Hamburg. Der nächste Cheftrainer startet im Volkspark mit einem speziellen Triathlon. Stößt noch ein schneller Außenbahnspieler zum HSV?
Die Stimme war heiser, als Tim Walter am Freitag um 14.30 Uhr den Trainingsplatz im Volkspark verließ. 90 Minuten lang hatte der neue HSV-Trainer mit seiner neuen Mannschaft zuvor auf dem Platz gearbeitet. Bei 34 Grad kam nicht nur der Chefcoach ins Schwitzen. „Es ist schön, wieder auf dem Platz zu stehen und die Jungs leiden zu sehen“, sagte Walter und nahm einen Schluck aus der Wasserflasche.
Eineinhalb Jahre lang hatte der 45-Jährige nach seiner Freistellung beim VfB Stuttgart im Dezember 2019 pausiert. Die Zeit hat der Coach genutzt, um an seinem Profil zu arbeiten. „Ich bin ein anderer Trainer geworden“, sagte Walter, der nach seinem Aus in Stuttgart selbstkritisch an seiner Art und Weise gearbeitet hat. Als Person, aber auch an der Spielweise.
„Ich hatte viel Zeit zu reflektieren und nachzudenken. Man lernt nie aus. Es ist wichtig, sich zu hinterfragen. Wer immer alles gleich macht, kommt nicht weiter. Wer nach hinten guckt, wird langsamer“, sagte Walter und gab damit die neue Richtung des gesamten HSV vor. Der Club will mutiger sein. Auf und abseits des Platzes.
HSV: Boldt fordert einen mutigen Walter
„Ich erwarte mir vom Trainer, dass er genau das einbringt, was ihn stark macht. Das ist vor allem Mut. Und den brauchen wir auch als gesamter Verein“, sagte Sportvorstand Jonas Boldt, während Walter hinter ihm seine erste Einheit leitete.
Boldt und Walter hatten in den vergangenen Monaten immer wieder Kontakt gehalten. Walter schaute sich viele HSV-Spiele im Fernsehen an und konnte seine künftige Mannschaft schon beobachten. Nun arbeiten Boldt und Walter gemeinsam an einer neuen HSV-Identität. „Wir müssen davon wegkommen, nur zu verwalten“, sagte Boldt.
Genau für dieses Vorhaben hat er Walter ausgewählt. Der selbstbewusste Trainer hat gelernt. Grundsätzlich verändern wird er sich aber nicht. Er will auch mit dem HSV mutigen Fußball spielen. „Vielleicht ein bisschen abgeschwächter, ein bisschen einfacher“, so Walter. Die Mannschaft müsse ihr Spiel vor allem gegen den Ball verbessern.
HSV-Torhüter: Walter lobt Heuer Fernandes
Seinen Ballbesitz-Fußball mit einem mutigen Aufbauspiel über den Torwart will Walter aber beibehalten. Und deutet an, dass Daniel Heuer Fernandes wieder gute Chancen hat, die Nummer eins im HSV-Tor zu werden. Der 28-Jährige, der in der vergangenen Saison Sven Ulreich Platz machen musste, ist genau der Torwart, den sich Walter wünscht.
„Ferro ist ein super Fußballer. Wer mein Spiel kennt, der weiß, dass ich einen Torhüter benötige, der mutig ist und das Fußballspiel von hinten heraus vorlebt“, sagte der Trainer. Trotzdem ist der HSV noch auf der Suche nach einem neuen Torwart, der mit Heuer Fernandes in die Konkurrenz geht.
HSV: Reis soll kommen, Narey ist weg
Auch einen neuen Mittelstürmer suchen Boldt und Sportdirektor Michael Mutzel noch. Mit dem Niederländer Ludovit Reis (21), zuletzt vom FC Barcelona an den VfL Osnabrück verliehen, soll ein spielstarker Mittelfeldmann kommen. Möglicherweise auch noch ein schneller Außenbahnspieler.
Mit Khaled Narey verlässt ein Flügelstürmer den HSV. Der 26-Jährige löste am Freitag seinen noch bis 2022 laufenden Vertrag auf und geht mit einer Abfindung. Nach Gideon Jung, Rick van Drongelen, Bobby Wood und Aaron Hunt ist Narey der fünfte langjährige Spieler, der in Hamburg Tschüs sagt. „Manchmal ist es besser, sich zu verändern und bei null anzufangen“, sagte Boldt, der den Veränderungsprozess beim HSV auf allen Ebenen vorantreibt.
Wehmeyer will neuer Vizepräsident werden
Eine überraschende Veränderung könnte es auf der Ebene des HSV e. V. geben. Während Walter sein erstes Training leitete, gab Marcell Jansen bekannt, bei der Mitgliederversammlung am 7. August erneut für das Amt des Vereinspräsidenten anzutreten.
Überraschend war die Nachricht, wen Jansen für sein Team gewinnen konnte: Bernd Wehmeyer. Der langjährige Clubmanager, der 1983 mit dem HSV den Europapokal der Landesmeister gewann, könnte neben Michael Papenfuß einer der zwei neuen Vizepräsidenten werden. Ein kluger Schachzug von Jansen, der es Gegenkandidaten (die Frist endete am Freitag um 23.59 Uhr) schwer machen dürfte, sein Team in dieser Konstellation zu schlagen.
HSV erwartet weitere Spieler zurück
Wer den HSV in der Zweiten Liga schlagen wird, hängt noch davon ab, wen Boldt und Mutzel nach Sebastian Schonlau, Jonas Meffert und Miro Muheim noch verpflichten werden. In der Konstellation, in der die Hamburger am Freitag in die Vorbereitung starteten, wird es in der starken Zweiten Liga schwer werden.
Walter gibt sich mit dem aktuellen Kader aber zufrieden und freut sich, dass in den kommenden Tagen Jan Gyamerah und David Kinsombi (jeweils Schrauben operativ entfernt) und Toni Leistner (überstandene Corona-Infektion) wieder dabei sind und auch die U-Nationalspieler Josha Vagnoman und Amadou Onana in Kürze aus ihrem verlängerten Urlaub zurückkehren werden. „Wir haben Ziele“, sagte Walter nach einem 20-minütigen Interview-Triathlon.
Boldt wiederholte, was Walter schon bei seiner Vorstellung sagte: „Wir treten nicht an, um wieder Vierter zu werden.“