Hamburg. Hamburger ärgern sich nach der Pleite gegen die Rhein-Neckar Löwen nicht nur über die Schiedsrichter. Angriffsleistung macht Hoffnung.
Michael Biegler stand mit dem Rücken zur Wand und war in seinem Redefluss kaum zu stoppen. Er könne seiner Mannschaft nur aufrichtig Komplimente machen, erklärte der Trainer der HSV-Handballer eine Stunde nach Abpfiff im Kabinentrakt der Barclaycard-Arena, sie sei hungrig, wissbegierig, lernfähig, setze auch unter Stress immer öfter um, was man sich im Training erarbeitet habe. 8000 Zuschauer hatten es zuvor ähnlich gesehen. Minutenlang applaudierten sie nach der Schlusssirene ihrem Team, das sich nach allen Seiten vor dem Publikum verneigte – dankbar wie überrascht für die erfahrene Zuneigung.
Selten wohl hat es für eine Niederlage derart viel Lob für die Verlierer gegeben wie nach dem 28:29 (15:15) der Hamburger gegen den verlustpunktfreien Tabellenführer Rhein-Neckar Löwen. Das ersehnte und wohl auch verdiente Happy End war dem HSV allerdings vier Sekunden vor Schluss verwehrt geblieben, als der überragende Schweizer Spielmacher Andy Schmid den Ball von linksaußen ins Netz hämmerte – was in der Halle und der Hamburger Hälfte zu einem Moment der Schockstarre führte, während die Mannheimer den Siegtreffer wie den Gewinn der Meisterschaft feierten.
HSV fast wie ein Spitzenteam
„Wir sind noch kein Spitzenteam und werden auch nicht so schnell eins“, hatte Biegler noch am Sonnabend im Abendblatt-Interview gesagt. Das Spiel am Abend könnte ihn in seiner Einschätzung eines Besseren belehrt haben. Der HSV verteidigte trotz Personalnots umsichtig, konsequent, zupackend, fand im Angriff auch ohne Durchschlagskraft aus dem linken Rückraum wiederholt überraschende Lösungen, die die beste Deckung der Bundesliga vor Probleme stellten. Dem dänischen Spielmacher Allan Damgaard gebührte dafür besondere Anerkennung.
Allein es mangelte den Hamburgern diesmal am Rückhalt. Johannes Bitter (4) und Jens Vortmann (7), Beruf: Torhüter, wehrten zusammen elf Würfe ab, ein paar mehr hätten es sein dürfen. Geschäftsführer Christian Fitzek: „Mit den Torwartleistungen der vergangenen Wochen hätten wir wahrscheinlich gewonnen.“
Ärger über Schiedsrichter
Was dem HSV gegen den deutschen Vizemeister zusätzlich fehlte, war die Gunst der Schiedsrichter. „Es gab von der ersten Minute an eine Schieflage, die so nicht zu akzeptieren ist. Vergleichbare Situationen sind unterschiedlich bewertet worden“, zürnte Biegler. Vor allem der zu meist ungeahndete Körpereinsatz des Mannheimer 130-Kilo-Kreisläufers Rafael Baena, der sich regelmäßig in seine Gegenspieler fallen ließ, erregte den Unmut des Trainers. Auch dass die beiden Unparteiischen von Beginn an die Abwehrkante Piotr Grabarczyk ermahnten, was er mit seinen Händen zu tun und zu lassen hätte, was den Polen merklich verunsicherte, mochte Biegler nicht unkommentiert hinnehmen: „Das gehört sich einfach nicht.“
Aber einer wie Biegler ahnt natürlich auch, dass sich Mannschaften den Respekt der Schiedsrichter erst erarbeiten müssen. Hier scheint der HSV indes auf einem guten Weg, damit künftig selbst neutrale Beobachter dessen Leistungsentwicklung zu würdigen wissen. Und das ist ein Verdienst des Trainers, den ein langjähriger HSV-Profi, der ungenannt bleiben will, als den besten Coach bezeichnet, der bislang in Hamburg unter Vertrag stand. Unter Biegler sei das Team nicht nur körperlich topfit, sondern auch taktisch wesentlich variabler geworden. Gegen Mannheim übernahm zum Beispiel der Halbrechte Adrian Pfahl vorübergehend die Rolle des Spielmachers. Dass die Vereinsführung dies derzeit ebenso sieht, erkennt man schlicht darin, dass niemand, nicht mal unter vorgehaltener Hand, über Biegler lästert.
Tore: HSV: Damgaard 7, Lindberg 7 (3 Siebenmeter), Pfahl 5, Flohr 3, Schmidt 2, Jaanimaa 2, Mortensen 1, Hens 1; Rhein-Neckar Löwen: Schmid 6, Gensheimer 6 (3), Ekdahl Du Rietz 5, Petersson 4, Mensah Larsen 3, Groetzki 2, Baena 1, Reinkind 1, Guardiola 1. SR: Geipel/Helbig (Steuden/Landsberg). Z.: 8124. Zeitstrafen: 4; 3. 7-Meter: 3 (3 verwandelt); 4 (3).