuchen schon immer mal Aktivitäten einzustreuen. Beim ersten Mal war Daniel Heuer Fernandes ganz weit vorne. Beim letzten Mal war es Sonny, der wohl gelernt hat und es gut gemacht hat", sagte Schonlau.

Führungsspieler Schonlau will nicht über den Aufstieg sprechen

Wenn die Hamburger auch sportlich weiter auf der Überholspur bleiben wollen, kommt es auch auf den spielmachenden Innenverteidiger Schonlau an. Große Sprüche gibt es – wenig überraschend – vom Routinier nicht zu hören. "Was unser Ziel ist, ist doch völlig klar: dass wir so viele Spiele wie möglich gewinnen wollen. Wir tun gut daran, nicht so weit nach vorn zu gucken. Ich glaube, wir müssen noch gar nicht so viel auf die Tabelle gucken. Das hilft nicht. Es sind noch zwölf Spiele", sagte Schonlau.