Hamburg. HSV-Trainer Tim Walter hat mitbekommen, dass die Kritik an seiner Spielweise wieder lauter geworden ist.

Maximilian Beister spricht noch in der Wir-Form, wenn es um den FC Ingolstadt geht. „Wir können befreit aufspielen“, sagt der 31-Jährige, als er am Dienstagmittag in seiner Wohnung in der bayerischen Donau-Stadt sitzt und sich via Zoom in den Abendblatt-Podcast „HSV – wir müssen reden“ einwählt. Doch spielen tut Beister schon seit vier Monaten nicht mehr für den FCI. Auch nicht am Sonnabend (13.30 Uhr), wenn sein Heimatclub HSV im Audi-Sportpark auf seine Ingolstädter trifft.

Insofern ehrt es den gebürtigen Hamburger, dass er noch immer von „wir“, „uns“ und „meiner Mannschaft“ spricht. Bis zum 30. Juni ist Beister zwar noch beim FC Ingolstadt angestellt. Doch schon im Januar wurde er dort aussortiert.

Geschäftsführer Dietmar Beiersdorfer und Sportdirektor Malte Metzelder hatten Beister in der Winterpause trotz laufenden Vertrags mitgeteilt, dass er ab sofort bei den Profis keine Rolle mehr spielen werde. Ausgerechnet Beiersdorfer. Der langjährige HSV-Manager war schon einmal der Verantwortliche, als Beister im Sommer 2015 die Nachricht erhielt, dass er im Volkspark keine Zukunft mehr haben würde. Eine Entscheidung, die ihm lange wehgetan hat. „Mein Abschied beim HSV war die negativste Erfahrung meiner Karriere. Nach meiner Rückkehr wollte ich meine Karriere dort fortführen und auch beenden“, sagt Beister fast sieben Jahre später.

Ex-HSV-Profi nimmt Ausbootung sportlich

Das frühere HSV-Talent spielte zwischenzeitlich in Mainz, bei 1860 München, in Melbourne, beim KFC Uerdingen und seit 2019 in Ingolstadt. Beister hat viel erlebt. Sportliche Rückschläge gab es viele. Sie haben ihn abgehärtet. Die Nachricht, dass es in Ingolstadt nicht mehr weitergeht, hat ihn daher nicht so schwer getroffen wie sein Aus beim HSV. „Ich habe Ingolstadts Entscheidung sportlich genommen und gehe nicht im Groll“, sagt Beister, der im Hinspiel beim 3:0 des HSV noch dabei war.

Das Rückspiel am Sonnabend guckt Beister nur am Fernseher. Seit dem vergangenen Wochenende steht fest, dass Ingolstadt in der kommenden Saison wieder in der Dritten Liga spielt. Und obwohl der Flügelstürmer seit Januar kein Spiel mehr gemacht hat, tut ihm der Abstieg weh. Mit Fortuna Düsseldorf (2012), Uerdingen (2018) und Ingolstadt (2021) hatte Beister bis dahin nur Aufstiege erlebt. „Es ist ein schwarzer Fleck auf meiner weißen Weste. Das ist nicht schön. Das gebe ich offen und ehrlich zu. Aber auch das muss ich als Erfahrung in meiner Karriere mitnehmen.“

Ex-HSV-Profi Maximilian Beister (r., gegen Miro Muheim) war beim Hinspiel noch dabei.
Ex-HSV-Profi Maximilian Beister (r., gegen Miro Muheim) war beim Hinspiel noch dabei. © Witters | Unbekannt

Drei Spieltage vor Schluss steht Ingolstadt als erster Absteiger fest. Für die Schanzer geht es in den kommenden Wochen sportlich also um nichts mehr. Eine gute Nachricht für den HSV ist das aber nicht – meint zumindest Maximilian Beister: „Nach dem nun feststehenden Abstieg ist der Druck weg. Deswegen könnte es für den HSV schwerer werden als möglicherweise erhofft. Wenn rechnerisch nichts mehr möglich ist, dann klappen im Spiel manchmal Dinge, die sonst nie klappen“, sagt Beister. Trotzdem sieht er seinen Ex-Club am Ende vorn. „So ehrlich muss man schon sein: Der HSV ist der klare Favorit. Grundsätzlich erwarte ich, dass der HSV das Spiel gewinnen wird.“

Keinen Plan B beim HSV? Walter wehrt sich

Dem HSV könnte entgegenkommen, dass sich Ingolstadt vermutlich nicht nur tief in der eigenen Hälfte positioniert, sondern mit seinen jungen Offensivspielern mutig Fußball spielt. Genauso wie es auch HSV-Trainer Tim Walter von seiner Mannschaft verlangt. Dass die Kritik an seiner Spielidee nach dem Pokal-Aus gegen Freiburg und der chaotischen Anfangsphase beim 4:2 in Regensburg wieder lauter geworden ist, hat Walter mitbekommen.

Am Dienstag wehrte er sich. „Wir gehen unseren Weg, und den versuchen wir weiter durchzuziehen. Wir sind sehr variabel“, sagte Walter zu den Vorwürfen, dass in seinem System ein Plan B fehlen würde. „Wo ist Plan B bei Bayern München? Bei Manchester City? Die haben bei Plan A auch verschiedene Varianten drin und versuchen, Plan A besser umzusetzen.“

Beisters Herz hängt noch am HSV

Maximilian Beister würde sich für seinen ehemaligen Club freuen, wenn er noch die Rückkehr in die Bundesliga schafft. „Ich wünsche mir, dass der HSV in den letzten drei Spielen in Ruhe arbeiten kann. Wenn ich mir das Restprogramm anschaue, ist alles möglich. Der HSV muss natürlich auf Ausrutscher der anderen hoffen“, sagt Beister, dem anzumerken ist, dass sein Herz noch am HSV hängt.

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Mit 13 Jahren kam er einst vom VfL Lüneburg in den Nachwuchs, elf Jahre blieb er beim HSV. Als sein Stern bei Fortuna Düsseldorf aufging, gab es sogar mal eine Anfrage von Borussia Dortmund. Doch nach seiner schweren Knieverletzung im Trainingslager 2014 mit dem HSV in Abu Dhabi, Kreuzbandriss samt Meniskus- und Knorpelschaden, wurde er nicht wieder der Alte.

Mit 31 sieht sich Beister aber noch nicht am Ende seiner Karriere, obwohl er schon seit Jahren nach links und rechts schaut und als Unternehmer Erfahrungen sammelte. Aktuell hat er eine Marke für Straßenkleidung ins Leben gerufen. Doch die Karriere nach der Karriere muss noch etwas warten. „Ich bin ja noch Profi“, sagt Beister, der ab Juli bei einem neuen Verein sein neues Glück versuchen will. Nach all den Höhen und Tiefen seiner Laufbahn ist er gelassener geworden. „Das Leben als Fußballer ist Fluch und Segen zugleich“, sagt Beister, der von diesem Leben aber noch nicht genug hat. Der Anker ist noch nicht in seinem Heimathafen. „Ich gucke mal, wo mich das Schiff hintreibt.“