Hamburg. HSVH-Profi Casper Mortensen über seinen Nationalmannschaftsfrust, seine neue Rolle als Vater und einen neuen Vertrag.

Das sonnige Wetter am Mittwoch nutzte Casper Mortensen für einen Spaziergang an der Außenalster. Vor sich her im Kinderwagen schob der Linksaußen des HSV Hamburg (HSVH) seinen Sohn Carlo , der am 14. Dezember des vergangenen Jahres geboren wurde – ausgerechnet am 33. Geburtstag von Vater Cas­per. Den Frust über die verpasste WM-Nominierung für das dänische Nationalteam konnte Mortensen, der mit Hamburgs Bundesligahandballern am Sonntag (16.05 Uhr) bei der SG Flensburg-Handewitt antritt, dank Carlo schnell vergessen.

Hamburger Abendblatt: Herr Mortensen, wie viele Stunden haben Sie in der vergangenen Nacht geschlafen?

Casper Mortensen: Wir mussten heute schon ziemlich früh zum Dänischen Konsulat fahren, weil wir einen Ausweis für Carlo besorgen mussten. Der einzige Termin, der mit unseren Trainingszeiten zusammengepasst hat, war um 8.30 Uhr. Von unserer Wohnung in Winterhude bis in die Innenstadt braucht man auch ein bisschen Zeit, deshalb waren es wohl nicht mehr als sieben Stunden Schlaf.

Sie haben mal gesagt, dass Sie mindestens zehn Stunden schlafen wollen, um optimal zu regenerieren. Mit einem Baby zu Hause scheint das nicht so einfach zu sein, oder?

Es ist ein neues Leben, das wir jetzt führen. Meine Frau Stine hat aber großes Verständnis dafür, dass ich Handballprofi bin. Sie hat immer den Nachtdienst, sodass ich auch noch regelmäßig auf meine zehn Stunden komme. Ich übernehme dann den Tagdienst, gehe häufig mit Carlo spazieren. Ich freue mich einfach jeden Tag, wenn ich nach dem Training nach Hause komme. Ich genieße jeden Augenblick mit unserem Sohn, auch wenn er mal schreit (lacht). Nein, im Ernst: Er ist total süß, lächelt fast die ganze Zeit. In unserem Leben hat ein neues Kapitel begonnen. Jetzt geht es nicht mehr um Stine und mich, sondern um Carlo.

Wann wird Carlo Sie das erste Mal in der Halle spielen sehen?

Eigentlich wollte meine Frau ihn schon beim Heimspiel gegen Hannover mitnehmen. Das hat dann aber nicht so gut gepasst, weil erst um 19 Uhr Anwurf war. Meistens geht er dann schon ins Bett. Vielleicht kommt er beim nächsten Heimspiel gegen Erlangen mit, da geht es schon nachmittags los. Dann bekommt er wahrscheinlich Kopfhörer auf gegen den Lärm.

Hat Sie die aufregende Zeit nach der Geburt auch von der Handball-WM abgelenkt? Sie wurden von Nationaltrainer Nikolaj Jacobsen erneut nicht nominiert, Dänemark wurde ohne Sie Weltmeister ...

Das Timing war perfekt. Zum einen, weil Carlo an meinem Geburtstag geboren wurde. Und zum anderen, weil Toto uns während der WM drei Wochen freigegeben hat. Wir haben uns dann für zwei Wochen ein Ferienhaus in Süddänemark genommen und die Zeit zu dritt genossen. Mir persönlich hat das sehr geholfen, den Kopf auszuschalten. Außer dem Finale habe ich kein einziges WM-Spiel von Dänemark gesehen. Die meisten Spiele waren ohnehin abends, da lag ich in der Regel mit Carlo zusammen im Bett. Die Familie war mir wichtiger als die WM.

HSV Hamburg bastelt weiter an seinem Kader der Zukunft


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  • Hat Ihnen Nikolaj Jacobsen mal erklärt, warum Sie als Führender der Bundesliga-Torschützenliste nicht berücksichtigt wurden? Auch am 12. März, wenn Dänemark in Hamburg gegen Deutschland beim EHF Cup antritt, werden Sie nicht dabei sein.

    Nikolaj hat mich im Dezember, zwei Tage nach Carlos Geburt, angerufen und gesagt, dass ich nicht bei der WM dabei bin. Er hat mir erklärt, dass er den Kader nicht verändern will, weil sie die Spiele vor der Nominierung alle gewonnen hatten. Ich habe ihm gesagt, dass ich anderer Meinung bin, die Entscheidung aber akzeptieren muss, weil er der Trainer ist. Nikolajs Entscheidung hat mich enttäuscht, weil ich in den vergangenen eineinhalb Jahren gezeigt habe, welche Leistung ich bringen kann.

    Ihr letztes Pflichtspiel für Dänemark war das gewonnene WM-Finale 2019.

    Der Trainer hat mir zwar gesagt, dass er mich zukünftig immer noch dabeihaben will. Und komplett abgehakt habe ich die Nationalmannschaft auch noch nicht. Wenn ich aber seit drei Jahren nicht mehr Teil der Mannschaft bin, merke ich mit der Zeit, dass es auch viele andere schöne Dinge gibt.

    In Flensburg wird Ihnen Emil Jakobsen gegenüberstehen, der zuletzt immer für Sie nominiert worden ist. Wollen Sie am Sonntag beweisen, dass Sie besser sind als er?

    Nein, überhaupt nicht. Emil spielt sein Spiel, ich spiele mein Spiel. Auch wenn wir gegen Kiel spielen, ist es für mich nicht wichtig, dass Magnus Landin auf der anderen Seite steht. Im vergangenen Jahr, das gebe ich zu, war die Situation aber noch ein bisschen schwieriger für mich. Vor der Europameisterschaft 2022 hatte Emil noch deutlich weniger als ich gespielt, weil er Hampus Wanne in Flensburg vor sich hatte. Dass er am Ende trotzdem zur EM fahren durfte, während ich zu Hause bleiben musste, hat mich extrem enttäuscht. Heute kenne ich die Situation. Ich habe mich daran gewöhnt, dass ich offenbar nur die Nummer drei bin. Ich konzentriere mich jetzt einfach auf mich selbst und versuche, alles für die Mannschaft und den Sieg zu geben.

    Woher nehmen Sie trotz solcher Rückschläge die Motivation dafür?

    Ich habe mich schon immer von Sportlegenden wie Kobe Bryant oder Muhammad Ali inspirieren lassen. Von Ali gibt es die Geschichte, dass er nur mit dem Boxen angefangen hat, weil ihm als Zwölfjähriger sein Fahrrad gestohlen wurde und er so wütend war, dass er es dem Dieb heimzahlen wollte. Bei späteren Gegnern stellte er sich dann vor, dass sie ihm das Fahrrad damals gestohlen hatten. Das stimmte zwar gar nicht, hat ihn aber in die richtige Stimmung für den Kampf gebracht. Auch ich spiele immer mit vielen Emotionen. Als Hannovers Domenico Ebner im letzten Spiel zwei Bälle in Folge von mir gehalten hat, war ich zwar einerseits sauer, habe meine Wut aber andererseits so genutzt, um es ihm bei den folgenden Würfen richtig zu zeigen. Nachdem ich dann einen Siebenmeter verwandelt hatte, habe ich beim Zurücklaufen direkt vor seinem Gesicht gejubelt, und wir hatten ein bisschen Trashtalk. Nach dem Spiel haben wir uns dann beide lachend abgeklatscht, und ich habe ihm zu den schönen Paraden gratuliert (lacht). So ist das im Handball.

    Flensburg ist eins von den Topteams, gegen das Sie seit dem Aufstieg noch nicht gewinnen konnten. Was macht Ihnen Hoffnung, dass es am Sonntag besser läuft?

    Wir waren gegen die Topmannschaften häufig sehr nah dran. Das Problem ist, dass diese Teams jeden Fehler bestrafen. Momentan haben wir aber einen wirklich guten Lauf, haben gegen Magdeburg sehr wenige und gegen Hannover fast gar keine technischen Fehler gemacht. Außerdem muss man gegen die Topteams in der 55. Minute immer mit drei oder vier Toren führen, um eine Chance zu haben. Andere Teams geben dann vielleicht schon auf, diese Mannschaften aber nicht. Sie glauben immer bis zum Schluss daran, dass sie das Spiel gewinnen werden. Die meisten Spiele werden im Kopf entschieden.

    Wie schaffen Sie es, dass sich auch beim HSVH diese Siegermentalität entwickelt?

    Das ist etwas, das im Laufe der Zeit immer mehr wächst. Als ich 2013 meine erste WM mit Dänemark spielte, habe ich zum ersten Mal diesen absoluten Ehrgeiz von Topteams gespürt. Manchmal standen wir im Training zwei Stunden lang in der Halle und haben nur taktische Details trainiert. Gefühlt haben die Trainer in diesen zwei Stunden 90 Minuten lang auf uns eingeredet. Gerade als Außenspieler ist das echt langweilig (lacht). Irgendwann habe ich aber verstanden, dass diese Details auf Topniveau entscheidend sind. Wenn es in der 57. Minute um Sieg oder Niederlage geht, muss jeder einzelne Spieler genau wissen, was auf dem Feld passiert. Ich merke, dass wir auch in Hamburg immer mehr auf diese Details achten.

    Merken Sie auch, dass sich Ihre Professionalität auf das Team abfärbt?

    Ob sich die anderen ein Beispiel an mir nehmen, müssen Sie sie selbst fragen. Ich bin aber jeden Tag hier, um mich zu verbessern. Auch durch meinen Sohn hat sich das übrigens nicht geändert. Meine Frau hat volles Verständnis dafür, dass ich mindestens vier Stunden lang weg bin, auch wenn wir nur eine Stunde lang Training haben. Ich könnte natürlich sagen, dass ich direkt nach dem Training nach Hause fahren muss, um meinen Sohn zu sehen. Es ist für mich aber selbstverständlich, dass ich einer der Letzten bin, die nach dem Training nach Hause gehen. Ich werfe nach dem Training zum Beispiel häufig noch 50 Siebenmeter, um in den Details besser zu werden. Und wenn ich dann zu Hause bin, bin ich dann auch zu 100 Prozent für meine Familie da.

    Ihr Vertrag beim HSVH läuft noch bis Sommer 2024. Wie wichtig ist Ihnen eine langfristige Planung auch darüber hinaus?

    Ich bin richtig glücklich in Hamburg und führe deshalb auch mit Sebastian Frecke (Geschäftsführer, d. Red.) Gespräche über eine Verlängerung. Ich kann mir sehr gut vorstellen, bis zum Karriereende in Hamburg zu bleiben. Innerhalb der nächsten Wochen möchte ich eine Entscheidung getroffen haben, um auch für meine Familie Planungssicherheit zu haben.