Hamburg. Für den Dänen ist Hamburg die erste Profistation im Ausland. Welche Herausforderungen der 23-Jährige bewältigen musste.

Die Getränkebestellung auf Deutsch ist für Frederik Bo Andersen schon lange kein Problem mehr. „Moin, einen Kaffee Crema bitte“, sagt der 23-Jährige, als er am Freitagvormittag im Eppendorfer Geschwister Café sitzt. „Ich habe erst gedacht, dass die Sprache ein größeres Problem wäre, in der Mannschaft sprechen aber alle auch sehr gut Englisch“, erzählt der Rechtsaußen des HSV Hamburg (HSVH). Als er im vergangenen Sommer vom dänischen Spitzenclub GOG Gudme zum Handball-Bundesligisten wechselte, kannte er nur deutsche Wortfetzen, in der Schule hatte er Französisch gewählt. Zweimal pro Woche hat Andersen mittlerweile Deutschunterricht, beim Abendblatt-Termin bevorzugt er dennoch Englisch.

Handball: Bo Andersen war lange nur zweite Wahl beim HSVH

Dass der gebürtig aus dem 50.000-Einwohner-Städtchen Roskilde stammende Neuzugang die Bundesliga zu Saisonbeginn nicht kurz und klein werfen würde, war vielen bewusst – auch Andersen selbst. Dass er hinter Positionspartner Thies Bergemann aber lange nur zweite Wahl war und seine kurzen Einsatzzeiten zudem häufig nicht nutzen konnte, wurmte ihn dennoch. „Die erste Saisonhälfte war sehr schwer, ich war oft nicht zufrieden mit mir. Ich wusste aber, dass ich Zeit brauchen würde, um mich an die neue Liga zu gewöhnen“, sagt Andersen. „Am Anfang dachte ich nach schlechten Spielen oft nur: Zum Glück habe ich hier einen Dreijahresvertrag“, erzählt er und lacht. „Richtig gezweifelt habe ich aber nie an mir.“

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Den Tiefpunkt gab es Mitte November, der HSVH verlor 22:23 beim HC Erlangen. Andersen machte erneut kein gutes Spiel, verteidigte fehlerhaft und vergab Sekunden vor Schluss die Chance zum Ausgleich. „Es hat mir leidgetan, dass ich den Ball nicht reingemacht habe. Meine Mitspieler haben mir aber keinen Vorwurf gemacht“, sagt er. „In Dänemark habe ich vier Jahre lang gegen die gleichen Torhüter gespielt. Hier wusste ich anfangs nicht, wer wie spielt.“ Insbesondere sein Landsmann Casper Mortensen (32) habe ihm in dieser Phase geholfen, abends zur besseren Vorbereitung Videos von den gegnerischen Torhütern auf das Handy geschickt.

Bo Andersen schiebt Extraschichten in der Halle

Andersen nahm die Hilfe an, blieb wie Mortensen häufig noch zu Extraschichten nach dem Training in der Halle, arbeitete sich Stück für Stück in die Startformation. „Als Außen ist es besonders wichtig, Extra-Trainingseinheiten zu machen. Wenn das Training sehr taktisch ist, ist man als Außenspieler oft nicht so sehr beteiligt“, sagt er. Auch außerhalb der Halle lädt ihn Mortensen häufig in seine Wohnung nach Winterhude ein, um zusammen zu kochen und Spiele der dänischen Liga im Fernsehen zu schauen. Mit seinen Mitspielern Finn Wullenweber (24), Jan Kleineidam (23) und Leif Tissier (22) hat Andersen zudem gleichaltrige Freunde gefunden, nach Spielen treffen sie sich regelmäßig im „Fricke 46“, einer urigen Eppendorfer Kneipe unweit seiner Wohnung.

Bevor Andersen und der HSVH an diesem Sonntag (16.05 Uhr/Sky) gegen den TuS N-Lübbecke den Klassenerhalt perfekt machen können, steht für ihn eine Wohnungsbesichtigung in der Eppendorfer Landstraße an. Zur neuen Saison will er mit Neuzugang und Jugendfreund Andreas Magaard (23/Kreisläufer) eine WG gründen. Auch seine Eltern, die zu jedem Heimspiel aus Dänemark anreisen, hätten dann etwas mehr Platz. „Manchmal schlafen meine Eltern nach den Spielen bei mir in der Wohnung. Wenn sie aber länger als zwei Tage da sind, wird es uns allen auf 50 Quadratmetern zu eng“, erzählt Andersen, der im August ein Online-Teilzeitstudium im Bereich Logistik beginnen will.

Bo Andersen träumt vom internationalen Geschäft

In den kommenden Jahren hofft der Linkshänder, der mit GOG bereits internationale Erfahrung sammeln konnte, irgendwann auch mit dem HSVH im europäischen Wettbewerb vertreten zu sein. „In Bukarest waren die Heimfans einfach verrückt. Die Tribüne war so nah am Spielfeld, dass sie einem Außenspieler von uns immer auf den Hinterkopf gespuckt haben. Ich habe zum Glück auf der anderen Seite gespielt“, erzählt Andersen, der aber auch weiß: Bis sich der HSVH in Bukarest bespucken lassen kann, warten noch viele Bundesligaspiele – und noch mehr Deutschstunden.