Hamburg. HSV-Coach gewährt Einblicke in seine Gefühlslage und erklärt, wie er mit der Misere umgeht. Ein 19-Jährige ist auf der Überholspur.
Die wenigen Beobachter staunten nicht schlecht, als die Spieler des HSV am Mittwochnachmittag den Trainingsplatz am Volksparkstadion betraten. Denn unter die Profis hatte sich ein noch recht unbekannter Youngster gemischt. Innenverteidiger Valon Zumberi (19) aus der U21 darf vorerst bei Trainer Tim Walter vorspielen.
Der U-21-Nationalspieler des Kosovo gilt als vielversprechendes Talent im Nachwuchs, er soll zeitnah auch in die A-Nationalmannschaft berufen werden. Zumberi ist Stammspieler in der von Pit Reimers trainierten zweiten Mannschaft des HSV. In 17 Regionalligaspielen erzielte der Verteidiger zwei Tore. Nun kann er auch Walter von seinen Qualitäten überzeugen.
HSV: Walter wird emotional und versteht Kritiker
Nach der Einheit gewährte der HSV-Coach einen Einblick in seine Gefühlslage. Dass seine Mannschaft zuletzt nur fünf Punkte aus sieben Spielen geholt habe, sei „nicht spürlos“ an ihm vorbeigegangen. „Jetzt geht es darum, die Jungs aufzurichten und nach vorne zu schauen“, sagte Walter, der sich am trainingsfreien Montag mit dem Trainerteam zusammensetzte, um an dem größten Manko zu arbeiten: sich Lösungen gegen defensiv auftretende Mannschaften zu arbeiten. „Wir sehen nicht alles rosarot und denken, das war alles perfekt. Wir gehen einen Weg und müssen tief stehende Gegner besser bespielen.“
Für die manchmal eintönig wirkende Spielweise gegen kompakte Mannschaften sowie die ausbleibenden Erfolge war Walter zuletzt kritisiert worden. „Ich verstehe, dass Fans und Journalisten uns hinterfragen“, räumte er nun ein, stellte aber zugleich klar, dass nun Geduld und kein erneuter Trainerwechsel gefragt seien. „Es ist ganz normal, nicht immer auf Verständnis zu treffen. Wir versuchen, unseren Weg konsequent durchzuziehen. Man kann natürlich auch sagen, jetzt etwas komplett anderes zu versuchen. Über die Jahre hinweg ist es hier auch schon anders fabriziert worden. Aber die Jungs und der Verein gehen unseren Weg mit und das ist schön.“
HSV-Coach Walter zeigt sich entschlossen
Es war ein kämpferischer und entschlossener Auftritt Walters, dem zuletzt von manchen Fans fehlende Ernsthaftigkeit in Interviews unterstellt worden war. Am Mittwoch präsentierte sich der Coach dagegen so, wie er es auch von seinen Profis erwartet: mit voller Überzeugung. „Die Spieler machen genau das, was der Trainer ihnen vorgibt. Dass der Trainer etwas bewirkt, ist ein Ansatzpunkt. Jetzt müssen wir gucken, dass wir noch überzeugter auftreten und weiterspielen, wenn wir ein Gegentor kassieren. Das ist gerade die Krux“, sagte Walter.
Der 46-Jährige haderte einmal mehr mit der Entstehung der jüngsten Gegentore, die man eigentlich „gar nicht kriegen“ könne. „Wir lassen ligaweit die wenigstens Torchancen zu. Das heißt ja, dass wir auch etwas richtig machen. Die Chancen, die wir zulassen, entstehen aus Glück. Daran haben wir zu knabbern.“
Doch individuelle Fehler, wie zuletzt von Bakery Jatta jeweils vor dem 0:1 gegen Paderborn (1:2) und Kiel gehören nun mal zum Fußball dazu. Walter beklagt allerdings vor allem den Umgang seiner Mannschaft mit solchen Rückschlägen. „Wenn man vorne die Chancen nicht nutzt, dann fängt man an zu hadern und wird unklar in der zweiten Halbzeit. Daran müssen wir arbeiten.“
Hoffnung auf Besserung in den kommenden Partien schöpft er vor allem aus der positiven Stimmung, die innerhalb der Mannschaft herrsche. „Es wäre eine schlechte Stimmung, wenn wir wüssten, dass die Gegner immer besser sind als wir. Man sieht aber, dass es nicht so ist. Darum sind wir enttäuscht.“
Wie Walter HSV-Youngster fördert
Ganz und gar nicht enttäuscht ist Walter dagegen von seinen Allerjüngsten, zu denen nun auch Zumberi gehört. Der HSV-Coach ist bekannt dafür, Nachwuchsspieler zu fördern. Faride Alidou (20), dem innerhalb des Clubs nur wenige etwas zutrauten, zog er zu Saisonbeginn von der U21 zu den Profis hoch. Jonas David (22) gelang unter Walter der Durchbruch in der Hinrunde. Anssi Suhonen (21) und Elijah Krahn (18) verhalf der Coach zu ihrem Profidebüt. Zudem dürfen Talente wie Linksverteidiger Bent Andresen (19) und Mittelfeldspieler Felix Paschke (18) immer wieder bei den Profis mittrainieren und in Testspielen mitwirken.
Während sich Zumberi am Mittwoch erstmals beweisen durfte, fehlten drei andere Spieler beim Trainingsstart in die neue Woche. Maximilian Rohr, der am Dienstag einen unterhaltsamen Podcast-Auftritt beim Abendblatt hatte, und Krahn pausierten wegen eines kleinen Muskelfaserrisses. Bei beiden gehe Walter davon aus, dass sie die kommenden Spiele gegen Karlsruhe (Sonnabend, 20.30 Uhr) und Freiburg (Pokalhalbfinale, Dienstag, 20.45 Uhr) verpassen werden.
Sonny Kittel trat aus Gründen der Belastungssteuerung kürzer. „Er hat immer wieder mit seinem Knie Probleme. Wir müssen gucken, dass er schmerzfrei trainieren kann“, sagte Walter.