HSV-Trainer Titz gesteht: Pollersbeck patzte wohl wegen neuer Rolle. Warum Talent Ambrosius schon zur Pause ausgewechselt wurde.
Schalke verpflichtet Knäbel
Das ist mal ein Transfer-Hammer: Schalke 04, der nächste HSV-Gegner im Volkspark, hat Peter Knäbel als Nachwuchs-Chef verpflichtet. Das bestätigte der Club am Dienstag. Der frühere Sportdirektor der Hamburger beginnt noch in dieser Woche seine Arbeit in der Nachwuchsabteilung der sogenannten „Knappenschmiede“. Der Chef-Posten war seit dem Rücktritt von Oliver Ruhnert im Juli 2017 vakant. Knäbel soll den Titel Technischer Direktor Entwicklung führen. Zuerst hatte die "Bild" darüber berichtet.
Seine Expertise im Nachwuchsbereich stellte er schon zwischen 2006 und 2009 als Leiter der Nachwuchsabteilung beim FC Basel unter Beweis. Beim HSV bleibt Knäbel vor allem wegen der sogenannten "Rucksack-Affäre" in Erinnerung.
Deshalb glaubt Titz an das Wunder
Von Woche zu Woche schwindet die Hoffnung an den Klassenerhalt des HSV. Auch nach dem Punktgewinn in Stuttgart hat sich der Abstand zum Relegationsplatz nicht verringert. Dass Mainz gegen Gladbach ein 0:0 über die Zeit gebracht hat, liegt vor allem am langjährigen HSV-Torhüter René Adler, der seine Mannschaft in der Nachspielzeit mit einer Glanztat vor einer Niederlage bewahrte.
Damit haben die Hamburger (19 Punkte) weiterhin sieben Punkte Rückstand auf die mittlerweile wohl nur noch in der Theorie einholbaren Wolfsburger und Mainzer (je 26). Die Anzahl der Spiele, in der das Wunder noch gelingen soll, ist auf sechs gesunken. Die Spieler und das Trainerteam glauben trotzdem weiterhin an die Rettung. Doch woher schöpft Christian Titz seine Hoffnung?
„Wenn du mal drei Punkte holst, kannst du auch wieder ein Stück heranrücken. So etwas setzt Kräfte frei und ist auch wichtig für die Psyche, weil Selbstvertrauen dazukommt“, sagt der HSV-Coach, der in seinen beiden ersten Spielen als Bundesligatrainer viel Positives gesehen hat. „Wir wollen aus den beiden Spielen mitnehmen, dass wir zweimal gegen defensiv starke Mannschaften in Führung gegangen sind.“
Patzte Pollersbeck wegen neuer Rolle?
Dass es letztlich nicht zum Sieg reichte, lag auch am Fehler von Torhüter Julian Pollersbeck, der beim Gegentor den Ball nach vorne vor die Füße von VfB-Stürmer Daniel Ginczek abprallen ließ. Für seinen Patzer hat Titz eine kuriose, aber einleuchtende Theorie. „Julian ist 2,7 Kilometer mehr gelaufen als der gegnerische Torwart Zieler. Dadurch verändert sich auch sein Spiel, denn mehr laufen bedeutet mehr Belastung und mehr Stress sowie eine höhere Konzentrationsgabe“, erklärt der HSV-Trainer eine Möglichkeit, wie es zum Fehler beim 1:1 gekommen sein kann. Denn auch in Stuttgart war Pollersbeck als eine Art "Libero" unterwegs und teilweise 40 Meter vor dem Tor anspielbar.
Generell ist Titz mit der bisher gezeigten Leistung seiner neuen Nummer eins zufrieden. „Julian ist ein Wettkampftyp. Er liebt das Spiel mit dem Feuer, dadurch hat er auch ein anderes Selbstvertrauen. Mit dem Ball macht er es sehr gut. Wenn wir diese Spielweise länger trainieren, wird das noch besser bei ihm. Auf der Linie hat er es auch gut gemacht.“
An Titz’ Gesamtbewertung ändert auch das Gegentor, bei dem Pollersbeck nicht gut aussah, nichts. „Beim Gegentor hätte er den Schuss zur Seite abwehren und damit entschärfen können. Dann wäre das Spiel sicherlich anders verlaufen, aber er war der Vorletzte in der Fehlerkette. Das Tor bekommt in der Bewertung nicht einen Schuldigen, es waren mehrere beteiligt“, sagt der Kurpfälzer.
Darum musste Ambrosius zur Pause raus
Bis zum Ausgleich der Schwaben sah es lange Zeit sogar eher nach dem zweiten Tor für den HSV aus. Für Sekundenbruchteile gingen die Hanseaten auch 2:0 in Front – doch der Treffer von Luca Waldschmidt wurde zu Recht wegen Abseits aberkannt. Vorausgegangen war ein Kopfball von Stephan Ambrosius, den VfB-Keeper Ron-Robert Zieler nicht festhalten konnte. Der 19 Jahre HSV-Youngster meldete bei seinem Bundesliga-Debüt gleich mal Nationalstürmer Mario Gomez eine Halbzeit lang ab.
Dennoch wurde Ambrosius, der beim Gegentor eine unglückliche Kopfballvorlage lieferte, zur Pause ausgewechselt. Warum eigentlich? „Stephan sah beim Gegentor unglücklich aus, aber das Tor müssen wir schon vorher zwei- bis dreimal verhindern. Seine Auswechslung hatte nichts mit dem Gegentor zu tun, sondern weil Stuttgart uns vermehrt auf Gideon Jung, einem Rechtsfuß als linken Part der Innenverteidigung, angelaufen hat“, erklärt Titz die taktische Maßnahme.
Kein Kreuzbandriss bei van Drongelen
Für Ambrosius kam zur zweiten Halbzeit Linksfuß Rick van Drongelen ins Spiel. „Wir wollten mit Rick einen Linksfuß bringen, der bei Diagonalbällen den Ball mit seinem ersten Kontakt besser mitnehmen kann“, erklärt Taktiker Titz.
Da Gideon Jung beim kommenden Heimspiel gegen Schalke Gelb-gesperrt fehlen wird, könnte van Drongelen von Beginn an auflaufen – insofern er rechtzeitig fit wird. Denn nach der Partie wurde der Niederlage mit Verdacht auf Kreuzbandriss durch die MRT-Röhre geschoben.
„Es gibt Entwarnung bei ihm. Auch wenn es zunächst danach aussah, hat sein Kreuzband zum Glück nichts abbekommen. Trotzdem hat er eine sehr schmerzhafte Verletzung, weil die Knochen in der 87. oder 88. Minute aneinander gerieben sind. Dadurch hat sich Flüssigkeit im Knie gebildet“, sagt Titz. „Wir müssen bei ihm abwarten, aber unser Arzt hat gesagt, dass er gegen Schalke durchaus spielen kann.“
Abwehrnot beim HSV
Jung fehlt gesperrt, van Drongelen ist fraglich und auch Papadopoulos hat noch Probleme mit der Wade. „Wir hoffen aber, dass er Dienstag wieder einsteigen kann. Er hat seine Qualitäten und wir wären ja wahnsinnig, wenn wir darauf verzichten würden“, sagt Titz.
Bei Abwehr-Notlösung Albin Ekdal ist ein Comeback auf dem Platz weiterhin nicht abzuschätzen. „Die Trainingseinheiten zeigen, dass er noch Zeit benötigt“, sagt der Trainer, der in Talent Ambrosius momentan nur einen fitten Innenverteidiger zur Verfügung hat.
Eine Rückkehr des zur U21 abgeschobenen Mergim Mavraj ist zurzeit dennoch nicht geplant. Titz bleibt hart und konsequent: „Zum jetzigen Zeitpunkt ist das nicht angedacht, weil wir uns mit den Spielern, die wir da haben, beschäftigen.“
Experiment Waldschmidt zeigt: Dem HSV fehlt ein Torjäger
Nicht nur in der Abwehr, auch in der Offensive hakt es personell beim HSV – wenngleich die Ursache eine andere ist. Das Spiel in Stuttgart offenbarte einmal mehr, dass den Hamburgern ein Vollstrecker im Angriff fehlt. „Im Spielaufbau machen wir viele Dinge gut. Wenn wir durchgekommen sind, hat uns die Boxbesetzung gefehlt – zwei, drei Spieler, die torgefährliche Hereingaben verwerten können“, sagt Titz, der mit seinen Spielern intensiv daran arbeiten will, regelmäßiger in den Strafraum einzudringen.
Beim VfB durfte erstmals in dieser Saison Luca Waldschmidt von Beginn an im Sturmzentrum auflaufen. Der 21 Jahre alte Retter der Vorsaison bereitete die Führung durch Holtby vor und hatte auch darüber hinaus einige gute Aktionen. Dennoch wurde deutlich, dass er kein Torjäger ist.
„Wir wussten, dass er ein sehr ballsicherer Spieler ist, bei dem allerdings die Gefahr besteht, dass er sich zwischen den Linien bewegt und dadurch in der Box fehlt. Nach dem 1:1 hatten wir eine richtig gute Möglichkeit, als Luca bei einer Hereingabe nicht richtig hinkommt. Das ist jetzt keine Kritik an Luca, aber bei Stuttgarts Stürmern hätte es wahrscheinlich gegen uns geklingelt“, hadert Titz.
Titz will Fans mit Jugendwahn gewinnen
Wie berichtet, sieht der HSV-Coach die verbleibenden sechs Spiele nicht als Testlauf für die Zweite Liga. Vielmehr habe die Aufstellung der zahlreichen Talente sportliche Gründe. Außerdem würden die Fans den Hamburger Eigengewächsen mehr verzeihen als den Etablierten, die man mit dem jahrelangen Misserfolg verbinde.
„Die Fans haben das Gefühl, dass eine neue Mannschaft mit neuen Gesichtern und einer anderen Spielweise auf dem Platz steht. Das verbinden sie nicht so sehr mit dem Vorherigen, sondern sehen es als etwas Neues an. Dadurch erhalten wir mehr Unterstützung“, erklärt Titz die Vorteile seines Jugendwahns.
Kommentar: Für den HSV geht es jetzt darum, die Fans zu gewinnen
Titz weiter: „Ich bin kein Statistikfreak, aber beim gestrigen Spiel hatten wir in allen Werten eine Verbesserung. Gerade unsere Laufleistung von fast 130 Kilometer – die im Übrigen gar nicht so erwünscht ist, ich hätte viel lieber weniger Laufleistung und dafür mehr Sprints in den einzelnen Zonen – zeigt, wie die Mannschaft den Sieg unbedingt wollte.“
Auf die Frage, ob bei Titz die Hoffnung oder die Überzeugung überwiege, hat der Trainer eine klare Antwort. „So wie ich aufstelle, stellt man nicht auf, wenn man nur Hoffnung hat, sonst würde ich Roulette spielen gehen. Daher überwiegt die Überzeugung.“
Darum flog Jatta aus dem HSV-Kader
Auch wenn der neue HSV-Trainer auf Talente setzt, stand ein Youngster überraschenderweise nicht im Aufgebot. Bakery Jatta war gar nicht erst mit nach Stuttgart gereist. Und das, obwohl der aus Gambier geflüchtete Außenbahnspieler zuletzt viermal in Folge dem Kader angehörte und bei seinen Einsätzen durchaus zu überzeugen wusste.
„Es war eine ganz knappe und schwierige Entscheidung, über die wir lange Zeit gegrübelt haben. Ich brauchte letztlich aber einen Innen- und einen Außenverteidiger, Janjicic als zweikampfstarken Sechser, Hahn nach einer guten Trainingswoche als Konterspieler und Fiete Arp für den Angriff auf der Bank“, erklärt Titz die Maßnahme, Jatta zu Hause zu lassen. „Ich hätte ihn am liebsten auch mitgenommen, weil er mit seiner Wucht auch Qualitäten hat. Es hat ihn jetzt einmal getroffen, das hat aber keine Auswirkung für das nächste Spiel.“
Titz lobt Gouaidas Unberechenbarkeit
Statt Jatta war ein anderer Youngster erstmals seit drei Jahren wieder bei den Profis dabei. Mohamed Gouaida gab sein Bundesliga-Comeback im rechten Mittelfeld. Titz’ Vorgänger konnten mit dem Tunesier, der sich auch bei seinen Leihgeschäften in der Zweiten Liga beim KSC oder in der Schweiz bei St. Gallen nicht durchgesetzt hatte, nichts anfangen. Doch plötzlich läuft der 24-Jährige wieder in Deutschlands höchster Spielklasse auf.
Wie ist das zu erklären? „Es gibt im Fußball ganz viele unterschiedliche Meinungen zu Spielern. Bei Mo muss man erstmal lernen, ihn zu positionieren und Klarheit in sein verschnörkeltes Spiel zu bringen. Diese Aufgabe hat er über Monate gut angenommen“, erklärt der Trainer seine besondere Rolle im Fall Gouaida.
Titz weiter: „Er hat eine sehr, sehr gute Technik und Ballkontrolle, agiert häufig zwischen den Räumen und bewegt sich überall und nirgendwo – das meine ich nicht negativ, denn seine Unberechenbarkeit hilft uns weiter. Er hat es in Stuttgart mit dem Ball teilweise gut gemacht, ein paar Sachen haben mir aber nicht gut gefallen. Er hätte noch häufiger zwischen die Ketten gehen können.“
Fehlt also doch die Qualität bei Gouaida? „Er hat seine Qualitäten und weiterhin Chancen bei uns. Man darf auch nicht vergessen, dass es sein erstes Spiel nach langer Zeit war. Dazu kommt, dass wir momentan ganz außergewöhnliche Spiele spielen, weil wir jedes Spiel gewinnen müssen“, sagt Titz.
So geht Titz mit Reservisten um
Natürlich weiß der bisherige U21-Trainer, dass er nicht ausschließlich Talente aufstellen kann. Einer der erfahrenen Spieler, die noch eine Rolle spielen, ist kurioserweise einer, der in der bisherigen Saison komplett außen vor war. Lewis Holtby, privat mit Titz befreundet, ist seit dem Trainerwechsel wieder gesetzt im Mittelfeld.
„Er ist ein Paradebeispiel dafür, wie wichtig Vertrauen für einen Spieler ist – das trifft auf jeden Spieler zu“, sagt Titz. „Vertrauen verbinden man natürlich immer sehr stark damit, ob man spielt oder nicht. In meinem Fall versuche ich zumindest diese Problematik damit aufzufangen, indem ich das Gespräch mit den Reservisten suche und ihnen zeige, wo sie sich verbessern können. Man muss aber damit leben, dass ein Spieler, der nicht spielt, unzufrieden ist.“
Holtby muss auch Kritik einstecken
Trotz seines Tores war Titz aber nicht voll des Lobes über Holtby. Vor allem, dass sich der Achter häufiger ins defensive Mittelfeld an die Seite von Matti Steinmann fallen ließ, missfiel dem HSV-Coach: „Das war nicht gewollt und auch unser Problem. Obwohl wir Stuttgart kontrolliert haben, haben sich beide Achter fallen lassen, anstelle die Zwischenräume zu besetzen. Das sollten sie eigentlich nur machen, wenn sich beide Sechser von Stuttgart in den Angriff einschalten. Lewis hat das oftmals in Situation gemacht, in denen es nicht von Vorteil war. Wir hatten dadurch Ballbesitz, aber es fehlte uns an Durchschlagskraft.“