Hamburg. Heidenheim könnte für den HSV wieder zum Schicksalsspiel werden. Trainer Tim Walter zieht unbeirrt das nächste Talent hoch.

Vor zwei Jahren hat Tim Walter erlebt, was es bedeutet, in Heidenheim zu spielen. Mit dem VfB Stuttgart hatte der Trainer am zweiten Spieltag im Schwaben-Duell mit 2:0 geführt. Doch in den letzten zehn Minuten glichen die von Frank Schmidt trainierten Heidenheimer noch aus. Eine Erfahrung, die der HSV in den vergangenen zwei Jahren gleich zweimal machte.

Im November 2020 gaben die Hamburger in Heidenheim unter Daniel Thioune eine 2:0-Führung aus der Hand und verloren in der Nachspielzeit sogar noch mit 2:3. Wenige Monate zuvor war es Dieter Hecking, der mit ansehen musste, wie seine Mannschaft nach einer 1:0-Führung ebenfalls in den letzten zehn Minuten noch den Sieg und mit dem 1:2 auch den direkten Aufstieg verspielte.

HSV-Pleite würde Druck auf Boldt erhöhen

Immer wieder Heidenheim, immer wieder Frank Schmidt. Während der Chefcoach des FCH in seine 15. Saison geht, versucht sich im selben Zeitraum mit Tim Walter der 20. Trainer, den HSV in bessere Zeiten zu führen. Und mal wieder könnte das Spiel in Heidenheim auf diesem Weg eine richtungweisende Rolle spielen.

Einfach gesagt: Macht der HSV am Sonnabend (13.30 Uhr/Sky und Liveticker auf abendblatt.de) ein gutes Spiel und holt ein gutes Ergebnis, kann Walter in Ruhe weiterarbeiten. Verliert der HSV erneut bei seinem Auswärts-Angstgegner, wächst die Unruhe rund um den Volkspark. Dann würde auch der Druck auf Sportvorstand Jonas Boldt und Sportdirektor Michael Mutzel noch einmal zunehmen, die Mannschaft in den letzten drei Tagen der Transferperiode bis Dienstag zu verstärken.

HSV: Es brodelt längst hinter den Kulissen

Hinter den Kulissen brodelt es nicht erst seit der Freistellung von Toni Leistner unter der Woche. Die Verantwortlichen gehen ein hohes Risiko ein, die Macht über die Kaderzusammenstellung vor allem nach der Spielidee von Tim Walter auszurichten.

Nachdem der HSV in den Heimspielen gegen Dresden und Darmstadt, vor allem aber im verlorenen Stadtderby beim FC St. Pauli große Schwächen im Defensivverbund offenbarte, muss und will Walter in Heidenheim seine Abwehr stabilisieren.

Heidenheim weiß um Schwächen des HSV

Nur vier Mannschaften kassierten in den ersten vier Spielen mehr Gegentore als der HSV (7). „Wir müssen unser Spiel ein bisschen verändern“, sagte Walter und meinte damit die Konteranfälligkeit seiner Mannschaft nach Ballverlusten.

Genau diese Schwachstelle hat auch Heidenheims Schmidt beobachtet. Der Trainer lobte den HSV am Freitag als Mannschaft, die offensiv am häufigsten den Ball und die höchste Passquote habe. „Der HSV agiert mutig mit einem varia­blen Positionsspiel. Das macht es schwer, sie zu verteidigen.“

Aber Schmidt weiß auch: „Die Hamburger haben schon drei Kontergegentore bekommen und sind anfällig bei Ballverlusten.“ Heidenheims Stärke soll auch am Sonnabend das Mittel sein, um den dritten Heimsieg in Folge gegen den HSV zu holen: „Wir stehen für ein gutes Balleroberungsspiel und schnelles Umschalten.“

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HSV und die Jugend: Auch Alidou darf mit

Es wird spannend zu sehen sein, was Walter verändert. Der HSV-Trainer bat die Fans nach dem Darmstadt-Spiel um Geduld, als die Zuschauer während des Spiels mit Pfiffen auf die vielen Rückpässe reagierten. Sonderlich viel Geduld scheinen die HSV-Fans nicht zu haben.

Dabei setzt Walter auf einen Weg, den viele Anhänger seit Jahren einfordern. Nach Bremen und Darmstadt hat der HSV aktuell den jüngsten Kader der Liga. Walter traut sich, Eigengewächse wie Jonas David (21) oder Anssi Suhonen (20) spielen zu lassen. Und wird das auch in Heidenheim tun. Mit Faride Alidou (20) steht ein weiterer Youngster erstmals im Profikader. „Wir fahren dahin, um uns weiterzuentwickeln“, sagt Walter.

Neu im Profi-Kader: HSV-Talent Faride Alidou (l., gegen Jan Gyamerah), hier im Training am Freitag.
Neu im Profi-Kader: HSV-Talent Faride Alidou (l., gegen Jan Gyamerah), hier im Training am Freitag. © Witters | Unbekannt

HSV: Bates vor Wechsel nach Aberdeen

Die HSV-Verantwortlichen müssen entscheiden, ob sie den von Walter gewählten Weg der Entwicklung mittragen. Schon vor der vergangenen Saison sprach Jonas Boldt von „Entwicklung“ als primäres Ziel für den HSV. Den Schwerpunkt legte er auf dem Transfermarkt dann aber mit den vier Säulenspielern (Leistner, Simon Terodde, Sven Ulreich, Klaus Gjasula), mit denen er das klare Ziel Aufstieg dokumentierte.

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Und dieses Mal? Welche Ausrichtung der HSV verfolgt, wird am Dienstag klar zu definieren sein, wenn Boldt und Mutzel ihre Aktivitäten auf dem Transfermarkt finalisiert haben. Mit David Bates, der zuletzt nur noch in der U21 trainierte und vor einem Wechsel zum schottischen Erstligisten FC Aberdeen steht, wird bereits der 13. Spieler den HSV in dieser Transferperiode verlassen.

HSV gibt weniger aus als Heidenheim

Die Hamburger passen ihren Etat zunehmend der Zweiten Liga an. Der frühere Heidenheimer Robert Glatzel war mit einer Ablöse von einer Million Euro der bislang teuerste HSV-Neuzugang in diesem Sommer. Zum Vergleich: Heidenheim zahlte für Stürmer Tim Kleindienst drei Millionen Euro. „Das Beispiel Kleindienst zeigt, dass Heidenheim nicht mehr klein ist“, sagte Walter.

Und der nicht mehr ganz so große HSV? Am Sonnabend wird sich in der kleinen Heidenheimer Voith-Arena zeigen, ob die Hamburger weiterhin große Ziele verfolgen können – oder erst einmal kleinere Brötchen backen müssen.