Hamburg. Die Hamburger setzen auf die Jugend. Um sich noch besser für die Zukunft aufzustellen, soll ein großes Projekt realisiert werden.

Am heutigen Sonnabend sucht der Handball Sport Verein Hamburg (HSVH) wieder Nachfolger für Leif Tissier (23), Dominik Axmann (23), Alexander Pinski (20) und all die anderen, denen einst der Wurf aus der Jugend in die erste Mannschaft gelang. Von 13.30 Uhr an spielen 35 Talente der Jahrgänge 2009 bis 2012 den 13 Trainern in der HSVH-Trainingshalle am Volkspark vor. Es ist das alljährliche Try-out, bei dem der Club neue Kräfte für seine acht Jugendmannschaften von der U 13 bis U 19 sichtet.

Aufstieg der HSV-Handballer wäre ohne gute Nachwuchsarbeit nicht möglich gewesen

Der Aufstieg des Nachfolgers der europäischen Spitzenmannschaft HSV Handball, die 2011 deutscher Meister, 2013 Champions-League-Sieger und im Januar 2016 wegen unbezahlter Rechnungen aus der Bundesliga verbannt wurde, binnen fünf Jahren aus der viertklassigen Oberliga Hamburg/Schleswig-Holstein in die Erste Liga wäre ohne eine erfolgreiche Jugendarbeit kaum möglich gewesen.

Tissier und Axmann sind Stammkräfte im Team von Cheftrainer Torsten Jansen. Sie leisteten Donnerstagabend beim 32:26 (15:12)-Sieg über Hannover-Burgdorf einmal mehr tätige Mithilfe, damit der HSVH auch im zweiten Jahr seiner neuen Bundesliga-Zugehörigkeit den Klassenkampf mit dem Fernglas beobachten kann.

Im Januar wurde der Verein zum dritten Mal in Folge nach dem Neustart 2016 mit dem Jugendzertifikat der Handball-Bundesliga (HBL) ausgezeichnet. Erhielt der HSVH dieses Gütesiegel in der Zweiten Bundesliga bei abgeschwächten Kriterien mit Stern, ist dieser jetzt auch unter den höheren Anforderungen das Ziel.

HSVH-Nachwuchs befindet sich noch im Aufbau

„Wir befinden uns mit unserem Nachwuchsbereich trotz aller bisherigen Erfolge noch im Aufbau. Mehr hauptamtliche Trainer, Zusammenarbeit mit wissenschaftlichen Einrichtungen und eine Kooperation mit einem Drittligaverein wie der SG Hamburg-Nord wären Vorgaben, die wir für den Stern erfüllen müssten. Das fordert zusätzliche Ressourcen, Manpower und finanzielle Mittel, die wir im Moment nicht haben“, sagt Stefan Schröder.

Schröder (41) ist der Jugendvorstand des HSV Hamburg. Der ehemalige Nationalspieler blieb 2016 als einziger Profi im Verein, widerstand allen Verlockungen in- und ausländischer Clubs, setzte seine Karriere in der Oberliga Hamburg/Schleswig-Holstein fort und beendete sie 2018/19 in der Zweiten Bundesliga. Als Trainer führte er die 2021 gegründete U 21 in die Oberliga.

Auf Tabellenplatz fünf rangiert die Nachwuchsmannschaft vor den zweiten Teams der nördlichen Bundesligakonkurrenten THW Kiel (9.) und SG Flensburg-Handewitt (14./Letzter). Mittelfristig angestrebt wird der Aufstieg in die 3. Liga Nord, „weil der sportliche Unterschied zwischen Bundesliga und Oberliga doch zu groß ist, damit sich unsere Spieler weiterentwickeln können“, sagt Schröder, der beim HSVH e.V. angestellt ist.

Nachwuchskoordinator Sven Rusbült (33/A-Lizenz), zugleich Trainer der U-19-Bundesliga, und Athletikcoach Philipp Winterhoff (34) werden von der Bundesliga-Spielbetriebsgesellschaft bezahlt. Die U 19 qualifizierte sich zum dritten Mal hintereinander vorzeitig für die nächste Bundesligasaison, verpasst in dieser Spielzeit in der Meisterrunde II aber das Viertelfinale um die deutsche Meisterschaft.

Verein muss für die Kosten der Nachwuchsarbeit selbst aufkommen

Seit zwei Jahren muss der Verein die rund 400.000 Euro Kosten für die Nachwuchsarbeit über Mitgliedsbeiträge, Spenden und eigene Sponsoren selbst aufbringen. Der Tabellenzweite Rhein Neckar Löwen investiert rund eine Million Euro in seine Jugendarbeit. In der Vergangenheit hatten die Spielbetriebsgesellschaften der Erstligisten eine Lizenzgebühr an ihre Stammvereine zahlen müssen, da diese die Spielrechte besaßen. Beim HSVH waren es rund 200.000 Euro. Die Entschädigungen entfielen, weil die GmbHs inzwischen selbst die Lizenzen für die Erste und Zweite Liga bei der HBL beantragen können.

Handballtalente in Hamburg zu halten, sagt Schröder, sei der Grundgedanke der Nachwuchsförderung. Die Strukturen, um auch bundesweite Begabungen in die Stadt zu locken, fehlten. Fünf Internatsplätze in der Nordschleswiger Straße in der Nähe des Dulsberger Olympiastützpunktes stehen dem HSVH zur Verfügung. Sie werden von Jugendlichen aus dem Umland genutzt. „Wir haben dank des hochprofessionellen Engagements aller Mitarbeiter bereits viel erreicht“, sagt Vereinspräsident Marc Evermann, „der nächste Schritt wäre der Aufbau einer Handball-Akademie. Daran arbeiten wir.“

HSV Hamburg kooperiert mit Eliteschule des Sports

Zentraler Baustein bleibt die Zusammenarbeit mit der Eliteschule des Sports am Alten Teichweg, die aktuell 30 Handballer besuchen. Schröder, Rusbült und Stand-by-Profi Lukas Ossenkopp (30) leiten dort das Morgentraining vor Schulbeginn. Mit Kraft- und Nachmittagstraining am Stützpunkt oder im Verein kommen die Jugendlichen auf acht bis zehn Übungseinheiten in der Woche, dazu sind sie am Wochenende in verschiedenen Teams meist zweimal bei Spielen gefordert. „Wer nach oben will, für den ist dieses Programm alternativlos“, sagt Schröder.

Was den HSVH für den Nachwuchs attraktiv macht, ist die Durchlässigkeit bis ins Bundesligateam. Mit Torhüter Pinski, Levin Unbehaun, Max Niemann, Alexander Hartwig, Mats Quardfasel, Thore Feit und Lennard Benkendorf standen in dieser und in der vergangenen Saison bereits sieben U-21-Spieler im Bundesligakader. Feit, Pinski und Niemann erhielten vor der Saison sogar einen Vertrag.