Kiel. Beim Supercup spielen sich die deutschen Handballer fürs Olympiajahr ein. Mit freundlicher Unterstützung der Spitzenclubs.
Rune Dahmke stand nichts ahnend an der Gepäckausgabe des Hamburger Flughafens, sein THW Kiel befand sich auf der Rückreise von einem Champions-League-Spiel in Polen, als ihn Trainer Alfred Gislason zu sich winkte. Bundestrainer Dagur Sigurdsson habe gerade bei ihm angerufen und ihn zur Nationalmannschaft eingeladen, eröffnete der Isländer seinem jungen Linksaußen. Dahmke mochte es kaum glauben: „Ich dachte nur: Oh, okay!“ Und jetzt, da er sich seit Montag im Kreis der besten deutschen Handballer auf den Supercup an diesem Wochenende vorbereitet, noch dazu in seiner Geburtsstadt Kiel, sei es „sehr aufregend. Fast so, als würde man noch mal ganz von vorn anfangen“.
Dabei hat seine Karriere doch gerade erst angefangen. Es ist wenig mehr als ein Jahr her, da feierte Dahmke, 22, mit dem TSV Altenholz den Aufstieg in die Zweite Bundesliga. Inzwischen ist er beim deutschen Meister THW Kiel in Bundesliga und Champions League erste Wahl. Das hat natürlich auch damit zu tun, dass Stammkraft Dominik Klein und der ohnehin als Ersatz vom HSV verpflichtete Torsten Jansen beide langwierig verletzt sind. Aber beim Deutschen Handball-Bund (DHB) sind sie überzeugt, dass der wundersame Aufstieg des Rune Dahmke mehr ist als nur ein Zufall.
Der Handball-Supercup ist ein Superflop
Was hatte Heiner Brand noch in seiner späten Amtszeit als Bundestrainer geklagt darüber, dass sich die deutschen Spitzenvereine bei der Ausbildung deutscher Talente aus der Verantwortung stehlen würden! Knapp neun Jahre und zwei Bundestrainer später stellt der THW beim Supercup immerhin drei Spieler, der verlustpunktfreie Tabellenführer Rhein-Neckar Löwen sogar vier. Und das, obwohl die Kieler Dominik Klein und Patrick Wiencek nach ihren Kreuzbandrissen auf absehbare Zeit nicht zur Verfügung stehen.
Längst sind es auch nicht mehr nur die vergleichsweise unkritischen Außenpositionen, auf denen einheimische Spieler in den Topclubs zu finden sind. Steffen Weinhold und Christian Dissinger gehören zu den Leistungsträgern im Kieler Rückraum, Wiencek spielt beim THW am Kreis, Hendrik Pekeler in Mannheim – auch er musste Sigurdsson allerdings kurzfristig für den Supercup absagen.
„Es gibt ein größeres Verantwortungsbewusstsein der Clubs für die Nationalmannschaft“, hat Bundesliga-Präsident Uwe Schwenker beobachtet, „beide Seiten wissen, dass sie nur gemeinsam Erfolg haben können.“ Erst am vergangenen Wochenende hat sich die DHB-Führung mit der Ligaspitze bei einem Treffen in Hamburg auf die Ziele eingeschworen. „Wir arbeiten gemeinsam daran, den Handball in Deutschland noch besser zu machen“, sagt der neue Verbandspräsident Andreas Michelmann.
Der gute Wille der Vereine ist das eine, letztlich aber dürfte es vom Können der Spieler abhängen, ob sie in den Champions-League-Vereinen mitspielen dürfen. Bob Hanning, der für Leistungssport zuständige Vizepräsident, sieht den DHB da auf einem guten Weg: „Die Leistungsträger unserer U-20-Mannschaft, die im vergangenen Jahr Europameister wurde, spielen in ihren Vereinen eine zentrale Rolle.“ Paul Drux, 20, und Fabian Wiede, 21, zum Beispiel, die bei den Füchsen Berlin von der eigenen Jugend in die Bundesligamannschaft und dort in Führungsaufgaben hineinwuchsen.
Die Füchse haben unter ihrem Manager Hanning und dem jetzigen Bundestrainer Sigurdsson über Jahre den Weg gewiesen, wie sich mit konsequenter Nachwuchsarbeit auch eine Profimannschaft zum Erfolg führen lässt. Jetzt ist das Gespann gemeinsam für die Nationalmannschaft verantwortlich. Und auch hier ist Sigurdssons Gespür für Talente gefordert, schon weil ihm zwei Schlüsselspieler, Drux und Wiencek, verletzt fehlen. „Wir haben ein spannendes, junges Team“, sagt der Isländer, „die Jungs arbeiten sehr konzentriert und motiviert, besser kann es nicht sein.“
Das Zwischenergebnis wird sich an diesem Wochenende in Flensburg, Hamburg und Kiel besichtigen lassen (s. Info-Kasten). Als Fernziel hat Michelmann den Olympiasieg 2020 ausgegeben, aber der kurzfristige Erfolg ist zumindest erwünscht. „Vor uns steht ein Jahr voller großer Herausforderungen“, sagt Hanning und zählt auf: die EM im kommenden Januar in Polen, ein mögliches Olympia-Qualifikationsturnier, bei erfolgreichem Abschneiden die Spiele in Rio, schließlich die Qualifikation zur WM im Januar 2017 in Frankreich.s
Dann jährt sich das deutsche Handballwintermärchen zum zehnten Mal. Klein, einer der Weltmeister von 2007, wird dann wohl nicht mehr in Kiel sein. THW-Manager Thorsten Storm gab am Mittwoch bekannt, 2017 einen Umbruch auf Linksaußen vollziehen zu wollen.