Hamburg. Das Wochenende der Entscheidung: Müssen die Handballer am Montag ein Insolvenzverfahren beantragen? Für den HSV wäre es das Ende.
Sorge? Das wäre zu viel gesagt. Aber „eine gewisse Beunruhigung“ verspürt Uwe Kölling schon, wenn er an das Bundesligaspiel seines TuS N-Lübbecke gegen den Handball-Sport-Verein Hamburg am 23. Dezember denkt. „Für uns ist dieser Termin ein Highlight, um Weihnachten herum ist die Halle erfahrungsgemäß voll“, sagt der Geschäftsführer des Tabellenletzten. Sogar ein außerordentliches „Event“ sei geplant. Sollte dieses Spiel nun ersatzlos ausfallen, wäre das „eine ziemliche Katastrophe für uns“.
Für den HSV wäre es mehr als das: Es wäre das Ende. Der deutsche Meister von 2011 und Champions-League-Sieger von 2013 scheint geradewegs in die Insolvenz zu steuern. Das Wochenende dürfte über das Schicksal des HSV entscheiden. Am Freitagvormittag rief Geschäftsführer Christian Fitzek seine Mitarbeiter zusammen, um ihnen die Situation und mögliche Folgen darzulegen – mit dem Gang zum Amtsgericht als letzter Konsequenz.
Für die Wende könnte nur Andreas Rudolph sorgen
Eine offizielle Stellungnahme Fitzeks kam am Nachmittag schriftlich. Es gebe „keine richtungweisende Entscheidung“. Weitere Informationen könnten erst am Dienstag folgen. Und weiter: „Wir benötigen alle Zeit und Energie, die uns noch zur Verfügung steht, um an einer Lösung zu arbeiten.“
Namhafte Funktionsträger schließen nicht aus, dass es wie schon im Sommer 2014 eine Wende zum Guten geben könnte. Dafür sorgen könnte nur Andreas Rudolph. Die Hoffnung aber, dass der Medizintechnik-Unternehmer seinen Club mit einem weiteren Millionendarlehen oder -zuschuss aus der Klemme befreit, ist seit Donnerstag minimal. Der NDR zitierte Rudolph mit den Worten: „Meiner Meinung nach sind die HSV-Handballer nicht mehr zu retten.“ Der Finanzierungsbedarf liege bei 12,5 Millionen Euro.
HSV-Handball-Krisen
Erste Liga wäre im Falle einer Insolvenz unwahrscheinlich
Auf der Geschäftsstelle wurde am Freitag bereits das Worst-Case-Szenario durchgespielt. Unter welchen Bedingungen kann der Spiel- und Geschäftsbetrieb im Fall einer Insolvenz fortgesetzt werden? Mit welchen Spielern, welchen Mitarbeitern, in welcher Halle? Das HSV-Präsidium berief unterdessen eine Telefonkonferenz ein, um über mögliche Folgen zu beraten. Im Fall einer Insolvenz der Betriebsgesellschaft bliebe der e. V. auf Außenständen in Höhe von 200.000 Euro sitzen. Auf die Schnelle würden mindestens 50.000 Euro liquide Mittel benötigt, um Gehälter, Steuern und Sozialabgaben zu bezahlen. Dieses Geld könnte wohl über aktuelle und frühere HSV-Sponsoren eingeworben werden.
Dass der Verein über diese Saison hinaus erstklassig bleibt, wäre im Fall einer Insolvenz unwahrscheinlich. Es setzte voraus, dass die überschuldete GmbH, an der Rudolphs Bruder Matthias die Mehrheitsanteile hält, bis April saniert wäre. Eher schon würde der Spielbetrieb in der Dritten Liga fortgesetzt, im Kern mit der U-23-Auswahl, die derzeit die Oberligatabelle anführt.
Geschäftsführer der SG Flensburg-Handewitt sieht Schaden für die Liga
Dia aktuelle, überraschend erfolgreiche Profimannschaft würde wohl zerfallen. Schon jetzt könnten die Spieler angesichts zweier ausstehender Monatsgehälter ablösefrei wechseln. Leistungsträger wie Adrian Pfahl wären kaum zu halten. „Es wäre schade um den sportlich guten Weg, den der HSV mit einem geringeren Budget gegangen ist“, sagt Thorsten Storm, Manager des deutschen Meisters THW Kiel. Die Finanzprobleme beträfen aber nicht nur den Konkurrenten: „Sie belasten jedes Jahr aufs Neue die gesamte Liga. Das ist traurig.“
Auch beim anderen Nordrivalen ist man die Hamburger Leiden leid. „Wir hoffen, dass dieses Thema bald ein Ende hat“, sagt Dierk Schmäschke, Geschäftsführer der SG Flensburg-Handewitt und einst als HSV-Vizepräsident ein enger Rudolph-Vertrauter, „die Diskussionen sind nicht gut für die Liga.“
„Der HSV hat eine Verantwortung gegenüber dem gesamten Handball“
Dass die Probleme durch ein anderes Lizenzierungsverfahren absehbar und zu verhindern gewesen wären, bestritt Bundesliga-Geschäftsführer Frank Bohmann im Gespräch mit dem Abendblatt. Der HSV habe eine werthaltige Verpflichtung vorgelegt, um die Liquiditätsabdeckung sicherzustellen. Gemeint ist offenbar Rudolphs Patronatserklärung, die sich auf mindestens zwei Millionen Euro belaufen soll. Dass Fitzek von dieser letzten Option keinen Gebrauch gemacht hat, kann aus Bohmannns Sicht nur drei Gründe haben: „Entweder wurden wir getäuscht, oder es wurde nicht richtig gehandhabt, oder es kann nicht bezahlt werden.“
Bohmann drängte auf eine schnelle Lösung: „So wichtig ein Standort wie Hamburg sein mag: Wenn es läuft wie in den letzten eineinhalb Jahren, wird er zu einer Belastung. Der HSV hat eine Verantwortung gegenüber dem gesamten Handball, der er im Moment nicht gerecht wird.“