Hamburg. Der HSV verpasst beim 2:2 gegen Darmstadt die Trendwende. Neuzugänge allein werden das System des Trainers nicht stabilisieren.

Als der Bremer Schiedsrichter Sven Jablonski am Sonntagnachmittag das Spiel in Hamburg abpfiff, gab es Pfiffe von allen Seiten. Die HSV-Fans unter den 17.950 Zuschauern im Volksparkstadion waren unzufrieden. Ob sich ihr Unmut gegen den Schiedsrichter richtete oder nur gegen ihre eigene Mannschaft, war nicht klar zu definieren. In jedem Fall waren die Hamburger Anhänger unzufrieden mit dem Ergebnis.

Das 2:2 des HSV gegen Darmstadt 98 war das zweite Heimspiel ohne Sieg. Es war ein vor allem in der ersten Halbzeit wildes Fußballspiel, das in der zweiten Halbzeit in beide Richtungen hätte ausschlagen können. „Ich glaube, dass wir vorwärtskommen“, sagte Kapitän und Torschütze Sebastian Schonlau. „Wir müssen einfache Fehler abstellen, dann sieht es wieder ganz gut aus.“

HSV verpasst gegen Darmstadt Trendwende

Aktuell sieht es vor allem auf dem Punktekonto noch nicht so gut aus. Für den HSV war es nach dem 1:1 gegen Dresden das zweite Unentschieden im zweiten Heimspiel. Die erhoffte Trendwende nach der Niederlage im Stadtderby beim FC St. Pauli blieb aus. Fünf Punkte nach vier Spielen sind zudem der schwächste Start im vierten Zweitligajahr. Entsprechend ist auch Trainer Tim Walter mit der bisherigen Ausbeute alles andere als glücklich.

„Mit den Punkten sind wir nicht zufrieden. In der Art und Weise tasten wir uns langsam heran“, sagte Walter nach einem wechselhaften HSV-Spiel, das die Diskussionen über den Kader, aber auch seine Spielidee nicht gerade weniger werden lassen. Nach vier Spielen wurde auch gegen Darmstadt deutlich: Der HSV-Kader ist in dieser Form nicht gut genug, um dem Anspruch als Aufstiegskandidat gerecht zu werden.

HSV-Profi Opoku vor Wechsel nach Osnabrück?

Die sportlichen Verantwortlichen stehen in einer Zwickmühle. Einerseits wollen sie den jungen Spielern die nötige Zeit geben, sich zu entwickeln. Andererseits hat der HSV keine Zeit, um sich in dieser verrückten und ausgeglichenen Liga in Ruhe zu finden. Sportvorstand Jonas Boldt und Sportdirektor Michael Mutzel werden noch etwas tun. Mit Aaron Opoku (22) wird ein Jungprofi den HSV vermutlich noch verlassen. Der Flügelstürmer steht nach Abendblatt-Informationen vor einem erneuten Leihwechsel. Ein Kandidat ist Drittligist VfL Osnabrück. Und auch Toni Leistner soll den HSV verlassen, zwei Neue sollen noch kommen.

„Wir müssen geduldig sein“, sagte Walter und bat die ungeduldigen Fans, die gegen Ende der zweiten Halbzeit immer unruhiger wurden, um Zeit. „Unsere Fans haben uns nach vorne gepusht. Aber wir haben uns am Ende zu sehr pushen lassen und den Kopf verloren“, sagte Walter, nachdem sich seine Mannschaft in der Schlussphase beinahe noch auskontern ließ. Der HSV-Trainer kann sich ausmalen, welche Diskussionen es gegeben hätte, wenn Darmstadts Phillip Tietz kurz vor Schluss noch das 3:2 erzielt hätte.

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Schon so musste sich Walter nach dem Spiel einige Nachfragen anhören, warum seine Mannschaft auch gegen Darmstadt so viele Großchancen zugelassen und Tietz zwei Tore ermöglicht hatte. Walters Erklärung: „Wir setzen unsere Euphorie in der Offensive noch nicht in Euphorie für die Bereitschaft in der Defensive um“, analysierte der Trainer.

HSV fehlt Kreativität im Mittelfeld

Walter hatte als Konsequenz aus dem Derby mit dem jungen Anssi Suhonen, Maximilian Rohr sowie Moritz Heyer für den angeschlagenen Jan Gyamerah drei Veränderungen in seiner Startelf vorgenommen. Neuzugang Ludovit Reis und David Kinsombi mussten dafür auf die Bank. Suhonen und Rohr spielten auf den Achter-Positionen im zentralen Mittelfeld. Obwohl die beiden ihre Aufgabe ordentlich machten, wurde der Qualitätsunterschied zur vergangenen Saison auf dieser Position deutlich. Damals spielten noch Aaron Hunt, Jeremy Dudziak oder Amadou Onana in der Zentrale.

Den Hamburgern fehlt es noch an Kreativität. Auch gegen Darmstadt hatte der HSV Probleme, dem Gegner sein Spiel aufzudrücken. Auf schnelle Spielzüge in der Offensive folgten immer wieder Ballverluste und Fehlpässe, die für große Unruhe sorgten. „Unsere Idee, wie wir den HSV bespielen wollen, ist aufgegangen“, sagte Darmstadts Trainer Torsten Lieberknecht. Mit dem erst eine Woche zuvor vom HSV geholten Klaus Gjasula machte Lieberknecht das Zentrum dicht und wartete auf Konterchancen und HSV-Fehler.

Und die kamen. Zunächst ging Darmstadt durch einen Elfmeter in Führung, nachdem Jonas David im Zweikampf gegen Tietz gedanklich einen Moment zu langsam war und den Stürmer foulte. Tietz trat selbst an und traf (14.). Fünf Minuten später hätte es 0:2 stehen können, als Heyer bei einem Rückpass patzte und Torhüter Daniel Heuer Fernandes gerade noch klären konnte.

HSV bleibt anfällig für Gegentore

Dann begann die stärkste Phase des HSV, in der Walters Team das Spiel drehte. Und jeweils war es der spielfreudige Sonny Kittel, der mit zwei Freistößen die Tore einleitete. Zunächst traf Kapitän Sebastian Schonlau per Kopf (30.), 15 Minuten später landete Kittels Hereingabe über einen Umweg bei Jonas Meffert, dessen Schuss Heyer elegant mit der Hacke über die Linie beförderte (45.+1). Trotzdem blieb der HSV weiter anfällig. Noch vor der Pause stellte Tietz nach einem Pfostenschuss per Kopfballabstauber auf 2:2. Es war eine Halbzeit, die alle Facetten des Walter-Systems offenbarte.

Im zweiten Durchgang schaffte es der HSV, etwas Ruhe ins Spiel zu bekommen, nur eben nicht mehr, ein weiteres Tor zu schießen. Die größte Chance vergab Suhonen aus kurzer Distanz (62.). Aber auch Darmstadt hätte das Spiel durch einen Konter noch entscheiden können. „Wenn das Spiel 7:4 ausgeht, kann sich keiner beschweren“, sagte Walter. Was er nicht sagte: Es hätte eben auch 4:7 ausgehen können. Die Anfälligkeit für Gegentore bleibt das größte HSV-Problem. Die Erkenntnis der ersten vier Spiele: Walter muss sein System stabilisieren. Sonst werden auch weitere Neuzugänge nicht helfen.