Hamburg. Trainer Torsten Jansen über den Klassenerhalt mit dem HSV Hamburg, den personellen Umbruch und den Abstand zur Spitze.

Torsten Jansen (45) sieht gut erholt aus, als er das Abendblatt am Montagmittag frisch geduscht und mit kurzer Hose auf der Geschäftsstelle des HSV Hamburg (HSVH) empfängt. Obwohl seine Mannschaft am Sonntag durch einen 32:24-Heimsieg über TuS N-Lübbecke den Klassenerhalt in der Handball-Bundesliga perfekt gemacht hatte, bat der Trainer am Montag bereits wieder zu zwei Trainingseinheiten.

Hamburger Abendblatt: Herr Jansen, fünf Spieltage vor Schluss haben Sie das Saisonziel erreicht, zur Belohnung gab es für Ihre Spieler um 10 Uhr morgens Training. Ist die große Party ausgefallen?

Torsten Jansen: Ich habe drei Bier getrunken, war aber um halb elf im Bett. Die Kinder müssen in die Schule, da kann ich morgens eh nicht lange liegen bleiben. Die Jungs haben nach dem Training frei, da hat keiner gemeckert – zumindest nicht offiziell.

Wenn man Sie nach der Schlusssirene beobachtet hat, wirkten Sie extrem erleichtert. Stimmt der Eindruck?

Jansen: Es ist immer wichtig, wenn man diese rechnerische Unsicherheit aus dem Kopf hat. Natürlich kenne ich die Situation als Spieler, als Trainer herrscht aber ein anderer Druck. Man muss immer das große Ganze im Blick haben, trägt die Verantwortung. Ich würde aber beispielsweise nie sagen, dass ich es auf dem Spielfeld besser gemacht hätte, wenn ich noch spielen würde. Das ist totaler Quatsch. Letztendlich hat man aber begrenzte Einflussmöglichkeiten als Trainer.

Trauen Sie sich bereits ein vorläufiges Saisonfazit zu?

Jansen: Wenn wir jetzt noch fünf Spiele verlieren, wäre das doof. Grundsätzlich ist es für uns aber sehr wichtig, dass wir so frühzeitig unser Saisonziel erreicht haben. Das ist in der Vergangenheit wenigen Aufsteigern gelungen und eine super Sache für uns, auf die wir stolz sein dürfen. Wir können jetzt im Training auch andere Dinge in den Vordergrund stellen, die schon für die nächste Saison wichtig sind.

Jansen sieht noch Potenzial beim HSVH

Torhüter Johannes Bitter hat am Sonntagabend gesagt, dass viele Spieler bisher am oberen Limit gespielt haben. Hat er recht?

Jansen: Ich hoffe, dass wir noch nicht am Limit sind. Das würde bedeuten, dass das Potenzial beschränkt wäre. Wir haben junge Spieler, die noch einiges zu lernen haben. Es ist noch Luft nach oben und ich will, dass die Jungs das auch wissen. Wenn man oft genug hört, dass man schon am oberen Limit spielt, glaubt man es irgendwann auch. Das will ich vermeiden.

Zufriedenheit darf nicht sein?

Jansen: Nein. Man darf natürlich für den Moment sagen, dass man es gut gemacht und das Saisonziel vorzeitig erreicht hat. Das heißt aber nicht, dass man nur noch Urlaub macht und es vier Wochen lang ausklingen lässt. Wenn wir in der Trainingshalle stehen, wollen wir Gas geben. Sonst wäre mir die Zeit auch zu schade.

Die Neuzugänge waren schnell integriert, manche Spieler wie Nicolai Theilinger hatten aber mehr Probleme als erhofft. Wieso?

Jansen: Theile kam schon verletzt hier an, das ist immer schlecht als neuer Spieler. Er hatte auch nicht die Zeit, um die Vorbereitung nachzuholen, sondern wochenlang in der Reha verbracht. Dazu kommt das neue Umfeld. Dass das nicht einfach wird, war klar. Aber ich schenke ihm viel Vertrauen, damit er die laufende Spielzeit mit einem guten Gefühl abschließt. Im Hinblick auf die neue Saison muss ich da auch strategisch denken.

Wie Jansen den Umbruch anpackt

Viele Spieler, die den Verein zuletzt geprägt haben, gehen im Sommer. Haben Sie Sorge, dass der Teamgeist verloren gehen könnte?

Jansen: Am liebsten würde ich alle hierbehalten. Das ist die Mannschaft, die in den vergangenen Jahren diese wichtigen Schritte zusammen gegangen ist. Bei Jungs wie Philipp Bauer ist es sehr schade, leider waren die Vertragsgespräche zu einem ungünstigen Zeitpunkt. Wir wollten noch ein bisschen warten, er aber schon im Februar Klarheit haben. So war es nicht nur eine Entscheidung von uns, sondern auch von ihm. Auch mit den anderen Jungs geht ein Teil des Kerns. Ich will nicht sagen, dass ich Sorgen habe, ein bisschen Wehmut ist aber dabei. Für die neuen Spieler kann und sollte das aber auch eine Chance sein.

Dass Lukas Ossenkopp als Co-Trainer erhalten bleibt, dürfte umso wichtiger sein.

Jansen: Solche Identifikationsfiguren, die das Ganze seit der Dritten Liga mit hochgezogen haben, sind essenziell. Wir müssen versuchen, solche Leute weiter zu integrieren, auch wenn sich die Rolle verändert. Das finde ich ein gutes Zeichen.

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Was ist das Ziel für die kommende Saison?

Jansen: Zunächst sollten wir diese Saison zu Ende spielen und die Neuzugänge im Sommer ankommen lassen. Das zweite Jahr wird für einen Aufsteiger immer schwerer, wir werden logischerweise nicht um den Europapokal spielen. Viele erfahrene, wichtige Spieler werden uns verlassen. Inwieweit die neuen Jungs das ersetzen und das Niveau noch mal anheben können, kann man noch nicht sagen.

Jansen sieht Bundesligaspitze nicht als Maßstab

Die Bundesligaspitze ist zurzeit noch weit entfernt. Was fehlt Ihrer Mannschaft noch?

Jansen: Von allem etwas. Passgenauigkeit, Umschaltspiel, Disziplin. Wenn man sich die Torhüterquoten von Flensburg oder Kiel anguckt, wird man weich. Auch wirtschaftlich müssen wir uns weiterentwickeln. Nur dann können wir Spieler zu uns holen, die auf einer noch höheren Stufe spielen. Für mich ist die Situation aber völlig in Ordnung, ich bin nicht neidisch auf andere. Ich mag diese Aufbauarbeit, es dauert, bis man an der Spitze ist. Wenn man sieht, in wie kurzer Zeit dieser Verein wiederbelebt wurde, ist das außergewöhnlich. Das muss man wertschätzen. Dass die Schritte nach oben jetzt immer kleiner, aber gleichzeitig auch immer schwerer werden, sollte jeder wissen.

Die Geschwindigkeit der Entwicklung wird also abnehmen – die Euphorie auch?

Jansen: Jetzt kommen die ganz kleinen Schritte, die eigentlich die größten sind. Es gibt viele Mannschaften, die viel Geld in die Hand nehmen, um es ganz nach oben zu schaffen. Das ist aber unheimlich schwer. Teams wie Wetzlar oder Melsungen spielen seit 20 Jahren in der Bundesliga und wollen jedes Jahr einen Schritt nach oben machen. Für mehr als Platz fünf oder sechs reicht es aber einfach nicht. Wenn man nach ganz oben guckt, wird die Luft noch dünner. Da können wir noch nicht mithalten und sollten es auch nicht versuchen.