Hamburg. Nur Sekunden fehlen den Handballern gegen Flensburg zu einem Punkt. Eine drohende Sperre und der Fan-Zuspruch bereiten aber Sorge.

„Schieber, Schieber, Schieber“, hallte es am Donnerstagabend durch die Barclays Arena am Volkspark, in den Gesichtern der Spieler des HSV Hamburg (HSVH) machte sich Enttäuschung breit. Mit 30:31 (13:17) unterlagen Hamburgs Bundesligahandballer zum Saisonauftakt der SG Flensburg-Handewitt. Erst fünf Sekunden vor der Schlusssirene hatte Flensburgs Johannes Golla den entscheidenden Treffer erzielt, nachdem der HSVH nach einer doppelten Zweiminutenstrafe gegen Tobias Schimmelbauer und Trainer Torsten Jansen nur zu viert verteidigte. Die gellenden Pfiffe nach Spielende galten den Schiedsrichtern, sportlich hatten sich die Gastgeber indes nichts vorzuwerfen. Bester HSVH-Werfer war Rückraum-Neuzugang Jacob Lassen mit sieben Toren.

Flensburg – auch in dieser Saison ein Anwärter auf den Meistertitel – verlor im Sommer unter anderem seine langjährige Flügelzange. Rechtsaußen Lasse Svan beendete seine Karriere, Linksaußen Hampus Wanne wechselte zum Starensemble des FC Barcelona. Die Neuzugänge, Rechtsaußen Johan Hansen (TSV Hannover-Burgdorf) und Linksaußen August Pedersen (Drammen HK), treten ein schweres Erbe an. Ob sie das Zeug dazu haben, ließ sich am Donnerstagabend noch nicht ablesen. Hansen fehlte gegen den HSVH wegen eines Muskelfaserrisses im Oberschenkel wie auch Rückraumspieler Aaron Mensing (Fußverletzung).

Hamburgs Handballer lassen sich von Flensburg-Handewitt nicht abschütteln

Dass die SG mit Spielern wie Nationalmannschaftskapitän Golla oder Ausnahme-Spielmacher Jim Gottfridsson immer noch deutlich mehr individuelle Qualität als der Gastgeber aufzubieten hatte, wurde gleich in den Anfangsminuten deutlich. Im Eins-gegen-eins ließ sich die HSVH-Deckung häufig überrumpeln, nach zehn Minuten liefen die Hausherren bereits einem Dreitorerückstand hinterher (3:6). SG-Keeper Kevin Møller parierte gleich mehrere freie Würfe, HSVH-Coach Torsten Jansen vergrub das Gesicht wahlweise in den Händen oder schüttelte mit dem Kopf.

Unter den Augen von HSVH-Vizepräsident Martin Schwalb, der das vergangene Wochenende noch wegen eines entzündeten Nervs im Gleichgewichtsorgan im Krankenhaus verbringen musste, ließen sich die Hamburger jedoch nicht einfach abschütteln. Spielmacher Dani Baijens erhielt als Neuzugang direkt den Vorzug vor Co-Kapitän Leif Tissier – und zahlte das Vertrauen mit einem starken Auftritt zurück. Nach einer Parade von HSVH-Schlussmann Johannes Bitter (insgesamt acht) traf der pfeilschnelle Niederländer Mitte der ersten Halbzeit zum 7:8-Anschluss. Spätestens als Linksaußen Casper Mortensen wenig später ausglich (11:11/20.), kam auch erstmals richtig Stimmung in der Arena auf.

„Ohne Schiri habt ihr keine Chance“, spotteten die lautstarken Flensburger Gästefans – und spielten damit auf die mitunter sehr kleinliche Linie des Schiedsrichterduos Martin Thöne/Marijo Zupanovic an. Tatsächlich profitierte der HSVH von mehreren Zweiminutenstrafen gegen die SG – andersherum die SG aber genauso von Strafen gegen den HSVH. Sowohl Flensburgs Simon Hald als auch Hamburgs Niklas Weller kassierten bereits in der ersten Halbzeit zwei Zweiminutenstrafen, drohten bei einem dritten Vergehen mit einer Roten Karte auf der Tribüne Platz nehmen zu müssen.

Kurz vor dem Seitenwechsel tat Flensburg dann das, was eine Spitzenmannschaft nun mal tut. Sie bestrafte jeden Fehler. Und weil der HSVH davon im Abschluss so einige zu bieten hatte, zogen die Gäste zur Pause auf 13:17 davon.

Weller droht nach Blauer Karte Sperre

Doch erneut ließ sich das Jansen-Team nicht von dem Rückstand beeindrucken, kämpfte sich auch dank Keeper Bitter, der am Tag vor seinem 40. Geburtstag erheblichen Anteil daran hatte, dass die Gastgeber wieder auf ein Tor herankamen. Wie schnell bei den Fans aus Euphorie Zorn werden kann, zeigte dann eine Szene in der 42. Minute. Nach einem Ellenbogenschlag Wellers ging Gottfridsson zu Boden, wälzte sich im Siebenmeterkreis. Neben der Roten Karte gab es für den HSVH-Kreisläufer auch die Blaue Karte wegen grober Unsportlichkeit. Damit droht ihm eine Sperre für weitere Spiele oder eine Geldstrafe.

Während Gottfridsson fortan bei jeder Ballberührung gnadenlos ausgepfiffen wurde, ließ sich der HSVH von der vergifteten Stimmung weiter anstacheln. Nach dem Ausgleich durch Frederik Bo Andersen (25:25/49.) war die Partie wieder völlig offen. Es entwickelte sich ein Handball-Krimi, beide Teams hätten das Spiel in der Schlussphase für sich entscheiden können. Dann begann die hitzige Schlussminute, kassierten die Hamburger zwei bittere Strafen. Flensburg verhinderte hingegen den Ausrutscher zum Saisonstart.

HSVH-Zuschauerzuspruch enttäuscht

Unterdessen muss sich der HSVH in den kommenden Wochen auch mit dem fehlenden Zuschauerzuspruch befassen. Gegen Flensburg kamen gerade einmal 4189 Fans, darunter einige Hundert SG-Anhänger, in die 12.000 Zuschauer fassende Arena am Volkspark. Neben den warmen Temperaturen, die es dem Hallensport im Sommer traditionell schwer machen, sorgten auch die vergleichsweise hohen Ticketpreise von bis zu 52 Euro für das Fernbleiben vieler Anhänger. In der vergangenen Saison kamen noch rund 6500 Fans zum Nordderby gegen die SG.

Damit sich die Heimspiele in der Barclays Arena (Tagesmiete von ca. 60.000 Euro) für den HSVH überhaupt finanziell lohnen, werden mindestens 4500 Zuschauer benötigt. Dass diese Zahl in den kommenden Heimspielen gegen GWD Minden (11. September) und den Bergischen HC (22. September) erreicht wird, ist fraglich.

Tore HSVH: Lassen 7, Mortensen 6, Baijens 5, Weller 4, Andersen 3, Axmann 2, Valiullin 2, Magaard 1, Tissier, Theilinger, Schimmelbauer.
Tore Flensburg: Golla 8, Röd 6, Einarsson 4, Gottfridsson 3, Larsen 3, Möller 3, Semper, Jakobsen, Lindskog, Pedersen je 1.