Hamburg. Wolff Fuss analysiert das Auftaktspiel der wohl stärksten 2. Liga der Geschichte. Die Partie wird in die ganze Welt übertragen.
Wolff Fuss hat im Fußball viel erlebt. Bundesligaklassiker, Pokalsensationen und Champions-League-Endspiele. Der TV-Journalist hat 2019 Liverpools 4:0-Triumph gegen Barcelona kommentiert und auch das „Finale dahoam“ 2012 zwischen dem FC Bayern und Chelsea. Doch selten war Fuss’ Gänsehautgefühl so groß wie vor dem Zweitligaauftakt zwischen Schalke 04 und dem HSV an diesem Freitag, den er für Sat.1 kommentiert.
„20.30 Uhr, Flutlicht, Schalke – HSV, erstmals seit 16 Monaten wieder Zuschauer. Mehr geht nicht“, sagt er. „Dieses Spiel ist ligaunabhängig ein Highlight im deutschen Fußball. Es ist das Bayern gegen Dortmund der Zweiten Liga.“
Fuss, der zur angemessenen Einstimmung bereits am Donnerstagabend aus München nach Gelsenkirchen gereist ist, hat diese Einschätzung nicht exklusiv. Der mutmaßlich erstklassigste Auftakt einer Zweiten Liga elektrisiert tatsächlich die ganze Fußballwelt. Der erste Tusch der neuen Saison wird in mehr als 100 Ländern gezeigt.
FC Schalke vs. HSV im TV bei Sat.1
In Deutschland überträgt neben Sky (mit Ex-HSV-Kapitän Heiko Westermann als Experte) auch noch Sat.1 die Partie, die sich laut Kommentator Fuss „nullkommanull zweitklassig“ anfühle. Fünf Stunden lang will der Privatsender, für den auch Ex-HSV-Keeper René Adler als Experte dabei ist, auf Sendung gehen.
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„Das hat es auch noch nie gegeben: anderthalb Stunden Vorberichterstattung für ein Zweitligaspiel. All das zeigt, wie besonders dieses Ding ist“, sagt Fuss, der an diesem Freitag zur Vorbereitung noch einen Telefonmarathon vor sich hat: Der Familienvater will genauso mit den sportlichen Verantwortlichen Jonas Boldt (HSV) und Peter Knäbel (Schalke) telefonieren wie mit den Trainern Tim Walter (HSV) und Dimitrios Grammozis (Schalke). Sein Tipp zum Spiel: „Schalke wird am Freitagabend erfahren, wo die Glocken in der Zweiten Liga hängen.“
Genau dieses Ziel verfolgt auch HSV-Coach Walter, der sich keinen besseren Auftakt als direkt gegen Schalke vorstellen kann. „Immer Vollgas voran“, sagt der Neu-Trainer, für den Schalke neben Werder Bremen zu den absoluten Topfavoriten dieser Spielzeit zählt. „Wir haben Respekt, aber keine Angst.“
Neben der fehlenden Angst muss Walter in dem Blockbusterspiel auch auf Stürmer Robin Meißner verzichten, der mehrere Wochen wegen eines Innenbandanrisses im Knie ausfällt. Auch Anssi Suhonen (Zerrung), Jeremy Dudziak (Knöchel), Amadou Onana und Josha Vagnoman (Muskelfaserriss) stehen auf Schalke nicht zur Verfügung.
HSV-Coach Walter warnt vor Schalker Standards
Immerhin: Sonny Kittel ist nach überstandenem Haarriss wieder im Kader dabei. Die Königsblauen müssen neben Stürmer Matthew Hoppe (Teilnahme am Gold-Cup) vor allem auf Torhüter Ralf Fährmann (Corona-positiv) verzichten. Trotzdem warnt HSV-Trainer Walter besonders vor Schalkes Gefährlichkeit bei Standards: „Sie haben eine extrem gute Physis. Bei Standards ist Schalke extrem gut.“
Ziemlich viel „extrem“ beim Absteiger, der in der vergangenen Saison gleich 17 (!) Punkte Rückstand auf den Relegationsplatz hatte. Eine Rechnung, die Fuss bis heute nicht begreifen will. „Beim HSV war der Abstieg irgendwann absehbar, bei Schalke bleibt der Abstieg für mich aufgrund der Qualität, die der Kader eigentlich gehabt haben müsste, nicht logisch.“
Wolff Fuss glaubt an den HSV
Doch was ist schon logisch in dieser angeblich „besten Zweiten Liga der Geschichte“? Schalke, fünfmaliger Pokalsieger und Uefa-Pokal-Gewinner, trifft nun im Unterhaus der Bundesliga auf den HSV, sechsmal deutscher Meister, dreimal Pokalsieger. Einen Tag später folgt die Partie zwischen Werder Bremen (Doublesieger 2004) und Hannover 96. Und dann sind da ja auch noch Traditionsvereine wie Fortuna Düsseldorf, 1. FC Nürnberg, St. Pauli oder Dynamo Dresden.
„Es wird schwieriger aufzusteigen als nicht aus der Ersten Liga abzusteigen“, ist sich Fuss sicher. „Es gibt zehn Clubs, denen ich zutraue, dass sie um den Aufstieg mitspielen. Und unter diesen zehn Clubs sind auch Schalke und der HSV.“ Während Schalke für Fuss keinesfalls der Topfavorit ist, zu dem ein Großteil von Fußball-Deutschland den Absteiger erklärt, schätzt Fuss den HSV besser als die meisten Experten ein. „Beim HSV habe ich das Gefühl, dass sie es jetzt begriffen haben.“
Ist HSV-Coach Walter die perfekte Mischung?
Noch immer rätselt der 45-Jährige, der den HSV zuletzt vor mehr als zwei Jahren bei der Pokalnieder- lage gegen RB Leipzig kommentiert hat, über den dreifachen Nichtaufstieg. „Ich habe keinen seriösen Erklärungsansatz, warum man es nach sehr guten Hinrunden hinten heraus nie geschafft hat. Bei Trainern hat der HSV ja alles versucht: jung, erfahren, emotional. Mal schauen, ob Tim Walter nun die perfekte Mischung sein kann.“
Genau darauf hoffen natürlich sämtliche HSV-Anhänger, die allerdings nicht unter den voraussichtlich 25.000 Zuschauern auf Schalke dabei sein können. Gästefans sind von der DFL grundsätzlich erst vom dritten Spieltag an zugelassen. Walter selbst fühlt trotzdem eine „totale Vorfreude“ auf die Partie und verspricht allen HSV-Fans: „Wir werden eine mutige, eine bereitwillige und eine intensive Mannschaft sehen.“
Große Vorfreude auf Schalke vs. HSV
Nun denn. Die Vorfreude ist groß, die Wehmut ist riesig. „So sehr ich mich auf dieses Spiel freue, so sehr blutet mir das Herz, dass diese beiden Clubs in der Zweiten Liga sind“, sagt Fuss, der seit 13 Jahren bei keinem Zweitligaspiel mehr im Einsatz war. An großen Fußball von Schalke und dem HSV in dieser Zeit kann er sich dagegen noch sehr genau erinnern.
„Es ist gerade einmal zehn Jahre her, als ich das Wunder von Mailand kommentiert habe, als Schalke 5:2 gegen Inter gewonnen hat. Ich kann mich auch noch an Champions-League-Spiele mit dem HSV erinnern – oder an die Werder-Wochen 2009. Und nun sind sie alle in der Zweiten Liga.“ Fuss’ Zweitliga-Fazit in zwei Worten: „Sehr bitter.“
Voraussichtliche Aufstellungen:
- Schalke: Langer – Thiaw, Flick, Kaminski – Ranftl, Palsson, Ouwejan – Idrizi, Latza – Terodde, Bülter.
- HSV: Heuer Fernandes – Gyamerah, David, Schonlau, Leibold – Meffert – Kinsombi, Reis – Wintzheimer – Glatzel, Jatta.
- 1. Spieltag: Sonnabend, 13.30 Uhr: Darmstadt – Regensburg, Heidenheim – Paderborn, Dresden – Ingolstadt, Rostock – Karlsruhe; 20.30 Uhr: Bremen – Hannover. Sonntag, 13.30 Uhr: St. Pauli – Kiel, Nürnberg – Aue, Sandhausen – Düsseldorf.