Hamburg. Gegen den KSC steht der Ballbesitz-Fußball von Trainer Tim Walter auf dem Prüfstand. Club sucht Neuzugänge für die Offensive.
Tim Walter war Trainer in der U 15 des Karlsruher SC, als Christian Eichner dort noch für die Profis spielte. Drei Jahre lang liefen sich die heutigen Fußballlehrer aus Baden-Württemberg auf dem Trainingsgelände des KSC fast täglich über den Weg. Fast 15 Jahre ist das schon her. Heute sind Walter (46) und Eichner (39) Cheftrainer in der Zweiten Liga und treffen sich an diesem Sonnabend im Volksparkstadion (20.30 Uhr/Sky/Sport1 und Abendblatt-Liveticker) bereits das vierte Mal in der laufenden Saison zum direkten Duell zwischen dem HSV und dem KSC.
Nach dem Hinspiel in der Liga (1:1), dem Testspiel in der Winterpause (3:1) und dem dramatischen DFB-Pokal-Viertelfinale (3:2 i. E.) steht nun das Rückspiel an. Während es für den KSC nur noch um die bestmögliche Platzierung in der TV-Tabelle geht, hat der HSV zumindest noch ganz theoretische Chancen, Platz drei zu erreichen. Doch daran glaubt selbst im Volkspark kaum noch jemand.
Findet der HSV mit Walter bessere Lösungen?
Und so wird die Partie gegen Karlsruhe für den HSV nicht nur eine Art Generalprobe für die historische Chance im Pokal-Halbfinale am Dienstagabend (20.45 Uhr) gegen den Bundesligisten SC Freiburg, sondern auch ein weiterer Versuch, mit dem Ballbesitz-Fußball von Trainer Walter einen Gegner zu bespielen, der stellvertretend steht für so viele Mannschaften in der Zweiten Liga, gegen die der HSV in den vergangenen vier Jahren regelmäßig die gleichen Probleme hatte.
Walter weiß, was auf ihn zukommt. Und das liegt nicht daran, dass er sein Gegenüber Christian Eichner noch so gut aus Karlsruhe kennt. Sondern weil der KSC das gleiche machen wird, was fast alle Vereine gegen den HSV machen. „Entweder sie stehen ganz tief oder sie stellen Abstöße zu und pressen situativ. So versucht jeder Trainer gegen uns zu justieren. Es kommt nichts, was uns überrascht“, sagte Walter vor dem Spiel.
Das Problem bei der Sache: Auch der HSV unter Walter überrascht die Gegner nicht. Oder zumindest nicht mehr. Alle Mannschaften wissen mittlerweile, was die Hamburger vorhaben. Und machen es sich taktisch einfach. So wie zuletzt der SC Paderborn und Holstein Kiel bei ihren Siegen gegen den HSV. Zwei Mannschaften, die in der ligaweiten Ballbesitz-Statistik auf Platz zwei (Kiel/54 Prozent) und vier (Paderborn/52 Prozent) liegen. Gegen den HSV, der mit durchschnittlich 62 Prozent Ballbesitz in dieser Wertung mit Abstand vorne liegt, reichten aber jeweils nur 30 Prozent Spielanteile, um den HSV zu besiegen.
Walter spielt um seine Zukunft beim HSV
Wie können die Hamburger dieses wiederkehrende Problem lösen? Etwas anders als dominanten Ballbesitzfußball – so heißt es immer wieder aus der Chefetage – würden die Zuschauer beim HSV nicht akzeptieren. Aber warum eigentlich nicht? Und wer sagt das eigentlich? Schließlich gibt es noch Mittelwege zwischen purer Ballbesitz-Dominanz und einer Mauertaktik mit dem Plan, zu kontern oder auf zweite Bälle zu gehen.
Ein wenig mehr taktische Variabilität, das wurde zuletzt offensichtlich, würde dem Spiel des HSV guttun. Gleichbedeutend mit Erfolg wäre diese aber auch nicht. In der vergangenen Saison veränderte Trainer Daniel Thioune fast wöchentlich Aufstellung und taktische Ausrichtung, um variabel zu sein und den Gegner zu überraschen. Am Ende hieß es von Sportvorstand Jonas Boldt nach der Freistellung, Thioune habe überdreht. Das Heimspiel gegen den Karlsruher SC (1:1) im April sollte Thiounes letztes sein. Es war der 31. Spieltag.
Nun steht auch dessen Nachfolger Tim Walter gegen den KSC – diesmal ist es der 30. Spieltag – vor entscheidenden Tagen. Kriegt der 46-Jährige im Volkspark noch einmal die Kurve? Die kommenden Spiele werden darüber Aufschluss geben, ob dem Badener in der kommenden Saison von der HSV-Führung ein neuer Anlauf zugetraut wird, seine Spielidee weiterzuentwickeln.
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HSV sucht zwei Flügelspieler
Die „Sportbild“ berichtete in dieser Woche darüber, dass der eine oder andere Spieler sich in Walters System überfordert fühle. Das bestreitet der Trainer auch gar nicht. „Es ist normal, dass Spieler vorgeprägt sind durch einen anderen Trainer, der vorher da war. Dann haben sie viele Fragezeichen im Kopf. Das ändert sich nicht in einem halben Jahr. Das ändert sich erst, wenn du eine gewisse Zeit zusammen bist“, sagt Walter und betreibt mit diesen Worten Eigenwerbung. Was seine Mannschaft also besser machen müsse? „Wir müssen Lösungen haben, wenn der Gegner tief steht. Die haben wir. Es geht jetzt darum, zu vollenden und den Punch zu setzen.“
Die Suche nach Lösungen betrifft beim HSV aber bei Weitem nicht nur die Taktik des Trainers. Die Hamburger brauchen Lösungen auf allen Ebenen. Finanziell, strukturell, personell. Sportlich haben die Verantwortlichen bereits viele Entscheidungen in der Kaderplanung getroffen.
Gesucht werden für die neue Saison vor allem noch zwei offensive Flügelspieler, die insbesondere gegen tief stehende Gegner Qualitäten im Eins-gegen-eins haben, um mehr Lösungen zu kreieren. Zudem will der HSV einen weiteren Stürmer als Alternative zu Robert Glatzel (17 Saisontore) verpflichten, wenn Manuel Wintzheimer und Mikkel Kaufmann den Club erwartungsgemäß im Sommer verlassen.
Gelingt Walter die Wende mit dem HSV?
Die erste Lösung für Trainer Tim Walter für eine bessere Zukunft wäre es, das Spiel gegen den Karlsruher SC zu gewinnen. Und sollte der HSV dann noch am Dienstagabend ins DFB-Pokalfinale einziehen, wäre vielen Fans ohnehin erst einmal egal, welche Lösungen der HSV bei Jahn Regensburg (23. April) oder beim FC Hansa Rostock (15. Mai) findet.