Hamburg. Das Heimspiel des HSV gegen Darmstadt ist auch das Duell der beiden Torjäger Simon Terodde und Serdar Dursun.

Normalerweise sind die Auswärtsspiele des gebürtigen Hamburgers Serdar Dursun in seiner Heimat mit Stress verbunden. Die Familie und viele Freunde des Deutschtürken leben in der Hansestadt und wollen stets live dabei sein, wenn ihr Schützling vor Ort auf Torejagd geht. Doch an diesem Freitag, wenn Dursun mit Darmstadt 98 beim HSV antritt (18.30 Uhr/Sky und im Liveticker bei abendblatt.de), ist coronabedingt alles anders. „Wären Zuschauer im Stadion zugelassen, müsste ich wohl um die 50 Karten besorgen“, sagt der Stürmer im Gespräch mit dem Abendblatt.

Da diese Ticketorganisation nun entfällt, freut sich Dursun auf eine ruhigere Vorbereitung auf das Gastspiel im Volkspark. Ob er im Anschluss seine Familie sieht, kann er sogar selber beeinflussen. „Ich versuche, meinen Anteil dazu beizusteuern, dass wir das Spiel hoffentlich gewinnen und ich danach vielleicht bei meiner Familie bleiben darf.“

HSV-Spiel für Dursun etwas Besonderes

Spiele in der Hansestadt sind für den Hamburger Jung immer etwas Besonderes, denn hier fing alles an, als der Sohn türkischer Gastarbeiter 1998 mit sieben Jahren das erste Mal seine Fußballschuhe für die FTSV Lorbeer Rothenburgsort schnürte. „Mein erster Trainer hieß Michael Kuffer, er hat mich sechs Jahre lang trainiert“, erinnert sich Dursun, der noch immer den Kontakt zu seinem früheren Jugendcoach pflegt.

Dabei dauerte es einige Jahre, bis sein wahres Potenzial, das Toreschießen, vollständig erkannt wurde. „Damals bei Lorbeer hatte ich als Spielmacher auf der Zehn agiert. Ab der A-Jugend wurde ich dann Stürmer beim SC Concordia Hamburg“, sagt Dursun. „Ich war schon in der Jugend immer derjenige, der die meisten Tore schoss.“

Dursun sieht Parallele zu Terodde

Trotzdem gelang dem heute 29-Jährigen der Durchbruch im Profifußball erst vor fünf Jahren, als er nach mehreren Stationen in der Türkei zurück nach Deutschland zu Greuther Fürth wechselte. „Ich habe erst mit 24 angefangen, mir in Deutschland einen Namen zu machen. Seitdem geht es stetig bergauf“, sagt Dursun, der in seinem Werdegang eine Parallele zu HSV-Toptorjäger Simon Terodde (33) sieht. „Bei Terodde war es ähnlich. Wir sind beide Spätstarter.“

Tatsächlich zahlte auch Hamburgs bester Torschütze in den Anfangsjahren seiner Karriere reichlich Lehrgeld, ehe ihm mit 26 Jahren nach seinem Wechsel von Union Berlin zum VfL Bochum der Durchbruch gelang. Die Köpenicker waren damals froh, Terodde ein Jahr vor seinem Vertragsende ohne eine Abfindung loszuwerden. Es war bereits das zweite Mal in seiner Laufbahn, dass er am Scheideweg stand. Denn an was sich kaum noch jemand erinnert: 2009 hätte Terodde beinahe seine Karriere beendet, weil er als 22-Jähriger in der Vierten Liga bei der zweiten Mannschaft des 1. FC Köln nur Reservist war.

Der zuletzt wegen einer Corona-Infektion flach liegende Simon Terodde brauchte nur 65 Minuten, um nach seiner Einwechslung zu treffen. Doch das Tor zählte nicht wegen einer angeblichen Abseitsposition.
Der zuletzt wegen einer Corona-Infektion flach liegende Simon Terodde brauchte in Hannover nur 65 Minuten, um nach seiner Einwechslung zu treffen. Doch das Tor zählte nicht wegen einer angeblichen Abseitsposition. © Witters | Unbekannt

Als fünf Jahre später auch Union den Stürmer nach fünf Toren in einer Saison nicht mehr wollte, antwortete Terodde auf seine Art. Gleich in seiner Debütsaison erzielte er 16 Tore für Bochum. Im Jahr darauf ließ er 25 Treffer und die erste seiner drei inoffiziellen Torjägerkanonen in der Zweiten Liga folgen. Denn auch 2016/17 (25 Tore für Stuttgart) und 2018/19 (29 Tore für Köln) war Terodde der beste Torschütze im Unterhaus.

Fängt Dursun HSV-Stürmer Terodde noch ab?

In dieser Saison ist er mit seinen 20 Treffern für den HSV auf dem besten Weg, zum vierten Mal als bester Zweitliga-Torschütze ausgezeichnet zu werden. Oder macht ihm Darmstadts Dursun, der auch schon 16 Tore erzielt und seine Bestmarke aus der vergangenen Saison damit eingestellt hat, den Spitzenplatz noch streitig? „Warum nicht?“, antwortet der Deutschtürke mit einer Gegenfrage. „Ich gebe Gas und hoffe, ihn noch einzuholen.“

Dass Terodde überhaupt noch einmal Konkurrenz im Torjägerranking bekommen hat, liegt an Dursuns fantastischer Trefferquote in den vergangenen vier Spielen. Sechsmal war der raffinierte Angreifer in dieser Phase erfolgreich. Terodde, der zwischenzeitlich wegen einer Corona-Infektion pausieren musste, sammelte im selben Zeitraum nur ein Tor. „Wenn ich im Sechzehner angespielt werde, dann bin ich gefährlich und eiskalt“, sagt nicht etwa Terodde, sondern Dursun.

Eine Aussage, die allerdings auch auf Terodde zutrifft. Denn beide Angreifer haben ihre Stärken, wenn sie im Sechzehner angespielt werden. „Wir sind beide Strafraumstürmer“, sagt Dursun, der allerdings noch einen kleinen, aber feinen Unterschied ausfindig gemacht hat. „Weil ich etwas kleiner bin als er, bin ich vielleicht technisch etwas versierter und könnte auch auf der Zehn spielen.“

HSV-Spiel in Sandhausen wegen Corona abgesagt

Als Spielmacher kämen Teroddes Qualitäten zweifellos weniger zur Geltung. Dafür ist der HSV-Stürmer effektiver als sein Rivale aus Darmstadt. „Terodde ist ein eiskalter Knipser, das beeindruckt mich sehr an ihm“, schwärmt Dursun. „Ich habe großen Respekt vor ihm und seinen Leistungen.“

Womöglich duellieren sich beide Torjäger nicht nur an diesem Freitag auf dem Rasen, sondern auch im anstehenden Transfersommer. Denn Dursun wird seinen auslaufenden Vertrag in Darmstadt nicht verlängern. Dem Vernehmen nach soll Schalke 04 Interesse an einer Verpflichtung haben. Auch Terodde, dessen Zukunft nach Saisonende ebenfalls noch ungeklärt ist, soll auf der Wunschliste des designierten Bundesligaabsteigers stehen. Nun können beide Stürmer beim direkten Aufeinandertreffen zeigen, wer von ihnen der Bessere ist. „Man kann den HSV auf jeden Fall ärgern“, sagt Dursun.

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Nachdem die DFL am Donnerstag das für den 16. April geplante HSV-Spiel beim SV Sandhausen wegen der Corona-bedingten Teamquarantäne der Kurpfälzer abgesagt hat und das Gleiche auch für das Heimspiel gegen den Karlsruher SC (20. April) droht, sieht Dursun den Druck beim Gegner. „Wenn sie gegen uns nicht gewinnen, wird es wieder eng in Sachen Aufstieg“, prophezeit er. „Dann zappelt der Kopf in Hamburg, so wie die vergangenen Jahre auch.“

Was Dursun nicht nennt, ist der Unterschied zu jenen vergangenen Jahren. Denn der heißt Simon Terodde.

Die voraussichtlichen Aufstellungen:

HSV: Ulreich – Vagnoman, Heyer, Ambrosius, Leibold – Gjasula – Kittel, Hunt, Dudziak – Terodde, Wintzheimer.

Darmstadt: Schuhen – Herrmann, Pfeiffer, Höhn, Holland – Palsson, Rapp – Clemens, Mehlem, Honsak – Dursun.