Hamburg. Die Barclays Arena ist ausverkauft: Am Sonntag wird der Nationalspieler in Hamburg verabschiedet. Für das Team ein klarer Verlust.

Am Sonntag wird es emotional werden in der Barclays Arena. Nach 175 Länderspielen soll Johannes Bitter offiziell aus der Handball-Nationalmannschaft verabschiedet werden. Rund 12.000 Fans werden dabei sein, wenn der Deutsche Handballbund (DHB) den Bundesligakeeper des HSV Hamburg (HSVH) nach dem Spiel gegen Weltmeister Dänemark (14.15 Uhr/ZDF) angemessen würdigt.

„Jogi hat viel für den Handball getan, ist einer der großen Spieler in der deutschen Geschichte“, sagte Bundestrainer Alfred Gislason zuletzt über den 40-Jährigen, der 2007 Weltmeister wurde und zuletzt nur noch in personellen Notlagen bereitstand. „Jogi gehört immer noch zu den Besten der Welt.“

Handball-Nationalmannschaft: Spieler Johannes Bitter wird am Sonntag verabschiedet

Dies kann Gislason blöderweise nicht von allen Spielern seines aktuellen Kaders behaupten. Am Donnerstagabend erlebte die DHB-Auswahl bei der 23:30-Niederlage im dänischen Aalborg eine Lehrstunde. Der Weltmeister war in der Hinspielpartie des EHF Euro Cups, an dem neben Deutschland und Dänemark mit Europameister Schweden und dem EM-Zweiten Spanien die vier bereits für die EM (10. bis 28. Januar 2024) qualifizierten Teams teilnehmen, ohne Topstars wie Torwart Niklas Landin, Regisseur Rasmus Lauge oder Kapitän Mikkel Hansen angetreten.

Johannes Bitter ist bekannt für seine guten Leistungen. Nun ist seine Zeit als Nationalspieler vorbei. (Archivbild)
Johannes Bitter ist bekannt für seine guten Leistungen. Nun ist seine Zeit als Nationalspieler vorbei. (Archivbild) © IMAGO / Beautiful Sports

Dennoch wurde Deutschland – immerhin WM-Fünfter – mitunter vorgeführt, lag zeitweise mit elf Toren zurück. „Wir haben im Angriff unwahrscheinlich viele Fehler gemacht, waren drucklos und unbeweglich. 25 Fehlwürfe sind gegen so gut wie jede Mannschaft tödlich“, sagte Gislason bei einem Medientermin am Freitag.

Bundestrainer Gislason setzt auf den WM-Kadar aus dem Januar

Angesichts der Heim-EM in zehn Monaten, für die sich der DHB eine Medaille als Ziel gesetzt hat, setzt Bundestrainer Gislason für die Spiele gegen Dänemark auf seinen WM-Kader aus dem Januar. Bis auf eine oder zwei Positionen dürfte sich an diesem Aufgebot bis zur EM auch nichts mehr ändern, die Mannschaft soll sich einspielen. Ob das Team in den kommenden Monaten aus der erweiterten Weltspitze zu den Titelkandidaten aufsteigen kann, ist allerdings zweifelhaft.

Dass Bitter sich endgültig aus der Nationalmannschaft verabschiedet hat, ist noch das geringste Problem. Auf der Torhüterposition ist Andreas Wolff (32/KS Kielce) ein Akteur von Weltklasseformat. Auch Kapitän und Kreisläufer Johannes Golla (25/SG Flensburg-Handewitt) zählt zu dieser Kategorie, Spielmacherjuwel Juri Knorr (22/Rhein-Neckar Löwen) ist auf dem besten Weg dorthin. Knorr erlitt am Donnerstag zwar einen Pferdekuss, sein Einsatz am Sonntag ist aber nicht gefährdet. Deutlich fraglicher ist dagegen, ob Rückraumass und Innenblock-Stabilisator Julian Köster (22/VfL Gummersbach) mitwirken kann. „Wir können es noch nicht sagen, er ist immer noch stark erkältet“, sagte Gislason.

Wenige wirklich starke Spieler gibt es derzeit beim DHB

Wolff und Golla, dazu die noch jungen Knorr und Köster – das ist das Beste, was die DHB-Auswahl zurzeit zu bieten hat. Der restliche Kader besteht aus – so ehrlich muss man sein – überdurchschnittlichen Bundesligaspielern, die meisten davon mit internationalem Niveau. „Bei der WM im Januar war unsere Abwehr mit Köster und Golla im Innenblock sehr stabil. Bei jeder Veränderung hat das aber anders ausgesehen“, klagte Gislason.

Absolute Superstars sucht man beim DHB vergeblich. Der bisher letzte Deutsche, der als Welthandballer geehrt wurde, war Torhüter Henning Fritz im Jahr 2004. Dänemark hingegen räumte bei den vergangenen fünf Wahlen viermal ab, jeweils zwei Auszeichnungen erhielten Torhüter Landin (34/THW Kiel) und Rückraumstar Hansen (35/Aalborg HB), der mit Stresssymptomen seit Anfang Februar krankgeschrieben ist. Auch Landin und Lauge (31/Telekom Veszprem) erhalten von Dänemarks Trainer Nikolaj Jacobsen gegen Deutschland eine Ruhepause.

Doch auch ohne die drei Superstars hat Dänemark weitere sportliche Schwergewichte im Aufgebot. Allen voran der erst 22 Jahre alte Mathias Gidsel, der seit seinem Wechsel zu den Füchsen Berlin im Sommer 2022 mit seiner Geschwindigkeit zu den größten Attraktionen der Bundesliga zählt – und neben Niklas Landin zurzeit für die Wahl des Welthandballers 2022 nominiert ist. Deutsche Profis tauchen in der Liste erneut nicht auf.

Johannes Bitter soll im Notfall noch immer einspringen können

Ein Grund für die dänische Stärke ist die bessere Nachwuchsarbeit. „Wir haben eine viel breitere und bessere Ausbildung. In Berlin und Magdeburg machen sie das gut mit den Internaten, aber so viele gibt es davon nicht in Deutschland“, sagte Dänemark-Coach Jacobsen der „FAZ“.

Obwohl DHB-Sportdirektor Axel Kromer betonte, dass Bitter trotz seiner Verabschiedung auch weiterhin bei personellen Engpässen bereitstehe, verschwindet mit dem Keeper der letzte Hamburger Spieler aus dem erweiterten Kreis des DHB. „Nur weil im 35er-Kader zuletzt kein Hamburger war, heißt das nicht, dass sich das in der Zukunft nicht ändern kann“, sagte Gislason am Freitag auf Abendblatt-Nachfrage. Vor allem die 23 Jahre alten HSVH-Rückraumspieler Leif Tissier und Dominik Axmann habe er im Blick. „Tissier hat in der vergangenen Saison sehr gut gespielt, war dann aber verletzt“, sagte Gislason. „Auch Axmann ist jemand, der es sehr gut macht und beim HSVH immer mehr im Innenblock verteidigt.“

Jacob Lassen dürfte die Mannschaft am Sonntag gut unterstützen

Komplett ohne HSVH-Profis muss das Spiel in der ausverkauften Arena aber nicht auskommen. Rückraumakteur Jacob Lassen (27) ist als Ersatzmann für Gidsel bei Dänemark dabei. Gemeinsam mit seinem nicht berücksichtigten Landsmann und HSVH-Linksaußen Casper Mortensen (33) ist er mit 98 Treffern zurzeit immerhin der drittbeste Feldtorschütze der Bundesliga. Einen deutschen Pass haben beide aber dummerweise nicht.