Hamburg. Die Finanzlage beim HSV ist weiterhin angespannt. Dabei kassieren manche vor Jahren freigestellten Mitarbeiter weiter hohe Summen.
Am Mittwoch erhielten alle Mitarbeiter des HSV Post. Absender der E-Mail: der Vorstand. Inhalt: neue Sparmaßnahmen angesichts der angespannten finanziellen Situation. „Was uns allen die aktuelle Corona-Lage leider immer wieder verdeutlicht, ist, dass die enormen wirtschaftlichen und finanziellen Auswirkungen der Corona-Pandemie für unsere Organisation noch längst kein Ende haben und wir daher in den kommenden Monaten einen noch einmal verstärkten Sparkurs fahren müssen“, schreiben die Vorstände Thomas Wüstefeld und Jonas Boldt in der Mail.
Konkret geht es um ein Kontroll- und Freigabelimit für jegliche Ausgaben oberhalb der Grenze von 500 Euro. Bislang lag diese noch bei 1000 Euro. „Das heißt für jeden Bereich und für jede Abteilung, dass sämtliche Ausgaben und geplanten Investitionen auf dem Prüfstand stehen und einer neuerlichen Prüfung unterzogen werden müssen“, schreiben Wüstefeld und Boldt.
HSV heute: Corona-bedingte Einnahmeverlusten
Bei den Mitarbeitern auf der Geschäftsstelle und im Nachwuchs dürfte spätestens mit dieser Mail klar geworden sein, wie angespannt die finanzielle Lage des Clubs angesichts noch immer begrenzter Zuschauerkapazitäten ist – trotz der Erhöhung auf 10.000 Zuschauer am Sonnabend gegen den FC Heidenheim (noch wenige Karten im freien Vorverkauf erhältlich). Und die Sorgen, dass es bei unveränderten Einnahmeverlusten durch die Corona-Pandemie zu einem Personalabbau kommen könnte, dürften nicht kleiner geworden sein.
Wie schwierig es ist, sich von Mitarbeitern zu trennen, ist dem HSV allerdings auch bewusst. Die ständige Freistellung von Angestellten hat den Club in den vergangenen Jahren in die finanzielle Situation gebracht, in der er heute steckt. Die meisten Trainer, Manager oder auch Spieler können aufgrund begrenzter Vertragslaufzeiten zwar irgendwann von der Gehaltsliste gestrichen werden – so wie in dieser Woche mit dem vor zehn Monaten freigestellten Chefcoach Daniel Thioune. Bei vielen Mitarbeitern mit unbefristeten Verträgen ist das jedoch nicht so einfach.
Freigestellte Mitarbeiter stehen weiter auf der HSV-Gehaltsliste
Bestes Beispiel ist Stefan Wächter. Der ehemalige Torwarttrainer des HSV wurde vor vier Jahren im Zuge der Entlassung von Chefcoach Bernd Hollerbach freigestellt. Ein Jahr zuvor war sein Vertrag noch gemeinsam mit dem damaligen Trainerteam um Markus Gisdol bis 2019 verlängert worden. Doch während Gisdol sowie seine Co-Trainer Frank Kaspari und Frank Fröhling nach Ende der Vertragslaufzeit nicht mehr bezahlt werden mussten, blieb Wächter bis heute auf der Gehaltsliste des HSV. Jährlich zahlt der Club dem 43-Jährigen angeblich rund 100.000 Euro.
Wächter klagte nach seiner Entlassung vor dem Arbeitsgericht auf einen unbefristeten Vertrag – und bekam recht, da er bereits seit 2004 im Nachwuchs des HSV tätig war. Durch die mehrfache Verlängerung seines Vertrags hatte er rechtlich gesehen einen Anspruch auf ein unbefristetes Arbeitsverhältnis. Mehrfach trafen sich die Parteien vor Gericht. Wächter hätte zwischenzeitlich gerne wieder als Torwarttrainer für den HSV gearbeitet – doch das wollten die Verantwortlichen nicht.
HSV und Ex-Torwarttrainer Wächter trafen sich vor Gericht
Sportvorstand Jonas Boldt bot dem ehemaligen Profikeeper des HSV (2001– 2007) stattdessen eine neue Position an. Sein Angebot: eine Stelle im Scouting sowie die verantwortliche Kommunikation mit den Leihspielern – aber eben auch mit weniger Gehalt und einer begrenzten Vertragslaufzeit. Wächter lehnte ab. Zumal in seinem Vertrag verankert sein soll, dass er nur als Torwarttrainer arbeitet. Seitdem der Fall vor Gericht geklärt wurde, ist nichts mehr passiert. Der HSV muss Wächter weiter bezahlen, lässt die Ressource aber auch ungenutzt.
Gleiches gilt für andere Mitarbeiter im Club. Anders als noch vor vier Jahren, als der HSV gleich eine ganze Elf von freigestellten Mitarbeitern bezahlte, hat Boldt ein paar Beschäftigte wieder eingebunden. Soner Uysal, den Boldts Vorgänger Ralf Becker 2018 freigestellt hatte, ist seit einiger Zeit wieder Co-Trainer der U 21. Der frühere Chefscout Michael Schröder (62), der unter dem ehemaligen Kaderplaner Johannes Spors keine Rolle mehr spielte und dem schon mehrfach gekündigt werden sollte, ist mittlerweile wieder ins Scouting unter der Leitung von Claus Costa eingebunden. Aufgrund seiner langen Anstellung im HSV wäre eine Trennung von Schröder sehr teuer geworden.
Auch Hrubesch hat Probleme mit freigestellten Mitarbeitern
Ähnliche Probleme hatte auch Horst Hrubesch (70). Der Nachwuchsdirektor trennte sich im Campus unter anderem vom sportlichen Leiter Sebastian Harms und von U-19-Trainer Daniel Petrowsky. Deren Abfindungen haben dem HSV im vergangenen Jahr viel Geld gekostet. Beide hatten unbefristete Verträge. Einen Anspruch darauf hat auch der vor vier Wochen freigestellte U-17-Trainer Tobias Kurbjuweit. Die meisten dieser Fälle landen bei Horst Kletke, dem Anwalt für Sport- und Arbeitsrecht.
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Auch Kurbjuweits Vertrag dürfte nur mit einer Abfindung aufzulösen sein. Genau wie der von Florian Graudegus. Den früheren Nachwuchskoordinator hatte Hrubesch vor einem Jahr von dessen Aufgaben entbunden und stattdessen die Stelle Marktanalyse Sport geschaffen, um den langjährigen Mitarbeiter zu beschäftigen. Eine Abfindung dürfte den HSV angesichts der neuen Sparmaßnahmen schmerzen, langfristig aber auch Kosten verringern.
Wechselnde Personalpolitik bringt den HSV in Not
Durch seine wiederkehrenden Kurs- und Personalwechsel bringt sich der HSV immer wieder selbst in die Situationen, dass Arbeitsverhältnisse juristisch geklärt werden müssen. Es entstehen unnötige Kosten und Frust bei langjährigen Mitarbeitern, die sich nicht mehr wertgeschätzt fühlen. Nicht selten mit der Folge, dass diese nach einer Freistellung auf der Gehaltsliste bleiben.
Wie die Mitarbeiter auf der Geschäftsstelle auf den neuen Sparkurs reagieren, bleibt abzuwarten. „Wir setzen auf euer Verständnis“, schreibt der Vorstand am Ende der Mail. Nicht jeder dürfte das aufbringen.