Hamburg. Erfolgstrainer Martin Schwalb, Vizepräsident des HSV Hamburg, über Ursachen und Lösungen der Misere. Der Kapitän verlängerte bis 2026.

Beim TBV Lemgo Lippe endet an diesem Sonnabend (20.30 Uhr/Dyn) für den HSV Hamburg (HSVH) ein turbulentes Handballjahr mit unerwarteten Siegen und ärgerlichen Niederlagen. Nachdem die Mannschaft von Cheftrainer Torsten Jansen, der am Sonnabend 47 Jahre alt wird, in der vergangenen Spielzeit als Tabellensiebter Europapokalplatz sechs knapp verpasste, droht in dieser Saison nach zuletzt nur zwei Siegen und einem Unentschieden aus den vergangenen elf Spielen der Abstiegskampf. Die jüngste 28:43 (9:27)-Niederlage gegen Club-Weltmeister und Tabellenführer SC Magdeburg, die bisher höchste in der Bundesliga, ließ zudem Zweifel an der sportlichen Substanz des Teams aufkommen.

HSV Hamburg: In Lemgo droht auch Jacob Lassen auszufallen

Neben den Langzeitverletzten Andreas Magaard (25) und Dominik Axmann (24), beide Kreuzbandriss, könnte in Lemgo auch der Halbrechte Jacob Lassen (28) ausfallen. Der Däne leidet nach einem Zusammenprall aus dem Magdeburgspiel unter Knieschmerzen, strukturelle Schäden schlossen die Ärzte nach einer MRT-Untersuchung aber aus.

Martin Schwalb (60), der Erfolgstrainer des Vorgängervereins HSV Handball und jetzige Vizepräsident, schätzt die Lage allerdings weniger dramatisch ein, als der aktuelle Tabellenstand es vermuten ließe. „Die Mannschaft ist intakt, sie funktioniert, auch im Verhältnis zum Trainerteam. Sie besitzt auf allen Positionen genug Qualität, um das Spielglück wieder auf ihre Seite zu ziehen.“

Hamburger Abendblatt: Herr Schwalb, machen Sie sich keine Sorgen, dass es mit dem Klassenerhalt nicht klappen könnte?

Martin Schwalb: Sorgen ist das falsche Wort, weil es eine eher passive Haltung beschreibt. Wir können aktiv etwas dagegen tun, um aus dieser gefährlichen Lage herauszukommen. Die Leistung, die dazu nötig wäre, liegt in den Händen der Mannschaft. Und da sehe ich genug sportliches Potenzial, dass sie sich selbst aus dieser Situation befreit. Auch vernehme ich im Verein keine Störgeräusche, niemand schiebt Panik. Alle Verantwortlichen sind erfahren genug, mit einer Konstellation umzugehen, die im Leistungssport nun mal nicht ungewöhnlich ist. Es sind meistens Kleinigkeiten, die über Sieg oder Niederlage entscheiden. Wir müssen uns jetzt das Momentum zurückholen.

Taktik stimmt: Mannschaft spielt sich vielen klare Torchancen heraus

In dieser Saison verlor die Mannschaft mehrere enge Spiele, die sie in der vergangenen Serie noch knapp gewonnen hatte. Sehen Sie die Gefahr, dass sich diese Misserfolgserlebnisse in den Köpfen der Spieler festsetzen?

Diese Gefahr besteht immer. Im Leistungssport ist nichts erfolgreicher als der Erfolg. Man sieht unseren Spielern auch an, dass sie unzufrieden sind. Wenn du im Spiel aber irgendwann anfängst nachzudenken, ob du nun dieses oder jenes machen sollst, verzögert sich deine Entscheidungsfindung um die maßgebliche Zehntelsekunde. Wir haben auswärts beim Bergischen HC (28:29) und beim VfL Gummersbach (23:24) Spiele verloren, die wir bis kurz vor Spielschluss dominiert haben. Zu Hause gegen Balingen (28:28) und gegen Stuttgart (31:36) haben wir unerklärlich viele freie Würfe verballert. Das kommt vor, ich sehe darin zunächst nichts Dramatisches. Dass wir in allen diesen Spielen gute Siegchancen hatten, dass wir uns klare Torchancen herausgeworfen haben, zeigt doch vielmehr, dass es spielerisch und taktisch bei uns stimmt. Die Mannschaft muss sich nur mal wieder mit Punktgewinnen dafür belohnen.

HSV Hamburg verlängert Vertrag mit Kapitän Niklas Weller


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  • Die bisher überschaubaren Leistungen der beiden Torhüter Johannes Bitter und Jens Vortmann beunruhigen Sie nicht?

    Torhüter und Abwehr sind ein Paket, das funktioniert nur zusammen. Wenn die gegnerischen Spieler am Kreis zu freien Würfen kommen, ist der Torhüter einfach die ärmste Sau. „Jogi“ und Jens, das haben sie auch in dieser Saison schon gezeigt, können Spiele gewinnen. Ich sehe bei ihnen keine physischen oder psychischen Defizite gegenüber dem Vorjahr.

    HSV Hamburg: Abwehr steht oft nicht kompakt genug

    Das Problem des HSV Hamburg liegt also eher bei den Vorderleuten. Was macht die Abwehr denn falsch?

    Ihr fehlt manchmal die nötige Kompaktheit, unsere Abwehrspieler stehen wiederholt zu weit auseinander, die Homogenität geht dabei verloren, die wir mal hatten. Wenn der Nebenmann dann einen Zweikampf verliert, kommt die Hilfe meistens den entscheidenden Moment zu spät.

    Um das ändern, wäre wohl Torsten Jansen als Trainer gefragt.

    „Toto“ war einer der besten Abwehrspieler der Welt. Sie können sicher sein, dass er etwas von Abwehrarbeit versteht. Hier sind wir an dem Punkt, dass, wenn es mal nicht läuft, Spieler dazu neigen, erst einmal eigene Fehler zu vermeiden, sich selbst ein Erfolgserlebnis holen zu wollen, sich mehr auf ihren Gegenspieler, auf ihre individuelle Aufgabe konzentrieren, dabei das Gesamtgebilde etwas aus den Augen verlieren. Das ist menschlich verständlich. Eine Abwehr funktioniert jedoch nur im Verbund. Das wissen natürlich alle. Die Dynamik eines komplexen Spiels wie Handball provoziert aber auf beiden Seiten ständig Fehler. Der sie am besten ausnutzt, gewinnt.

    Mannschaftskapitän Weller verlängert Vertrag um zwei weitere Jahre

    Gegen Magdeburg monierte Jansen das Rückzugsverhalten seiner Mannschaft. Das sei wie bei Opa gewesen.

    Auch hier muss man differenzieren. Die Spieler sind nach Fehlwürfen oder technischen Fehlern in der Offensive schon zurückgerannt. Die Frage ist nur, wohin. Du darfst dann nicht in deine angestammte Position in der Verteidigung zurücklaufen, sondern dorthin, wo es brennt. Das ist nicht in letzter Konsequenz geschehen. Der SC Magdeburg verfügt jedoch über eine „Gegenstoß-Maschine“, die letztlich schwer aufzuhalten ist. Deshalb: Mund abwischen und weitermachen.

    Wie kommt die Mannschaft aus dieser komplizierten Situation heraus? Mit neuen Spielern zur Saisonfortsetzung im Februar?

    Vor allem mit größerer Achtsamkeit, und die in jeder Spielsituation. Das ist der Schlüssel. Dass die Mannschaft dazu in der Lage ist, hat sie wiederholt gezeigt. Neue Spieler sind immer ein Thema, aber derjenige muss bezahlbar sein und uns sofort helfen können. Wie gesagt: Wenn es keine schweren Verletzungen mehr gibt, sollte die jetzige Mannschaft nicht in größere Abstiegsgefahr geraten.

    Mannschaftskapitän Niklas Weller (30) hat seinen Vertrag bis zum 30. Juni 2026 verlängert. Weller spielt seit 2015 für den HSVH.