Essen. Handball-Bundestrainer Alfred Gislason hat den Kader für die Heim-EM benannt. Mit dabei ist auch ein Neuling im DHB-Team.

Nach dem Titelgewinn bei der U21-Weltmeisterschaft im Juli gab sich die Führungsriege des Deutschen Handball-Bundes (DHB) zurückhaltend. Es sei eine schwierige Zeit für Talente, in die Nationalmannschaft aufzurücken, sagte Sportvorstand Axel Kromer mit Verweis auf anstehende Aufgaben.

Den Triumph des Nachwuchses in Berlin nahm er demnach nicht zum Anlass, darüber nachzudenken, wie man das A-Team einmal kräftig durchmischen könnte. Die Notwendigkeit dazu sah er dem Vernehmen nach auch nicht, erst recht mit Blick auf die am 10. Januar beginnende Heim-EM. Bundestrainer Alfred Gislason hatte allerdings keine andere Wahl. Aufgrund einiger verletzungsbedingter Ausfälle nominierte der 64-Jährige einen durchaus als mutig zu bezeichnenden Kader.

Vier U21-Weltmeister im Team

So formten sich aus einigen Fragezeichen rund um das deutsche Team gestern deutliche Ausrufezeichen: Die Nominierungen von Kreisläufer Justus Fischer (Hannover-Burgdorf), Torhüter David Späth (Rhein-Neckar Löwen) und der Rückraumspieler Nils Lichtlein (Füchse Berlin) und Renars Uscins (Hannover-Burgdorf) sind bemerkenswert. Das Quartett gehörte zum Kader bei der U21-WM. Die größte Überraschung aber war die Berufung von Martin Hanne ins Nationalteam.

Der Rückraumspieler von Hannover-Burgdorf zählt zwar zu den Top-Talenten des DHB. Allerdings gehört zur Karriere des 1,93 Meter großen Rechtshänders auch das ernüchternde Jahr 2022, das Hanne fast komplett wegen schwerwiegender Rückenbeschwerden verpasst hat. Vor rund einem Jahr kämpfte er sich über Einsätze im Drittliga-Team der Niedersachsen zurück. Seine Bundesliga-Bilanz zum Zeitpunkt der Nominierung für die EM: 19 Tore in 13 Spielen in der vergangenen Saison, immerhin 28 Treffer in 16 Erstliga-Einsätzen in der laufenden Spielzeit.

Hannes Nominierung ist auch deshalb überraschend, weil der 22-Jährige noch kein einziges Länderspiel bestritten hat. Der Bundestrainer kennt ihn nach eigener Aussage trotzdem gut: „Ich beobachte ihn schon sehr lange und habe fast alle Spiele von ihm in den letzten zwei Jahren gesehen.“

Auch die Nominierung des im Juli erfolgreichen U21-Quartetts wollte er keinesfalls als Schnellschuss verstanden wissen: „Kein Spieler ist in diesem Kader, weil er U21-Weltmeister ist.“

Pekeler, Wiede und Drux nicht rechtzeitig fit

Trotz unbestrittener Qualität der Jung-Nationalspieler: Die Entscheidungen, die Alfred Gislason treffen mussten, waren laut Bundestrainer schwierig. Insbesondere die um Luca Witzke habe ihn intensiver beschäftigt. Leipzigs Spielmacher hatte am vergangenen Sonntag gegen den VfL Gummersbach kurz auf dem Platz gestanden, „aber nach zwei Angriffen ging er raus“, bedauert Gislason.

Und vermutlich wären der Kieler Abwehrspezialist und Kreisläufer Hendrik Pekeler sowie die Berliner Rückraumspieler Fabian Wiede und Paul Drux beliebtere Optionen für den Isländer gewesen. Alle drei werden nach langen Verletzungspausen nicht rechtzeitig fit.

Immerhin: Vier Spieler bringen die Erfahrung für ein großes Turnier mit der A-Nationalmannschaft mit: Torwart Andreas Wolff, Linksaußen Rune Dahmke, Linkshänder Kai Häfner und Kreisläufer Jannik Kohlbacher gehörten bereits bei der Europameisterschaft 2016 zum Kader. Damals in Polen holten die deutschen Handballer den bislang letzten Titel.

Auftakt vor 50.000 Handball-Fans in Düsseldorf

Das Ziel für die Europameisterschaft im eigenen Land: Das DHB-Team will es ins Halbfinale schaffen. Der Kader für diese Mission steht, der Fahrplan ebenfalls. Nach den Weihnachtstagen werden die Handballer einen dreitägigen Kurzlehrgang in Frankfurt absolvieren. Am Neujahrstag beginnt die finale Vorbereitung in Brunsbüttel. Letzte Härtetests vor dem Auftaktspiel in Düsseldorf gegen die Schweiz sind zwei Länderspiele gegen Portugal in Flensburg (4. Januar) und in Kiel 6. Januar).

Dann startet Gislason mit seinem jungen Kader vor einer Rekordkulisse. Rund 50.000 Zuschauerinnen und Zuschauer werden den Auftakt der EM in Düsseldorf verfolgen. So viele gab es bei einem Handballspiel noch nie. Eine Kulisse, die DHB-Sportvorstand Axel Kromer optimistischer klingen lässt als noch im Sommer. „Wir haben eine richtig starke Mannschaft beisammen, die über sehr hohe Qualität und ebensolches Selbstvertrauen verfügt sowie das herausragende deutsche Heimpublikum in ihrem Rücken weiß.“

Der Kader:

Tor: David Späth (Rhein-Neckar Löwen), Andreas Wolff (Industria Kielce)

Linksaußen: Rune Dahmke (THW Kiel), Lukas Mertens (SC Magdeburg)

Rückraum Links: Martin Hanne (TSV Hannover-Burgdorf), Sebastian Heymann (Frisch Auf Göppingen), Julian Köster (VfL Gummersbach), Philipp Weber (SC Magdeburg)

Rückraum Mitte: Juri Knorr (Rhein-Neckar Löwen), Nils Lichtlein (Füchse Berlin), Marian Michalczik (TSV Hannover-Burgdorf)

Rückraum Rechts: Kai Häfner (TVB Stuttgart), Renars Uscins (TSV Hannover-Burgdorf), Christoph Steinert (HC Erlangen)

Rechtsaußen: Patrick Groetzki (Rhein-Neckar Löwen), Timo Kastening (MT Melsungen)

Kreis: Justus Fischer (TSV Hannover-Burgdorf), Johannes Golla (SG Flensburg-Handewitt), Jannik Kohlbacher (Rhein-Neckar Löwen)