Hamburg. Mäzen Andreas Rudolph wollte anfangs offenbar keinen Ausstieg. Kritik an Wirtschaftsprüfern der Liga. Heute HBL-Entscheidung.

An diesem Mittwoch wird der Ball ein letztes Mal nach Dortmund zurückgespielt. Gideon Böhm, der Insolvenzverwalter der HSV Handball Betriebsgesellschaft mbH & Co. KG, will der Bundesliga (HBL) fristgemäß eine Stellungnahme zukommen lassen. Und die könnte das Aus des früheren deutschen Meisters und Champions-League-Siegers besiegeln.

Beim Stammverein HSV Hamburg geht man offenbar davon aus, dass der Spielbetrieb eingestellt werden muss. Diese Einschätzung soll das Präsidium Böhm am Montag mitgeteilt haben. Die verbleibenden 14 Bundesligaspiele sind selbst mit stark geschrumpftem Kader kaum finanzierbar. Eine spielfähige Mannschaft aufzustellen ginge nur mithilfe der eigenen U 23. Das aber würde deren Aufstieg in die Dritte Liga gefährden. Dort nämlich soll der HSV kommende Saison in aller Demut einen Neuanfang starten und die am Ende unselige Ära von Mäzen Andreas Rudolph hinter sich lassen.

Die Bundesligamannschaft wird zur neuen Saison wohl ohnehin dorthin zurückgestuft. Dass die Lizenzierungskommission der HBL um Geschäftsführer Frank Bohmann bei ihrer Sitzung in Ahlen am Mittwoch die Spielberechtigung entzieht, scheint unausweichlich. Grund ist der Zusatzvertrag des HSV mit Rudolph, in dem dessen Verpflichtungserklärung über 2,5 Millionen Euro beschränkt wird. Die HBL hatte erst am Freitag durch Böhm offiziell von dem Papier Kenntnis erlangt.

Rudolph hatte mehrere Zusatzvereinbarungen

Allerdings ist zweifelhaft, ob die Zahlungsunfähigkeit des HSV – bis Saisonende fehlen zwei Millionen Euro – tatsächlich darauf zurückzuführen ist. Nach Abendblatt-Informationen hatte Rudolph auch in den vergangenen Jahren solche Zusatzvereinbarungen mit dem HSV geschlossen. Am Ende aber hatte er stets alle existenzsichernden Zahlungen geleistet. Diesmal nicht. Offizielle Begründung des schwerreichen Medizintechnik-Unternehmers: Er habe „alle Verpflichtungen erfüllt“. Tatsächlich soll Rudolph seine Liquiditätszusage pauschal abgelehnt haben, weil er über die wirtschaftliche Situation des Clubs nicht aufgeklärt worden sei.

Trotzdem hat er sich offenbar noch Anfang vergangener Woche gegenüber Böhm kooperativ gezeigt. Erst als der ihm sein Zukunftskonzept vorstellte, in dem für Rudolph keine Rolle vorgesehen war, soll er auf stur gestellt haben.

Jetzt steht ein jahrelanger Rechtsstreit bevor. Böhm dürfte dabei die besseren Argumente haben, andernfalls hätte er kaum die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragt. Denn über Rudolphs Verpflichtungserklärung hinaus ist kaum Masse vorhanden.

Die HBL wiederum muss sich fragen lassen, warum sie nicht bessere Sicherheiten, etwa eine Bankbürgschaft, verlangt. „Wenn man Schlupflöcher lässt, braucht man sich nicht zu wundern, wenn marode Clubs sie nutzen“, sagt der Spielerberater Wolfgang Gütschow, dem der HSV noch einen sechsstelligen Betrag schuldet: „Die Wirtschaftsprüfer der HBL sollten das -prüfer aus ihrem Namen streichen.“

Stationen der Krise beim HSV Handball

2002

Mit dem Bau der neuen Multifunktionsarena im Volkspark übernahmen die Hamburger im Handball die Lizenz des zum damaligen Zeitpunkt finanziell angeschlagenen VfL Bad Schwartau. Ab der Saison 2002/03 startete der Handball Sportverein Hamburg in der Bundesliga.

Dezember 2004

Andreas Rudolph, der das Handball-Urgestein Heinz Jacobsen auf dem Präsidenten-Stuhl der Hamburger ablöst, rettet mit seinem Geld (weit mehr als 30 Millionen Euro) den Verein vor dem Untergang.

11. Mai 2011

Nach der ersten Meisterschaft für den HSV Hamburg stehen personelle Wechsel an: Martin Schwalb wird Präsident, Per Carlén neuer Trainer. Doch das Experiment misslingt: Schwalb kehrt auf die Bank zurück, Matthias Rudolph, der Bruder von Andreas wird Chef.

19. Juni 2013

Ex-Nationalkeeper Frank Rost wird als neuer Geschäftsführer präsentiert. Der vermeintliche Coup mit dem Fußballer im Handball-Club erweist sich schnell als 43-Tage-Irrtum von Hamburg.

16. November 2013

Andreas Rudolph ist wieder Präsident, nachdem sein Bruder Matthias die Brocken hingeworfen hatte.

18. Februar 2014

Andreas Rudolph erklärt den HSV Hamburg zum „Sanierungsfall“.

8. Mai 2014

In einer E-Mail erklärt Andreas Rudolph seinen Rücktritt und kündigt später an, kein privates Geld mehr in den Club stecken zu wollen.

15. Mai 2014

Die HBL verweigert dem HSV Hamburg in erster Instanz die Lizenz. Die Begründung: Ein Nachweis der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ist nicht erbracht.

1. Juli 2014

In der letzten Instanz (vier Minuten vor Ablauf der Frist durch eine erneute Millionen-Bürgschaft von Andreas Rudolph) erhalten die Hamburger doch noch die Lizenz.

3. Juli 2014

Trainer Martin Schwalb, der einen Tag später entlassen werden soll, erleidet einen Herzinfarkt. In einer Notoperation retten die Ärzte das Leben des Coaches.

6. August 2014

Christian Fitzek, ehemaliger sportlicher Leiter, Co- und Cheftrainer kommt als Geschäftsführer vom VfL Bad Schwartau nach Hamburg zurück.

23. Oktober 2014

Der Reiseunternehmer Karl Gladeck, der schon seit Monaten den HSV unterstützt, wird satzungsgemäß vom Aufsichtsrat zum neuen Präsidenten und Nachfolger von Frank Spillner ernannt.

4. Dezember 2014

Das Arbeitsgericht erklärt die mittlerweile ausgesprochene Kündigung von Martin Schwalb für unwirksam. Der Ex-Trainer soll Nachzahlungen in Höhe von fast 300 000 Euro erhalten.

9. Dezember 2015

Spieler und Angestellte des Vereins warten auf ihr Geld. Ein Krisengipfel tags zuvor mit Hauptgeldgeber Andreas Rudolph brachte kein Resultat.

16. Dezember 2015

Die Gerichtspressestelle Hamburg bestätigt einen Insolvenzantrag des HSV Hamburg.

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