Hamburg. Lukas und Meret Ossenkopp haben es vom Internat in die Bundesliga geschafft. Der HSVH-Kapitän hat das seiner Schwester zu verdanken.

An die Vorweihnachtszeit im Jahr 2007 erinnert sich Lukas Ossenkopp noch ganz genau. „Ich war mir sehr sicher, dass ich das nicht machen würde, weil ich ein ziemliches Heimweh-Kind war und mir nicht vorstellen konnte, alles dem Handball dort unterzuordnen“, erinnert sich der heute 29 Jahre alte Kapitän des HSV Hamburg (HSVH). Ossenkopp war 14 Jahre jung, als die Anfrage für ein Probetraining am Sportinternat des SC Magdeburg kam. Erst vier Jahre zuvor hatte er bei seinem Heimatverein HSG Lüneburg mit dem Sport begonnen, den er heute in der Bundesliga ausübt.

Ausprobieren schadet nicht, dachte er sich – und fuhr trotzdem nach Magdeburg. Und weil mit der positiven Rückmeldung wenige Tage später aus dem Unvorstellbaren erst Zweifel und dann eine Zusage wurden, wechselte das selbst ernannte „Heimweh-Kind“ im folgenden Sommer in die B-Jugend des SCM, über 200 Kilometer von der Heimatstadt entfernt. „Die Zusage war die beste Entscheidung, die ich hätte treffen können“, sagt der Rückraumspieler, als er mit seiner fünfeinhalb Jahre jüngeren Schwester Meret im Abendblatt-Handball-Podcast „Auszeit HSVH“ zu Gast ist.

HSVH-Kapitän Lukas Ossenkopp verdankt Bundesliga seiner Schwester Meret

Dass die 23-Jährige mit ins Studio am Großen Burstah gekommen ist, liegt nicht etwa daran, dass sie sich von ihrem großen Bruder beschützen lassen müsste – sondern dass der frühere Fußballer Lukas ohne die noch frühere Handballerin Meret vermutlich niemals in der Bundesliga gelandet wäre.

„Meret konnte gerade laufen, da war sie schon beim Handballtraining“, erinnert sich Lukas, der zu den Spielen seiner Schwester zwangsläufig mitmusste. Dort reichten ein paar aus Langeweile gegen die Wand geworfene Bälle für eine Einladung zum Training.

Meret Ossenkopp spielt seit 2020 für den Buxtehuder SV in der Handball-Bundesliga.
Meret Ossenkopp spielt seit 2020 für den Buxtehuder SV in der Handball-Bundesliga. © IMAGO/Lobeca | Felix Schlikis

Dass Meret nur zwei Jahre nach ihrem Bruder auch den Schritt nach Magdeburg wagen würde – und heute ebenfalls als Rechtsaußen des Buxtehuder SV in der Bundesliga angekommen ist –, war da noch nicht absehbar. Während Lukas das Alleinsein im Alter von 15 Jahren gut wegstecken konnte, musste Meret bereits mit zwölf von zu Hause ausziehen. „Ich hatte ziemlich großes Heimweh, habe häufig geweint. Lukas musste mich dann trösten. Da war es natürlich hilfreich, jemanden aus der Familie dabei zu haben, der die Situation schon selbst erlebt hat“, sagt sie.

Lediglich vier Monate konnten sie noch gemeinsam im Internat verbringen, ehe Lukas am Ende seiner A-Jugendzeit ausziehen musste. Die Fähigkeit, sich durchzubeißen, eint beide. „Die Zielstrebigkeit haben wir von unserem Zuhause mitbekommen. Ohne den Spaß am Handball wäre das aber nicht möglich gewesen“, sagt Lukas, der sich wegen der fehlenden Perspektive im SCM-Profikader dem HSV Hannover anschloss. Dritte Liga, nicht mehr als vier Trainingseinheiten pro Woche, ausschließlich nach Feierabend.

Lukas Ossenkopp wagte beim HSV Hamburg den Neustart

„Bei mir lag der Fokus zu der Zeit eindeutig auf dem Studium, in der Zeit habe ich auch meine heutige Frau kennengelernt. Die Bundesliga war weit weg“, erinnert sich Lukas, der erst sechs Jahre später über Zweitligist HF Springe im Frühsommer 2016 nach Hamburg kam. „Das Umfeld war kritisch, die Insolvenz nicht mal drei Monate her, niemand wusste, was passiert. Dass ich in der Situation meinen Platz in der Zweiten Liga in Springe aufgegeben habe, war für einige vielleicht ein bisschen paradox“, sagt der Abwehrspezialist, der mit dem Verein einen Neustart in Liga drei wagte. „Beim ersten Testspiel gegen Melsungen mitten im Juli kamen bei bestem Wetter 3000 Zuschauer in die Halle. Zu dem Zeitpunkt wussten wir auch, dass schon 2000 Dauerkarten verkauft waren. Da hat man gemerkt, was für eine Wucht dahintersteckt.“

Meret war bereits ein Jahr zuvor zur zweiten Mannschaft des Buxtehuder SV gewechselt, die Bundesliga schien aber meilenweit entfernt. „Bei uns beiden war nicht unbedingt vorherzusehen, dass wir es schaffen würden“, gibt Meret zu.

Meret Ossenkopp will beim BVB durchstarten, Lukas beim HSVH kürzertreten

Sie schafften es dennoch, Lukas führte den HSVH an der Seite von Co-Kapitän Niklas Weller innerhalb von fünf Jahren zurück in die Bundesliga, Meret schaffte 2020 über Zweitligist HC Rödertal den Sprung in die Buxtehuder Profimannschaft, mit der sie zurzeit neben einem starken dritten Tabellenplatz auch noch im Final Four um den DHB-Pokal spielt. Nach der Saison wird sie zu Champions-League-Teilnehmer Borussia Dortmund wechseln, um sich noch intensiver für die Nationalmannschaft zu empfehlen. „Das ist auf jeden Fall mein Ziel, im erweiterten Kreis der Nationalmannschaft bin ich schon“, sagt Meret, die in Dortmund mit Amelie Berger eine Nationalspielerin als Rechtsaußenpartnerin vor sich haben wird.

Lukas Ossenkopp stieg mit dem Handball-Sport-Verein Hamburg von der 3. in die Bundesliga auf.
Lukas Ossenkopp stieg mit dem Handball-Sport-Verein Hamburg von der 3. in die Bundesliga auf. © WITTERS | Leonie Horky

Während die Profilaufbahn seiner Schwester immer mehr Fahrt aufnimmt, hat sich Lukas Ossenkopp dazu entschieden, das Trainerteam um Torsten Jansen ab Sommer bei der Datenanalyse zu unterstützen und nur noch in Notfällen als Spieler zur Verfügung zu stehen. Auch im Jugendbereich wird er vermehrt als Trainer tätig sein. Der Schritt, die Karriere bereits mit 29 Jahren zu beenden, sei ihm nicht besonders schwergefallen, sagt er. „Irgend woandershin zu gehen, nur um in der Zweiten Liga zu spielen, war keine Option für mich. Natürlich musste ich ein paar Nächte darüber schlafen, ob ich als Spieler zurücktreten will. Am Ende ist mir die Entscheidung aber relativ leichtgefallen“, erzählt der 1,94-Meter-Athlet.

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Bis es so weit ist, warten noch sechs Bundesligaspiele. Mit einem Sieg gegen Tabellenschlusslicht TuS N-Lübbecke am Sonntag (16.05 Uhr/Sky) könnte der Aufsteiger den Klassenerhalt bereits rechnerisch perfekt machen. „Die Rückrunde nagt ein bisschen am Selbstvertrauen. Da fehlte das Selbstverständnis, Verletzungspech kam auch dazu. Für uns geht es auch darum, mit einem guten Gefühl aus der Saison zu gehen und uns allen gemeinsam einen würdigen Abschied zu gönnen“, sagt er. Für einen ganz besonderen Abschluss der Karriere dürfte dann das Heimspiel am viertletzten Saisonspieltag sorgen. Gegner am 22. Mai ist der SC Magdeburg, vierzehneinhalb Jahre nach dem Probetraining in der Vorweihnachtszeit schließt sich der Kreis.

Der Buxtehuder SV empfängt an diesem Mittwoch (19.30 Uhr) die Sport-Union Neckarsulm zum Bundesliga-Nachholspiel in der Halle Nord. Zeitgleich gastiert die HSG Blomberg-Lippe bei den Luchsen Buchholz 08-Rosengarten.