Hamburg. Der zu Düsseldorf gewechselte Khaled Narey, aber auch HSV-Spieler wurden beleidigt. Es war nicht der einzige Fan-Eklat.
Noch vor wenigen Monaten wurde Khaled Narey im Volksparkstadion gefeiert. Seine schnellen Flankenläufe auf der rechten Außenbahn ließen die HSV-Fans immer auf Tore hoffen. Elf davon hat Narey gemacht in seinen drei Hamburger Jahren, neun weitere vorbereitet. Zu wenig in den Augen der Clubführung – im Sommer gab man ihn an Zweitliga-Konkurrent Fortuna Düsseldorf ab.
Am Sonnabendabend nun kehrte Narey (27) mit seinem neuen Verein an seine alte Arbeitsstätte zurück, und auch wenn er der beste Mann auf dem Spielfeld war und die Fortuna in Unterzahl noch ein 1:1-Unentschieden erkämpfte, so wird der Verteidiger diesen Abend nicht nur in guter Erinnerung behalten.
Je länger das Spiel andauerte, umso mehr wurde der einstige Hamburger Profi ausgepfiffen, auch Bierbecher flogen. Statt zum Fußballfest schien das erste HSV-Heimspiel unter 2G-Bedingungen für einige zum Frustventil zu geraten.
HSV-Fans beleidigten Narey und Jatta rassistisch
Was den Zuschauern an den Fernsehgeräten verborgen blieb, war aber womöglich noch viel schlimmer. Ein HSV-Anhänger berichtet bei Twitter, wie Narey zur Zielscheibe rassistischer Beleidigungen wurde. Mehrfach sei Narey aus dem Block 22B "mit rassistischen Sprüchen/Vergleichen (N-Bomb etc.) beschimpft" worden, berichtet der Fan unter dem Pseudonym "Frank Conners".
Auch eigene Spieler, unter anderen Bakery Jatta, seien beschimpft worden. "Als ich die Herren hinter mir auf ihr Fehlverhalten hinwies, wurde das erst noch nickend und einsichtig hingenommen", schreibt der Fan. "Nach dem Ausgleichstor schien von der Einsicht aber nicht mehr viel übergeblieben zu sein. Stattdessen wurde ich nun zur Zielscheibe ebendieser Leute. Ich wurde mehrfach beleidigt, und mir wurde Gewalt angedroht."
Die HSV-Profis in der Einzelkritik:
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Nur ein junger Mann habe ihn unterstützt, und auch der sei bedroht worden. "Es war einfach nur schockierend", schreibt "Frank Conners". Er und seine Schwester, die zum ersten Mal im Stadion gewesen sei, hätten daraufhin den Block verlassen. Seine bittere Schlussfolgerung: "Rassisten können bei uns im Volkspark immer noch in Ruhe ihre dreckigen Parolen raushauen, ohne nur das leiseste bisschen Gegenwind zu erfahren."
Auf den Stehplätzen, wo er sich sonst meist aufgehalten habe, habe er davon nichts mitbekommen, zumal sich die aktive Fanszene ausdrücklich gegen Rassismus einsetze. "Aber offensichtlich scheint das im gesamten Tenor des Vereins noch nicht angekommen zu sein. Ich bin fassungslos."
Ex-HSV-Profi Narey bestätigt Rassismus-Vorfall
Der HSV teilte auf Abendblatt-Nachfrage mit, den Vorwurf in Ruhe aufarbeiten zu wollen. Narey bestätigte am Sonntag via Instagram die Vorwürfe. Er dankte zunächst allen Fans, die ihn willkommengeheißen hätten. "Aber allen 'Fans', die mich während des Spiels rassistisch beleidigt und mit Bier beworfen haben wünsche ich vom Herzen eine gute Besserung!", schrieb Narey.
Der HSV versicherte seinem früheren Spieler per Kommentarfunktion, man stehe "voll und ganz an deiner Seite. Rassismus hat im Volksparkstadion und unserer Gesellschaft keinen Platz! Den starken Applaus zur Verabschiedung vor dem Spiel hast du dir über deine drei Jahre bei uns verdient, und das ist das, was wir uns unter sportlich fair vorgestellt haben."
Narey erhält Zuspruch von Mickel und einem St.-Pauli-Profi
Amadou Onana, der wie Narey ebenfalls im Sommer den HSV verlassen hatte, spendete der Stellungnahme seines früheren Teamkollegen Beifall: "Love it." Sportvorstand Jonas Boldt und Sportdirektor Michael Mutzel hatten Narey vor Spielbeginn noch offiziell verabschiedet und ihm ein Geschenk überreicht. St.-Pauli-Profi Leart Paqarada sprach von einer "verrückten Welt" und versicherte Narey: "Love you."
Der zurzeit verletzte HSV-Torwart Tom Mickel fand eindringliche Worte. "Du hast ein wirklich gutes Spiel gemacht und eine starke Leistung gezeigt! Es macht mich wütend, wie mit dir umgegangen wurde", schrieb er bei Instagram an Narey: "Haben eineinhalb Jahre ohne Fans nicht gereicht, um mal eine Entwicklung im Umgang unter uns Menschen zu bewirken? Im Stadion hab ich das Gefühl, dass einige auf dem Stand eines Neandertalers stehen geblieben sind. Und das MUSS sich jetzt endlich mal ändern."
HSV verurteilt Rassismus seiner Fans
Am Nachmittag folgte eine Stellungnahme des HSV. Den Verein hätten "mehrere Nachrichten" erreicht, dass "Spieler beider Mannschaften rassistisch beleidigt worden sein sollen", hieß es bei Twitter. "Sosehr wir uns über die Rückkehr vieler Fans und die tolle Atmosphäre im Volksparkstadion gefreut haben, so enttäuscht und wütend machen uns solche inakzeptablen Vorkommnisse."
Der HSV stehe für Vielfalt, Rassismus habe im Stadion, aber auch in der Gesellschaft keinen Platz. Beleidigungen und Würfe von Gegenständen "in Richtung handelnder Akteure" würden nicht akzeptiert. Der HSV werde nun "alles uns Mögliche unternehmen, um die Vorfälle aufzuklären und zu ahnden".
Schiedsrichter-Assistent von Gegenstand getroffen
Es war nicht der einzige Fan-Eklat des Abends. Während Schiedsrichter Christian Dingert in der 23. Minute eine mögliche Rote Karte per Videobeweis überprüfte, wurde sein Assistent Richard Hempel von einem Gegenstand am Kopf getroffen, der von der Westtribüne geflogen kam. Es soll sich laut "Bild" um einen Kugelschreiber gehandelt haben.
Dingert erkundigte sich nach Hempels Befinden. Dann kehrte er aufs Feld zurück und zeigte Düsseldorfs Edgar Prib für sein rüdes Foul gegen HSV-Verteidiger Tim Leibold die Rote Karte. Trotz des Appells des Stadionsprechers regneten im weiteren Spielverlauf immer wieder Bierbecher aufs Spielfeld.
"Becher auf Spieler oder Offizielle zu werfen geht natürlich gar nicht", sagte Sportdirektor Mutzel am Sonntag in einer Medienrunde. Er könne sich kaum vorstellen, dass ein HSV-Fan Hempel beworfen habe – schließlich ging es beim Videobeweis um eine Entscheidung zugunsten der eigenen Mannschaft.
Auch dass Narey zur Zielscheibe mancher sogenannter Fans wurde, könne er nicht verstehen. Mutzel: "Khaled hat sich korrekt verhalten und hat hier Gas gegeben."
Dem HSV könnte wegen der Vorfälle nun ein juristisches Nachspiel drohen.