Hamburg. Der HSV Hamburg muss sich nach Kaderumbruch erst finden. Die Leistungen aus Vorbereitung machen gleichzeitig Angst und Hoffnung.

Wer Torsten Jansen etwas genauer kennt, der weiß, dass der Trainer des HSV Hamburg (HSVH) nicht gerade zur Kategorie Quasselstrippe zählt. Das war in der Vergangenheit so – und hat sich erwartungsgemäß auch in der rund zweieinhalb Monate langen Sommerpause der Handball-Bundesliga nicht geändert. Und so antwortet der 45-Jährige vor dem Heimspiel-Saisonauftakt gegen die SG Flensburg-Handewitt an diesem Donnerstag (19.05 Uhr/Sky) in der Barclays Arena so, wie Torsten Jansen nun mal antwortet.

Eine Einschätzung zur sportlichen Situation? „Ist vor der Saison schwer zu geben.“ Ob sich die Neuzugänge zügig an das Niveau anpassen werden? „Sie haben keine andere Wahl.“ Ob er sich einen vermeintlich schwächeren Gegner zum Start gewünscht hätte? „Der Spielplan ist, wie er ist.“ Und überhaupt: „Ich bin kein Freund von Prognosen.“

HSV Handball: Einige Fragezeichen vor dem Auftakt

Tatsächlich gibt es beim HSVH, der sich in der vergangenen Saison als Aufsteiger auf Platz 14 souverän den Klassenerhalt sicherte, einige Fragezeichen. Acht Abgänge verzeichnete der Verein im Sommer, der Kaderumbruch ist der größte seit der Insolvenz und dem Neuanfang in der Dritten Liga 2016. Das neue Motto ist Klasse statt Masse. Obwohl der Kader deutlich verkleinert wurde, stieg der Etat von 4,5 Millionen Euro auch dank des neuen Premiumsponsors (zweithöchste Kategorie) Eurowings auf rund 6,0 Millionen Euro.

Mit dem kroatischen Torhüter Ivan Budalic (25), der bis zur erwarteten Rückkehr von Jens Vortmann (35/Achillessehnenriss) im Frühjahr 2023 unter Vertrag steht, Kreisläufer Andreas Magaard (24/Dänemark), Spielmacher Dani Baijens (24/Niederlande) und dem Rückraumrechten Jacob Lassen (26/Dänemark) kamen nur vier Neue.

Casper Mortensen ist wieder fit

Jede Position ist doppelt besetzt – personelle Engpässe sind Teil der Risikoabwägung. Als Absicherung stehen die 19 Jahre alten Eigengewächse Alexander Pinski (Torwart), Max Niemann (Spielmacher) und Thore Feit (Kreisläufer) zur Verfügung. Ihre Profiverträge laufen bis zum Saisonende, neben dauerhaftem Training mit dem Bundesligateam sollen sie jedoch vor allem in der U 21 in der viertklassigen Oberliga Hamburg/Schleswig-Holstein zum Einsatz kommen. Ex-Kapitän Lukas Ossenkopp (29) steht zudem als Spielertrainer auf Abruf bereit.

Gegen Flensburg wird es auf der Rechtsaußenposition direkt eng. Weil Thies Bergemann (26), der bereits weite Teile der Vorbereitung wegen einer Fußverletzung verpasste, weiter ausfallen wird, muss U-21-Talent Mats Quardfasel (19) aushelfen. Linksaußen Casper Mortensen (32/Dänemark) ist nach seiner Achillessehnenreizung hingegen wieder fit, auch Spielmacher und Co-Kapitän Leif Tissier (22) kann nach seinen Patellasehnenproblemen spielen. Rückraumspieler Dominik Axmann (23) kränkelte in den vergangenen Tagen, dürfte sich das Nordderby jedoch nicht nehmen lassen.

„Es wird ein Kampf um den Klassenerhalt"

„Es wird ein Kampf um den Klassenerhalt. Das wissen alle, wir müssen uns keiner Illusion hingeben“, sagt Trainer Jansen. Im Etat-Ranking der Liga liegt der HSVH im unteren Mittelfeld, Rekordmeister THW Kiel hat mehr als doppelt so viel Geld zur Verfügung. Auch Flensburg, die sich mit Kiel, Meister SC Magdeburg und den Füchsen Berlin erneut um die Meisterschaft streiten dürften, bewegt sich in anderen Sphären als der HSVH. „Flensburg ist ein schöner Gegner zum Start, weil wir noch keinen Druck haben. Die müssen bei uns gewinnen, wir können frei aufspielen“, sagt Spielmacher Tissier.

Ob die Hamburger gegen das Starensemble mithalten können, wird vor allem von der Abwehrleistung abhängen. Nach dem Karriereende von Routinier Manuel Späth (36), der dem Mittelblock in der vergangenen Saison große Stabilität verlieh, muss sich der Deckungsverbund noch finden. „Er war wegen seiner Erfahrung und Sicherheit ein Faktor in unserer Abwehrarbeit. Jetzt müssen wir mehr über das Kollektiv kommen. Ich bin aber überzeugt, dass wir das auch hinbekommen“, sagt Jansen über Späths Abgang.

Schwankenden Leistungen geben Anlass zur Sorge

Die schwankenden Leistungen in der Vorbereitung gaben Anlass zu Hoffnung und Sorge zugleich. Nachdem sich das Team beim Gewinn des Heide-Cups sowohl gegen den französischen Erstligisten St. Raphael (33:32) als auch die Bundesligakonkurrenten HSG Wetzlar (29:22) und SC DHfK Leipzig (46:45 nach Siebenmeterwerfen) durchsetzte, gab es besorgniserregende Auftritte. Gegen Zweitligist VfL Lübeck-Schwartau gab es eine 23:27-Pleite, 27 Gegentore waren in dem 40-minütigen Test deutlich zu viel.

Auch gegen Zweitligaaufsteiger VfL Potsdam gab es nur ein 31:31, insbesondere die Abwehrleistung in Halbzeit eins (13:19) war indiskutabel. „Man sollte die Ergebnisse aus der Vorbereitung nicht zu hoch hängen. trotzdem waren die Spiele gegen die Zweitligisten eine Warnung“, sagt Tissier.

Nach Flensburg wartet GWD Minden

Vor allem für die dänischen Neuzugänge Magaard und Lassen stellt die Sprachbarriere noch eine der größten Hürden dar. Magaard, der im Mittelblock das Erbe von Späth antreten soll, und Lassen, der in Dänemark lange Zeit nur im Angriff eingesetzt wurde, nehmen regelmäßig Deutschstunden, benötigen aber noch Zeit. „Im Angriff lässt sich das richtige Zusammenspiel über viele Wiederholungen gut steuern. In der Abwehr geht es hingegen auch oft um die Frage, ob das gegenseitige Vertrauen schon da ist. Deshalb ist es dort etwas schwieriger“, weiß Jansen.

Viel Zeit bleibt dem HSVH jedenfalls nicht. Nach der Auftaktpartie gegen Flensburg, die nur als Bonusspiel gilt, warten mit den Heimspielen gegen GWD Minden (11. September, 16.05 Uhr) und den Bergischen HC (22. September, 19.05 Uhr) zwei Duelle, die der HSVH gewinnen sollte, um nicht sofort in Abstiegsgefahr zu geraten. Dass diese Gefahr besteht, zeigt der Blick auf die ersten drei Auswärtsgegner. Bei der MT Melsungen (8. September, 19.05 Uhr), die über einen der größten Etats der Bundesliga besitzt, in Leipzig (18. September, 16.05 Uhr) und Kiel (2. Oktober, 16.05 Uhr) sind die Hamburger nur Außenseiter.

HSV Handball: Viele Spiele in der Arena im Volkspark

„Teams wie Minden, Hannover oder Stuttgart haben sich enorm verbessert, dazu kommt mit Gummersbach ein spannender Aufsteiger mit individueller Klasse. Auch Hamm hat sich verstärkt, sodass es nicht die zwei, drei Teams gibt, die definitiv unten stehen werden“, warnt Tissier. Beim Auftakt gegen die SG werden rund 4000 Fans erwartet, darunter etwa 1650 Dauerkarteninhaber. In den Sommermonaten haben es Hallensportarten traditionell schwer – dennoch hatte sich der Verein mehr erhofft.

Während in der vergangenen Saison gegen Flensburg rund 6500 Fans kamen, reichen die 4000 nun nicht einmal, um die Spieltagskosten mit der Arenamiete von rund 60.000 Euro zu decken. Neun Heimspiele sollen in der Arena im Volkspark insgesamt ausgetragen werden. Die zweite Heimspielstätte, die Sporthalle Hamburg, ist noch bis Oktober wegen Bauarbeiten gesperrt. Auch die Spiele gegen Minden und den BHC werden somit in der großen Arena stattfinden.

1. Spieltag: Hamburg – Flensburg, Hannover – Leipzig, Lemgo – Gummersbach, Erlangen – Wetzlar (alle heute, 19.05 Uhr), Rhein-Neckar Löwen – Melsungen (Sa, 20.30 Uhr), Magdeburg – Hamm (So, 14 Uhr), Kiel – Stuttgart, Berlin – Göppingen, Minden – Bergischer HC (alle So, 16.05 Uhr).